First Look

«Mob City»: Mehr Gangster geht nicht

von

Frank Darabont, früherer Produzent von «The Walking Dead», macht auch in seiner neuen Serie keine halben Sachen: Er zeigt Los Angeles skrupelloser, dunkler als je zuvor in TV-Form.

Hinter den Kulissen

  • Erfinder / Regisseur: Frank Darabont («The Walking Dead»)
  • Darsteller: John Bernthal («The Walking Dead»); Jeremy Luke («Don Jon»); Milo Ventimiglia («Heroes»); Jeffrey DeMunn («The Walking Dead»); Alexa Davalos («Clash of the Titans»); Neal McDonough («Desperate Housewives»); Robert Knepper («Heroes»); Edward Burns («Der Soldat James Ryan»)
  • Buchvorlage: Sachbuch "L.A. Noir" von John Buntin
„Ich lebe in einer Welt von Grau-Hüten“, erklärt der namenlose Erzähler zu Beginn: Es gebe kein Schwarz und Weiß, wie in den Filmen, kein klar unterscheidbares Gut und Böse. Nein, in dieser Welt – er meint die 1940er Jahre in Los Angeles – gebe es nur Grau. Nur eine Gesellschaft, die nicht identifizierbar ist und in der die Grenzen des moralisch Vertretbaren verschwimmen.

Wir befinden uns mit dieser Prämisse von Frank Darabonts neuem Format «Mob City» in guter Tradition: Gerade die Ambivalenz der Charaktere ist ein prägendes Element amerikanischer Qualitätsserien, die seit den «Sopranos» die TV-Unterhaltung in neue Dimensionen gehievt haben. Bereits Tony Soprano war der Mafiaboss, der menschlich erscheint und eine emotionale Bindung zum Zuschauer kreiert. In einer grundsätzlich schlechten Welt erschienen die Sopranos als legitimes, als graues Inventar. «The Wire» definierte sich später durch die Ambivalenz der gesamten Gesellschaft, hier stellte sich die Frage zwischen schwarz und weiß erst gar nicht. Und «Breaking Bad» spielte lange Zeit mit der Prämisse, es sei das ultimativ Gute, das Walter White zu schlechten Handlungen treibe: Für die finanzielle Sicherheit der Familie wurde er zum Drogenboss. Schließlich warf Star-Produzent Frank Darabont mit seinem Vorgängerprojekt «The Walking Dead» die Frage auf, was Menschlichkeit bedeutet in einer Welt, die von Untoten regiert wird.

Das Grau in «Mob City», es wird verkörpert durch den Stand-Up-Comedian Hecky Nash, der seine eine große Chance wittert und die Gelegenheit bekommt, einen Mobster zu erpressen. Zu seiner Sicherheit engagiert Nash einen Polizisten, der beim Deal Wache schieben soll. Die Polizei, des Dealers Freund und Helfer? Halbwegs, denn Polizist Joe Teague geht zwar auf das Angebot ein, informiert aber gleichzeitig seinen Vorgesetzten. Auch dies tut Teague jedoch nur unter einem Vorwand: damit er selbst nicht in Verdacht gerät, mit den Gangstern Geschäfte zu machen.

Joe Teague ist der eigentlich zwielichtige Charakter in «Mob City», und gleichzeitig ihr Hauptdarsteller. Teague zieht Fäden an beiden Enden, erzählt nie die ganze Story und bewegt sich auf gefährlichem Terrain. Er versucht das Beste für sich herauszuholen, aus seinem Job als Polizist und als Teilzeit-Ganove. Teagues Taten bleiben nicht unentdeckt in der Szene, er baut Verbindungen zu Bugsy Siegel auf, dem berühmten Mobster, der später den Aufbau der Casino-Stadt Las Vegas mitgestalten soll.

Siegel und andere Figuren der Serie werden zu Beginn jeder «Mob City»-Episode in einem Flashback vom Erzähler vorgestellt, der im Piloten erklärt: “It was guys like them that made the Roaring Twenties roar.“ Diese Flashbacks aus den 1920ern zeichnen die Charakterbilder im anfangs angesprochenen Schwarz und Weiß, das sich in der eigentlichen Serie dann zu einer grauen Masse mischt.

Schon in Episode zwei hat der Zuschauer so viele Gangster kennengelernt, dass der Überblick schnell verloren geht. Er erkennt aber schnell: Diese sogenannte Stadt der Engel, Los Angeles, trieft vor Korruption und Kriminalität. Kein Wunder, dass die Serie ursprünglich «Lost Angeles» heißen sollte. Trotz des Anspruches, zwischen Gut und Böse zu schweben, verliert sich die neue Serie in Statik und Linearität: Die moralische Frage wirft Hauptfigur Joe Teague kaum auf, seine Rolle zwischen den Extremen scheint zementiert. So fehlt «Mob City» in den ersten beiden Episoden eine Charakterdynamik, die aufgrund der Prämisse eigentlich vorhanden sein sollte und viel Spielraum ließe für Selbstzweifel à la «Breaking Bad». Auch die Story selbst wird linear erzählt: keine Parallelhandlungen, keine gegensätzlichen Plots, die langsam zueinander geführt werden. Chronologisch geschieht eines nach dem anderen, die Extravaganz bleibt aus. Der Zuschauer bekommt im Laufe der ersten Episode eine klassische Kriminalgeschichte serviert, die die gesamte sechsteilige Miniserie umspannen wird.

Damit dürften einige Fans zufrieden sein, die einfach eintauchen wollen in die schmutzige, dunkle Welt des Los Angeles der 1940er Jahre. Dies ist der größte Pluspunkt bei «Mob City»: Es setzt das Genre des Film Noir auf dem Bildschirm grimmig-schön in Szene; visuell und akustisch steht man großen Kinoproduktionen nicht nach. Meist spielt die Serie in der Dunkelheit, umso beeindruckender ist ihr Spiel mit Farben, Lichtern, bunter Reklame und aufflackernden Streichhölzern in der Gasse. Auch die Schauspieler zeigen Größe, allen voran Gaststar Simon Pegg, der als Comedian Hecky Nash den Pep in die triste Serienwelt bringt.

All dies aber zu Lasten des Inhalts: «Mob City» strotz voller Klischees und Tropen des Noir-Gangsterfilms, sodass Überraschungen und neue Facetten schmerzlich vermisst werden. Frank Darabont schafft mit seiner neuer Serie also genau das nicht, was er mit «The Walking Dead» erreicht hat: dem Genre eine neuen, vielleicht revolutionären Anstrich zu geben. Freunde klassischer Noir-Geschichten bekommen mit «Mob City» ein wundervolles Weihnachtsgeschenk serviert, andere Zuschauer nicht viel mehr als pulpige, ausgehöhlte Krimikost.

TNT Serie strahlt «Mob City» ab 29. Dezember 2013 um 20.15 Uhr aus.

Kurz-URL: qmde.de/67769
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