Die Kritiker

«The Blacklist»: Der Concierge des Verbrechens

von

Hollywood-Star James Spader spielt einen Kriminellen, der dem FBI die meistgesuchten Verbrecher der Welt liefern kann – aber der Preis dafür ist hoch. Unsere Vorschau auf die neue RTL-Hitserie «The Blacklist».

Es gibt definitiv jede Menge Action und spannende Plots. Die Sendung hat ihre Drehungen und Wendungen und ist wegen ihrer Charaktere international attraktiv, letztendlich ist die Sendung Charaktere-orientiert. Es geht darin um Beziehungen. Da ist die Kernbeziehung zwischen meiner Figur Raymond „Red“ Reddington und der FBI-Profilerin Elizabeth Keen, gespielt von Megan Boone. Ihr Verhältnis ist sehr komplex und rätselhaft. Wenn man Informationen in kleinsten Stückchen preisgibt, könnte man das meiner Meinung während der ganzen Dauer einer Serie aufrechterhalten.
James Spader über «The Blacklist»
„Alles an mir ist eine Lüge. Aber wenn mir jemand eine zweite Chance geben kann, sind Sie es.“ Raymond Reddington spricht behutsam, hypnotisierend. Er wählt seine Worte, als kämen sie aus dem Mund eines verzweifelten Ehemannes, der seine Frau betrogen hat und nun versucht, sie zurückzugewinnen. Er spricht, als ginge es um die Liebe. Dabei ist ‚Red‘ Reddington ein Schwerkrimineller, und die Worte, die er spricht, richtet er an Liz Keene – an eine Frau, die ihn nicht kennt und die soeben ihren ersten Tag als FBI-Profilerin angetreten hat. Warum sie mit Reddington im Hochsicherheitstrakt spricht, umringt von schussbereiten Soldaten? Weil er es so will. „Wir beide haben so viel überstanden“, gibt der Verbrecher der Profilerin zu verstehen. Er weiß alles über sie, ihre Vergangenheit, ihr Privatleben. Sie weiß nichts über ihn.

Dies ist die Ausgangslage der neuen RTL-Serie «The Blacklist», die wieder einmal das FBI und seine Jagd auf Terroristen zum Thema macht. In jüngerer Zeit sind die amerikanischen TV-Networks angesichts der großen Masse ähnlicher Crime-Serien dazu übergegangen, wenige Charaktere zu schärfen und in den Mittelpunkt zu stellen. Meist ist es nicht mehr ein Ensemble oberflächlicher Figuren, das Fälle löst, sondern einzelne Ermittler – die oft mit den Verbrechern auf irgendeine Weise zusammenarbeiten (müssen). So auch bei «The Blacklist», das in der Tradition von «Hannibal» und «The Following» steht. Der Typus des kooperativen Verbrechers, es ist hier besagter Raymond Reddington, der sich eines Tages dem FBI stellt – freiwillig, friedlich und scheinbar ohne Hintergedanken.

Seine einzige Auflage ist, nur mit der Neu-Profilerin Liz Keene sprechen zu wollen. Warum, das weiß niemand. Auch Reddington selbst macht nur Andeutungen, wählt die üblichen Phrasen: „Wir beide werden ein gutes Team abgeben.“ Der Deal, den das FBI und Keene durch die Kooperation eingehen, hat einen hohen Preis: Man liefert sich Reddington aus, der schon bald Immunität und Freigang fordert. Will Keene den Schwerverbrecher an sich heranlassen? Ist er nicht gerade auf die junge Profilerin aus, weil sie noch geformt werden kann?

Red will, dass seine neue Partnerin wie eine Kriminelle denkt – um den wahren Kriminellen zuvorzukommen. Denn auch dies gehört zum Deal: Reddington kennt eine schwarze Liste, die „Blacklist“, die brisante Namen enthält – Namen von Politikern, Mafiosi, Hackern, Spionen. Von Leuten, die das FBI nicht kennt oder für tot hält, die nirgendwo aufzufinden sind. Das FBI kann sich einem solchen Angebot nicht entziehen und lässt den ‚Concierge des Verbrechens‘, wie Reddington von einem Mitarbeiter genannt wird, in die eigenen Hallen.

Dadurch kreiert «The Blacklist» einen übergeordneten Erzählrahmen neben den einzelnen Fällen. In der Premierenepisode verrät Reddington einen tot geglaubten Terroristen, der die Tochter eines FBI-Generals entführen will. Obwohl man von dem Plan weiß und Liz Keene das Kind beschützt, gerät alles schief: Der Auto-Konvoi gerät in einen Hinterhalt, die Tochter wird den Händen Keenes entrissen. Schon bald taucht das Kind in einem Zoo wieder auf – mit einer Bombe auf den Rücken gespannt, die der Terrorist jederzeit auslösen kann.

Abgesehen von letzterem perfiden und fragwürdigen Story-Element bietet «The Blacklist» einen soliden Einstieg, der trotz eines allzu gewöhnlichen Terroristen-Falls die Spannung hochhält und es zudem schafft, die Hauptfigur Liz Keene zu charakterisieren. Dies schafft man auch durch eine private Komponente um Keenes Ehemann, der in die Aktivitäten Reddingtons verwickelt zu sein scheint – so viel wird bereits in Folge eins klar und macht Lust auf mehr. „Du weißt, ich lasse diesen Job nicht zwischen uns und unsere Familie kommen“, sagt Liz zu ihrem Mann am Anfang der Geschichte. Schon wenig später wird sie eines besseren belehrt.

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