Inhalt
Hinter den Kulissen
- Buch und Regie: Jan Bolender
- Kamera: David Rankenhohn
- Schnitt: Anna Nekarda
- Musik: Jonas Gervink
Darsteller
Christoph Tomanek («Homevideo») als Michael Heidel
Janna Striebeck («Die Albertis») als Vera Heidel
Felix Schmidt-Knopp («Im Netz») als Niko Beckmann
Stephan Schad («Koffie to Go») als Volker Fechtner
Kritik
All good things come to an end. Auch die mutige Reihe «Stunde des Bösen» der ZDF-Nachwuchsredaktion „Das kleine Fernsehspiel“. Vier exakt einstündige Thriller mit begrenztem Budget und aus der Feder aufstrebender, junger Filmemacher verwirklichte der Mainzer Sender unter dieser Marke – und auch wenn diese Filme aufgrund niedriger Quotenerwartungen zu einer recht bescheidenen Sendezeit programmiert wurden, so kann man das ZDF für diese Reihe nicht genug loben. Schade ist allein, dass Fernsehende, die erst jetzt von der «Stunde des Bösen» erfahren ausgerechnet das schwächste Glied der Kette zu sehen bekommen. Das garstige Täter-Opfer-Verwirrspiel «Stunde des Bösen – Der Sieger in Dir» nimmt sich nämlich einer reizvollen Grundidee an, um sie dann relativ konventionell umzusetzen. Gerade im Vergleich zu den experimentelleren Schreckensstunden dieser Reihe eine kleine Enttäuschung – wenn auch auf hohem Niveau.
Autorenfilmer Jan Bolender spinnt in seinem Einstünder eine Geschichte, die mit einem hinterhältigen Stück Wunscherfüllung beginnt: Aus einem jahrelangen Mobbingopfer wurde ein erfolgreicher Mann, der auf ein gefestigtes Leben blicken kann. Und eben dieser begegnet seinem früheren Peiniger, mit dem es das Schicksal deutlich schlechter meinte: Verkommen und ohne Dach über dem Kopf hat das einstige Charakterschwein seinen Denkzettel für die ständigen Angriffe auf einen seiner Mitschüler erhalten. Der Protagonist Michael, und damit macht Bolender gekonnt aus der Karma-Rachefantasie zahlloser Mobbingopfer allmählich ein doppelbödiges Stück Selbstbeweihräucherung, will sich und seinem früheren Feind aber beweisen, welch gute Seele er ist, und setzt alle Hebel in Bewegung, dem verwahrlosten Niko ein neues, besseres Leben zu ermöglichen. Die vielleicht nicht ganz so selbstlose Tat erweist sich rasch als fataler Fehler und Niko greift Michaels Seelenwohl mit völlig neuer Effektivität und Zielstrebigkeit an.
Die Idee eines unangenehmen Hausgasts wurde bereits in zahllosen Dramen, Komödien und Psychothrillern ausgeschlachtet, aber wenige Filme mit solch einem Grundkonzept zielen so versiert auf die innersten Ängste früherer Außenseiter, wie «Stunde des Bösen – Der Sieger in Dir». Die Rückkehr eines alten, neu erstarkten Feindes bietet unfassbares Spannungspotential – welches Jan Bolender jedoch nicht vollends auszuschöpfen vermag. Dies ist einerseits der Laufzeit geschuldet – nutzte beispielsweise «Stunde des Bösen – In der Überzahl» seine Rahmenbeschränkungen kongenial aus, versucht Bolender hier, den Stoff eines Langfilms in sechzig Minuten zu pressen. Dadurch kommt es zu Sprüngen in der Figurenkonstellation, die teils arg an der Plausibilität und atmosphärischen Dichte der Geschichte kratzen – schlagartig wird aus dem heruntergekommenen Niko jedermanns Liebling und Michaels Freundin Vera hat urplötzlich die Ängste ihres langjährigen Gefährten satt. Die Grundidee hinter «Stunde des Bösen – Der Sieger in Dir» eignet sich bedeutsam besser für einen Thriller, der sich ausreichend Zeit nehmen und schleichend Verdacht ob der Treue Veras und Gutseligkeit Nikos schüren kann.
Ansatzweise weiß ein weiterer Kniff dieser kleinen TV-Produktion eben diesen Makel abzufedern: In der zweiten Hälfte lässt Bolender Zweifel aufkommen, ob Niko wirklich so intrigant ist, wie Michael es glaubt, oder ob das frühere Mobbingopfer sich die Boshaftigkeit aufgrund seiner seelischen Narben bloß einbildet. Dadurch ist die Sprunghaftigkeit, mit der die Figuren rund um Michael ihre Gesinnung ändern, immerhin im Ansatz zu erklären. Gleichwohl gerät die Skizzierung von Michaels psychischer Belastung gerade einmal ausreichend: Erschütternde Tagebucheinträge und paranoide Erzählerkommentare markieren, wie unausgeglichen der Protagonist von «Stunde des Bösen – Der Sieger in Dir» ist. Diese Einblicke in Michaels Psyche sind allerdings zu holzschnittartig, als dass sie eine starke Identifikation erlauben oder ein faszinierendes Psychogramm abgeben würden – sie bleiben einfach nur ein (wenngleich konsequentes) Mittel, um den Fortlauf der Handlung zu rechtfertigen.
Aufgrund der nicht zu aggressiv eingesetzten, schaurig-paranoiden Filmmusik von Jonas Gervink und ihre Figuren effizient einfangenden Performances der Darstellerriege weiß dieser einstündige Thriller seinen Mängeln zum Trotz zu fesseln. Den eindrucksvollen Nachhall seiner «Stunde des Bösen»-Vorläufer lässt dieses ZDF-Fernsehspiel jedoch deutlich missen.
«Stunde des Bösen – Der Sieger in Dir» ist in der Nacht vom 1. April auf den 2. April um 0.005 Uhr im ZDF zu sehen.