Filmfacts: «Banklady»
- Kinostart: 27. März 2014
- Genre: Krimi/Drama
- Laufzeit: 117 Min.
- FSK: 12
- Kamera: The Chau Ngo
- Musik: Christoph Blaser, Michl Britsch, Steffen Kahles
- Autor: Christoph Silber, Kai Hafemeister
- Regie: Christian Alvart
- Darsteller: Nadeshda Brennicke, Charly Hübner, Ken Duken, Andreas Schmidt, Heinz Hoenig
- OT: Banklady (D 2013)
Hamburg in den frühen Sechzigern: Gisela Werler (Nadeshda Brennicke) ist ein Mauerblümchen, Arbeiterin in einer Tapetenfabrik und mit Dreißig noch unverheiratet. Als sie den Charmeur und Bankräuber Hermann Wittorff (Charly Hübner) kennenlernt, verändert sich ihr Leben auf einen Schlag. Schnell findet sie heraus, dass Hermann und sein Kumpel Uwe (Andreas Schmidt) Bankräuber sind. Zunächst hilft sie ihnen nur bei ihren Raubzügen, doch bald schon ist sie die treibende Kraft. Gisela lässt ihr altes Leben hinter sich und wird zur „Banklady“: In teuren Mänteln und Schuhen, mit Perücke und Sonnenbrille steht sie wieder und wieder an den Bankschaltern und erbeutet - höflich aber bewaffnet - immer mehr Geld. Längst stilisieren sie die Zeitungen zum Sexsymbol und die ganze Nation rätselt: Wer ist diese Frau? Aber auch die Ermittler Fischer (Ken Duken) und Kaminski (Heinz Hoenig) sind ihr auf den Fersen. Doch Gisela riskiert immer mehr für ihr wildes Leben, für die Freiheit und ihre Liebe zu Hermann.
Nach der Inszenierung mehrerer «Tatort»-Episoden, so auch beider Vertreter mit Til Schweiger, sowie Alvarts eher Suspense-lastiger Filmausrichtung in Form des Horrorfilms «Fall 39» oder des Psychtothrillers «Antikörper» hätte man dem Filmemacher, Produzenten und Drehbuchautor durchaus eine temporeichere Version des Krimistoffes zugetraut. Stattdessen schwelgt der Regisseur viel lieber in amüsantem Lokalkolorit und kostet die vorzüglich in die Sechzigerjahre zurückversetzte und exzellent in Szene gesetzte Hansestadt mit Genuss aus. Vom Arbeiterviertel Altona und der ortsansässigen Tapetenfabrik über die nostalgisch anmutende Innenstadt bis hin zum Rotlichtviertel, der Hamburger Reeperbahn: In Sachen visueller Authentizität lassen sich weder der Regisseur selbst noch sein Kameramann The Chau Ngo («Phantomschmerz») etwas vormachen. Herzstück dieses Pluspunkts ist eine schmissige Bildmontage diverser Raubzüge der Banklady, die im Stile eines typischen Sixties-Werbespots arrangiert sind. So generiert man Tempo und nicht zuletzt ein sich des Jahrzehnts anpassendes Wohlgefühl. Der Kinosaal wird zur Sechzigerjahre-Party.
Bis es soweit ist tritt Alvart in seiner Inszenierung jedoch merklich auf die Bremse. Die Drehbuchautoren Christoph Silber («Good Bye Lenin!») und Kai Hafemeister («Der Wagner-Clan») lassen den Figuren viel Zeit, um ihren Status innerhalb der Erzählung zu festigen. Zu viel. So muss erst eine halbe Stunde vergehen, bis Gisela, die ohne das Zusammenspiel mit den anderen Figuren zu blass für die Leinwand ist, auf ihren Hermann trifft. Sowohl Nadeshda Brennicke («Add a Friend») als auch Charly Hübner («Bibi & Tina - Der Film») sind ohne den jeweils anderen Filmpartner verloren. Hübner weiß das in gewohnt souveräner Manier jedoch wesentlich besser zu überspielen als Brennicke, welche die erste halbe Film-Stunde fast gänzlich allein bestreitet und die Geduld des Publikums damit aufs Äußerste strapaziert. Dabei ist dies nicht einmal der hübschen Aktrice selbst geschuldet. Das Leben vor Gisela Werles Ganovenzeit gibt einfach kaum etwas Verfilmenswertes her. Erst als sie die Bekanntschaft mit Hermann Wittorff macht und der Fokus auf den Vorbereitungen der Überfälle, der Durchführung selbiger und dem Katz-und-Maus-Spiel mit den Polizisten liegt, nimmt «Banklady» die eingangs erläuterte Fahrt auf.
Entscheidet sich ein Filmemacher für die Leinwandvariation eines sich tatsächlich ereigneten Geschehens, bleibt den Verantwortlichen vor und hinter den Kulissen selten Platz für eigene Ansätze und Interpretationen. Gleichzeitig lassen sich Fehlschläge innerhalb der Inszenierung dadurch schnell auf die realen Gegebenheiten schieben. So bleibt es in «Banklady» ein Rätsel, ob der von Ken Duken («ZweiOhrKüken») verkörperte Kommissar Fischer in Wirklichkeit ein solcher Dramatiker war, oder seine Figur ein Opfer von brachialer Überdramatisierung geworden ist. Jedes noch so kleine Leinwand-Stelldichein Dukens ist von Dialogen geprägt, die der Feder eines gewissen William Shakespear zu entstammen scheinen – mehr Theatralik geht nicht. Selbst Heinz Hoenig («Kopf oder Zahl») als dessen Vorgesetzter Kaminski scheint sich dabei nicht selten ein Schmunzeln verkneifen zu müssen.
In den inszenatorischen Hochphasen, zu denen vornehmlich die mal mehr, mal weniger akribisch durchgeplanten Raubzüge gehören, hat «Banklady» herrlich altmodischen Krimistoff zu bieten. So hätte ein «Tatort» in den Sechzigern ausgesehen. Parallel zum temporeichen Crime-Plot erzählt der Film allerdings die viel interessantere Geschichte über den Sinneswandel der ambivalent gezeichneten Hauptfigur. Während sich Gisela zunächst vom Mauerblümchen zur selbstbewussten Frau entwickelt, verfällt sie schon bald nach und nach dem Größenwahn – und Hermann. Diese Verwicklungen gestalten sich ob vieler verschiedener Blickwinkel und einer hinterfragenden Beleuchtung der Ereignisse wesentlich intensiver als der eigentlich im Fokus stehende Krimi-Plot. Idealerweise würde ein Regisseur beide Faktoren zu gleichen Anteilen unter einen Hut bekommen. Christian Alvart scheint damit bisweilen überfordert und lässt es zu, dass der Film kein einheitliches Tempo findet und ein kontinuierlicher Spannungsaufbau fehlt. So plätschert «Banklady» viel zu oft einfach nur dahin; interessante Nebenhandlungsstränge wie das schwierige Verhältnis zwischen Gisela und Hermann kommen dabei ebenso zu kurz.
Fazit: Mit seinen über zwei Stunden Laufzeit ist «Banklady» um Einiges zu lang geraten. Auch spannungstechnisch scheint in dem als Gaunerstück angelegten Stoff wesentlich mehr Potenzial zu stecken, als es der Regisseur auszuschöpfen weiß. Stattdessen präsentiert Christian Alvart seinem Publikum eine interessante Mischung aus Kriminalkomödie und Charakterstudie, mit der er sich jedoch merklich übernimmt. Auch wenn der Film in seinen Hochphasen einen enormen Unterhaltungswert besitzt, hätte sich Alvart – der Kontinuität zuliebe – jedem Erzählstrang gleichermaßen zuwenden sollen.