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Die neue «Tagesschau»: Bleibt alles anders

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Am Samstagabend sendete Deutschlands meistgesehene Nachrichtensendung erstmals aus ihrem neuen Studio. 24 Millionen Euro und mehrere Jahre Entwicklungszeit sind in das Projekt geflossen – das Ergebnis ist beeindruckend bodenständig.

Das neue Studio der ARD-Nachrichten

  • 320 Quadratmeter groß
  • Highlight: 17,5 Meter breite Medienwand hinter den Plätzen der Sprecher und Moderatoren
  • Kosten: 23,8 Mio. Euro
  • wird für alle Nachrichtensendungen des Ersten genutzt, aber auch für die News des Digitalkanals tagesschau24
17. Juli 2009, die «heute»-Nachrichten des ZDF senden erstmals aus ihrem neuen Studio. In Mainz hat man sich für eine komplett virtuelle Kulisse entschieden, genannt wird sie die „grüne Hölle“: eine grüne Wand, vor der die Moderatoren stehen, und auf welche das Studio virtuell projiziert werden kann – so wie wir es als Fernsehzuschauer sehen.

Ausgereift sind die technisch hochgerüsteten Kulissen jedoch nicht, Pannen schleichen sich immer wieder ein. Am 07. August 2009 geschieht der Super-GAU: Wegen technischer Probleme muss die «heute»-Sendung um 16 Uhr vorzeitig abgebrochen werden, weil die Nachrichtenfilme nicht abgespielt werden können. Zwar stellt man nachher klar, dass menschliches Versagen der Grund für den Fehler war. Die Ursache liegt aber in der Umstellung auf digitale Video-Dateien, die mit den neuen Studios einhergeht – und damit wiederum doch bei der neuen Technik, die die ZDF-Redaktion in den ersten Monaten des Sendebetriebs nicht gänzlich zu beherrschen scheint. Pannen bei «heute» machen immer wieder Schlagzeilen. Der Spott bleibt nicht aus, hatte das ZDF zuvor doch eigens den Hype gesucht: Ein „neues Nachrichten-Zeitalter“ solle das „weltweit einmalig[e]“ Studio einläuten, sagt man damals.

Die Nachrichtenkollegen der ARD haben aus diesem Missmanagement offenbar gelernt: Erst vor wenigen Tagen war bekannt geworden, dass die «Tagesschau» ab Samstag, den 19. April 2014, aus einem neuen Studio senden wird. Großspurige Ankündigen vermied man sowohl im Vorfeld als auch während der Premiere – Nachrichtenchef Jan Hofer spricht nur kurz über die „neuen technischen Möglichkeiten“, über die sich der Zuschauer auf der Website der Sendung informieren könne.

Diese vergleichsweise wenigen, bodenständigen Worte, sind am Samstagabend ein passender Schlussakkord zur zuvor fehlerfreien ersten Sendung aus dem neuen Studio. Dieses präsentiert sich nicht wie die Mainzer aus einer „green box“, sondern mit echten Kulissen. „Nachrichten leben von Verlässlichkeit, Sicherheit und Glaubwürdigkeit. Alles, was die Zuschauer sehen, ist deshalb auch real im Studio vorhanden“, erklärt ARD-aktuell-Chefredakteur Kai Gniffke (Foto) bei der Vorstellung der neuen Kulissen.

Dies war in den vergangenen Jahren anders: Beim letzten Design die eingeblendeten Nachrichtenbilder in den Hauptnachrichten als virtuelle Grafiken implementiert. Nun sind sie auf einer Studio-Leinwand zu sehen, die sich hinter dem Nachrichtensprecher auftürmt. Sie ist das Herzstück der neuen «Tagesschau»: 18 Meter breit und halbrund erstreckt sich die Medienwand im gesamten neuen Studio, und wie beim ZDF sollen die Moderatoren diesen Raum künftig ausnutzen können: „Unsere 'Anchorwoman' und 'Anchorman' können sich im Studio richtig bewegen. Dadurch haben sie optimale Möglichkeiten, komplexe Sachverhalte noch besser zu erklären“, so Thomas Hinrichs, Zweiter Chefredakteur von ARD-aktuell. Die Leinwand soll neben Standfotos auch Videos abspielen und dreidimensionale Animationen ermöglichen.

Bei der Premiere ist von letzteren noch nichts zu sehen, doch auch ohne technische Muskelspiele legt die neue «Tagesschau» einen beeindruckenden Start hin: Um Punkt 20 Uhr erklingt die Titelmelodie in neuem Gewand – staatstragender, langsamer, choraler. Die Begrüßung aus dem Off kommt von Angelina Jolies Synchronstimme. Bevor Chef-Nachrichtensprecher Jan Hofer (Foto) seine Zuschauer begrüßt, fängt die Kamera in einer Totalen die gesamte Imposanz des neuen Studios samt seiner Leinwand ein. Zu sehen ist dort eine Collage von Bildern, sie sind ein grafischer Vorgeschmack auf die Themen des Tages – eine willkommen frische Eröffnung der Sendung. Während der Nachrichtensprecher seine Beiträge liest, zeigt die Leinwand im Hintergrund entsprechende Bilder zum Thema im Vollbild, fast über den gesamten Bildschirm erstreckt. Eckige Grafiken links neben dem Moderator sind abgeschafft.

Sie wirkt traditionell, die neue «Tagesschau», hat einen nostalgischen Charme, präsentiert sich aber gleichzeitig hochmodern. Generell geschehen die Übergänge bei den Kurznachrichten in einer fließend-weichen Animation, das kantige Design verschwindet zum Teil aus der Sendung: Zwar sind die Grafiken etwa zu Lotto-Zahlen oder Fußballergebnissen weiterhin eckig gestaltet. Der neue – nun dauerhaft am linken unteren Bildrand eingeblendete – «Tagesschau»-Schriftzug präsentiert sich dagegen vor abgerundeten Kanten, wie bei den berühmten App-Logos auf Apple-Geräten. Auch die Bauchbinden sind in diesem Design dezent gestaltet und verfestigen den insgesamt weicheren Eindruck der neuen Optik.

Und inhaltlich? Will man die gewohnte Qualität liefern, neue Akzente soll aber die Bebilderung der Nachrichten setzen. Exzellenter Fotojournalismus soll stärker eingebunden werden: "Mit großformatigen Fotos können wir die Themen ausdrucksstärker, authentischer und emotionaler bebildern. Das erhöht die Verständlichkeit”, so Kai Gniffke.

Viele Jahre hat die Entwicklung des neuen Studiobetriebs in Anspruch genommen, 24 Millionen Euro kostete die Umrüstung am Ende – übrigens sechs Millionen weniger als die neuen ZDF-Studios vor vier Jahren. Dass es in diesen Tagen überhaupt eine optische Überarbeitung der meistgesehenen Nachrichtensendung Deutschlands gibt, war 2012 noch kaum denkbar: Der erste interne Testbetrieb scheiterte aufgrund der halbrunden Leinwand, die entsprechende Verzerrungen im Bild nicht wie geplant ausgleichen konnte. "Ich dachte fast, das war's, wir sind gescheitert. Ich hatte schlaflose Nächte", sagt Kai Gniffke im Rückblick. Rund eineinhalb Jahre später ist das neue Studio eingeweiht, die erste Sendung gefahren. Verzögert zwar, aber fehlerfrei und optisch ansprechend. Es ist ein Redesign, auf das sich das Warten gelohnt hat.

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