Inhalt
Hinter den Kulissen
- Produktion: Cinecentrum Hannover
- Drehbuch: Raimund Maessen und Volker Krappen
- Regie: Marvin Kren
- Kamera: Moritz Schultheiß
- Produzentin: Dagmar Rosenbauer
Hinter dem Schleuservorfall steckt ein riesengroßes Komplott. Wie weit die Hintermänner verzweigt sind, erschließt sich dem Ermittlerteam nur sehr begrenzt. Doch ihre Gegner scheinen ihnen immer einen Schritt voraus zu sein und stets genau zu wissen, was Falke und Lorenz gerade tun.
Darsteller
Wotan Wilke Möhring («Das Adlon: Eine Familiensaga») als Thorsten Falke
Petra Schmidt-Schaller («Der Tote im Watt») als Katharina Lorenz
Sebastian Schipper («Lola rennt») als Jan Katz
André Hennicke («Lasko – Die Faust Gottes») als Hermann Jertz
Jochen Nickel («Hammer & Sichl») als Horst Martinsen
Andreas Patton («Krimi.de») als Behrend Dreyer
Sascha Alexander Gersak («Im Angesicht des Verbrechens») als Gerd Carstens
Kritik
„Kaltstart“ ist ein Rundumschlag geworden. Ein Rundumschlag quer durch eine Vielzahl an Themen, die in den Redaktionen der ARD als «Tatort»-affin gelten: Schleuserbanden, Überwachungsstaat, das vielfach durchdeklinierte Modell „dubioser Großkonzern versus kleiner Mann“, finstere mächtige Gestalten, die mir nichts, dir nichts über Leichen gehen.
Wie man solche Themen ansprechend, mit Hirn und Haltung umsetzt, haben die Wiener Kollegen schon mehrfach vorgeführt. Doch in Nordniedersachsen, dessen rauer Landschaftscharakter in öffentlich-rechtlichen Krimis immer zum ästhetischen Leitmotiv hochstilisiert wird, greift die ARD-Mentalität. Die will zwar auch gerne die schweren Themen haben, damit man hinterher sagen kann, Mensch: Was haben wir im Fiction-Segment wieder für Aufklärungsarbeit betrieben. Doch im unmittelbar anschließenden Nachsatz sagt die ARD schon: gemach, gemach.
Was dabei entsteht, ist keine «Chinatown»-eske Abrechnung mit Kapitalverbrechern, keine Sezierung vertrackter gesellschaftlicher Strukturen, kein clever geschriebener Fernsehfilm mit Mut zur Relevanz. Stattdessen entsteht ein Krimi wie „Kaltstart“, der sich am besten mit dem Adjektiv gemach beschreiben lässt. Denn die gesellschaftliche und politische Brisanz, vor der der Stoff eigentlich strotzt, darf nur in kurzen, vorzugsweise suggestiven Momenten durchschimmern.
Zum Beispiel in einer Einstellung, in der ein Photo von Edward Snowden auftaucht, womit man einerseits pseudo-intellektuell „Mensch, wisst ihr eigentlich, was um euch so passiert?“ schreien, und andererseits aus dem narrativen Kontext eine spinnerte apokalyptische Konsequenz ziehen will, die in dieser forcierten Radikalität abwegig bis paranoid ist. Wenn Sätze wie „In Afrika geht’s doch immer um Rohstoffe“ als legitime Zusammenfassung der politischen Situation eines ganzen Kontinents gelten. Oder wenn sich Falke und Lorenz bei unzähligen Was-haben-wir-bis-jetzt-Gesprächen soundbitehaft über Waffenschmuggel, Warlords und die Komplexitäten des Asylrechts austauschen, damit auch der Letzte der Handlung folgen kann. Und überall hört man das Flüstern der Redakteure: gemach, gemach.
Diese Scheu vor jedweder Radikalität lässt sich nicht nur auf der intellektuellen, sondern auch auf der emotionalen Ebene ausmachen. Denn Thorsten Falke, dem gleich in der Eröffnung die Kollegin wegstirbt, mit der er eng verbunden war, darf auf dieses einschneidende Ereignis nur vorhersehbar reagieren, überzeichnet, in Close-Ups und Zeitlupen. Denn auch hier scheint zu gelten: keine wirkliche Tragik, bitte gemach. Wäre „Gemächlichkeitskrimi“ eine Kategorie beim Grimme-Preis, würde der neue Niedersachsen-«Tatort» abräumen wie kaum ein zweiter Film. Bis dahin reiht er sich ohne aufzufallen in die Riege der sonntäglichen Einheitsprodukte.
Das Erste zeigt «Tatort – Kaltstart» am Sonntag, den 27. April um 20.15 Uhr.