Die Kritiker

Weiter Abwärts

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Schon die Premiere im letzten Herbst konnte nicht überzeugen. Heute Abend geht es für den «Polizeiruf 110» aus Magdeburg - getreu dem Titel der Folge - weiter abwärts, meint Julian Miller.

Cast und Crew

Vor der Kamera:
Claudia Michelsen («Der Turm») als Hauptkommissarin Doreen Brasch
Sylvester Groth («Romeo») als Hauptkommsissar Jochen Drexler
Felix Vörtler («Die Holzbaronin») als Kriminalrat Uwe Lemp
Steve Windolf («Doc meets Dorf») als Kriminalobermeister Mautz
Peter Jordan («Tatort - Hamburg (Cenk Batu)») als Peter Ruhler
Lukas Schust («Keine Zeit für Träume») als Lukas Schenker
Sina Tkotsch («Wie erziehe ich meine Eltern?» als Ellen Schenker
Hinter der Kamera:
Produktion: Saxonia Media
Drehbuch und Regie: Nils Willbrandt
Kamera: Michael Schreitel
Produzentin: Britta Hansen
Der MDR wollte sich verjüngen, als er sich entschied, das in die Jahre gekommene Schmücke-Schneider-Duo aus Halle an der Saale in Rente zu schicken und zwei neue Ermittlerfiguren zu entwerfen. Deren Premiere fiel letztes Jahr bestenfalls mittelmäßig aus. Angesichts ihrer nunmehr zweiten Folge muss man die damalige Einschätzung vielleicht noch ein bisschen nach unten korrigieren. Neue Impulse für den Sonntagabend sind von Hauptkommissarin Doreen Brasch und ihrem Kollegen Jochen Drexler nicht zu erwarten. Ihre Programmierung als Lückenbüßer mitten in der Sommerpause riecht gar ein wenig nach Schadensbegrenzung.

Viel mehr als den alten Dualismus von der zupackenden Ermittlerin im Kampf für das Gute und dem zurückhaltenderen, eher ruhigen, verschroben-distanziert-intellektuellen Kollegen scheint sich aus der einfallslosen Figurenkonstellation immer noch nicht machen zu lassen. All die knappen Anerzählungen aus ihrem Privatleben – Braschs Nazi-Sohn sitzt mittlerweile im Knast, Drexlers Tochter wird von ihrem Partner misshandelt – zerfließen in den Klischees, wenn Drexler dem gewalttätigen Taugenichts eben doch mal kurz in die Fresse haut, auch wenn er sonst so akkurat ist, und Brasch sich an der Läuterung ihres Kindes abarbeitet, der einen wehrlosen Schwarzen totgeprügelt hat. Stoff, aus dem sich zweifellos viel machen ließe, in dem auch von mittelmäßigen Autoren viel Konfliktpotential auszumachen wäre, der Raum zu Betrachtung und spannungsgeladenen Plots hergeben würde. Doch dieses Potential müsste man zu mehr nutzen als zur Ausstaffierung der ansonsten sehr dünnen Themenebene und zur Spiegelung des Kriminalfalls.

In dem soll es ein bisschen darum gehen, woran Eltern so alles schuld sein können. Oder eben nicht. Es beginnt mit einem Leichenfund im Straßenbahndepot. Der Tote ist ein junger Mann. Er heißt Danilo Rink, hatte schon einiges auf dem Kerbholz und wurde die letzten Jahre über von Sozialarbeiter Peter Ruhler betreut, den Drexler nun auf das Revier bittet, wo er bei einigen Zeugenbefragungen mithören soll.

Schnell stellt sich heraus, dass Rink vor seinem Tod den 15-jährigen Lukas Schenker in der Straßenbahn bedroht und ihm seinen Laptop entwendet hatte. Alle anderen Fahrgäste sind ob der gewalttätigen Eskalation bei der nächsten Gelegenheit ausgestiegen. Nur Ruhler soll Lukas geholfen haben. Als Drexler und Brasch das mitkriegen, wollen sie Ruhler sofort zu den Details befragen. Aber der ist schon geflüchtet. Für Drexler gibt es viele Erklärungsmöglichkeiten, für Brasch dagegen nur eine: Ruhler hat Rink erschlagen. Und Ruhler tut einiges, um sie in diesem Gedanken zu bestärken: Er taucht unter und verstrickt sich in der kriminellen Unterwelt.

Ein Sozialarbeiter als Mörder und Geiselnehmer? Ja, das gibt’s. Die Zeitungen sind voll von solchen Berichten. Die interessante Frage ist, wie ein ruhiger, besonnener, sozial engagierter Mann zum Killer wird. Eine wirklich tiefgreifende Evaluation dieses Untersuchungsfeldes findet sich in „Abwärts“ aber nicht. Themen und Handlungsstränge werden stattdessen in altbekannte Schemata umgelenkt, in plattitüdengeladenes Geschrei à la „Gar nichts wisst ihr!“ und Anerzählungen von nicht-klassischen Familienmodellen, die meist mit Untertönen des Suspekten inszeniert werden. Pendelnde alleinerziehende Väter – nein, da kann was nicht stimmen.

Schade auch, dass dem Schauspielerensemble jede Möglichkeit genommen wird, zu glänzen. Claudia Michelsen kann in ihren sinnigeren Rollen nach wie vor deutlich besser gefallen als als trutschige, Law-and-Order-Dilettantin Doreen Brasch, während Sylvester Groth sichtlich um Zwischentöne bemüht ist, die ihm das Drehbuch aber nur rudimentär zugestehen will.

Fazit: Im «Polizeiruf»-Entwicklungsland Sachen-Anhalt geht es weiter abwärts.

Das Erste zeigt «Polizeiruf 110 – Abwärts» am Sonntag, den 6. Juli um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/71686
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