Über «Zeit für Helden»
- Produktion im Auftrag von RTL II unterstützt von der Bundeszentrale für politische Bildung
- Produziert von SEO Entertainment
- Moderation: Sandra Schneiders
Verzeihen könnte man das der Sendung aber zweifelsohne, zumal die Moderation gefühlt nur einen minimalen Part einnimmt. Im Mittelpunkt steht – wenig überraschend – das eigentliche Experiment und das ist auch gut so. Passanten oder Restaurant-Besucher werden in Situationen gebracht, die Eingreifen verlangen. Ob ein Kellner einem Obdachlosen 20 Euro wegnehmen will oder ein Antisemit die jüdische Weltverschwörung durch den Supermarkt plärrt. Zumindest phasenweise wirken die Situationen leicht überzogen, vor allem aber werden sie mit großem Pathos begleitet. Und schlussendlich steht ein Ergebnis zu Buche, mit dem wohl jeder gerechnet hatte: Bis zu einem gewissen Grad gibt es bei manchen Menschen einen latenten Alltagsrassismus, manche waren zu feige einzugreifen und letzten Endes gab es doch eine ganze Reihe von Personen, die Zivilcourage gezeigt und interveniert haben. Jeder Fall endet aber dann doch mit eben jenen Helden und der gleichzeitigen Hoffnung, dass auch die Zuschauer vor den Schirmen ebenso handeln würden. Das sind bekannte Versuche und vorhersehbare Resultate. Wirkliche Überraschungen sucht man vergeblich.
Dann gibt es aber noch eine Versuchskonzeption, die zwar prinzipiell ähnlich, aber doch ein Stück weit anders aufgebaut ist. Auf offener Straße fragt eine Ausländerin einen Mann nach Hilfe. Der erwidert deutlich hörbar, dass er Ausländern keine Frage beantwortet und sie doch in ihr Heimatland zurückgehen solle. Danach geht er zügig weiter. Die Passanten müssen sich hier entscheiden, ob sie nun der Dame helfen oder den Mann zur Rede stellen – beides zu tun wäre kaum angemessen möglich. Solcherlei Szenen spielen sich vermutlich tatsächlich auf deutschen Straßen ab. Die Schwelle, der Dame zu helfen, ist hier aber naheliegenderweise deutlich geringer als in den anderen Fällen, zugleich ist es kaum möglich das wirkliche Problem – den schwelenden Rassismus – zu bekämpfen. Dieser Versuch ist also offensichtlich nicht wirklich gut konzipiert. Das aber hätte spätestens bei der Materialsichtung nach dem Dreh auffallen müssen. In der Sendung jedenfalls hat das so nichts zu suchen. Vermutlich aber ist es genau deshalb doch in die Folge gekommen, weil in dieser Situation so viele Menschen „eingreifen“. Mit wirklicher Zivilcourage hat das noch zu wenig zu tun und auch wenn das Verhalten sicher löblich ist – wahre Helden sind die Protagonisten allein deshalb noch nicht.
Und dann gibt es da noch diese Momente, bei denen man sich fragt, was diese nun im Format zu suchen haben. So findet plötzlich und unvermittelt eine Passantenbefragung statt, in der nach Alltagsrassismus gefragt wird. Trauriges Highlight: Die Frage, ob Deutsche in Zügen bevorzugt in der ersten Klasse fahren sollten. Die Befragten sind davon offensichtlich so irritiert, dass sie gar nicht mehr wissen, was sie noch antworten sollen. Wer glaubt, dass das noch etwas mit latentem Rassismus zu tun hat, der scheint irgendwas nicht verstanden zu haben. Jedes Gauchogate ist jedenfalls ein Witz dagegen. Mehr als nur irritierend sind ferner die Kommentare, die der Off-Sprecher während eines Versuchs loslässt, in dem es um Antisemitismus geht. Diese könnten die Meinung vermitteln, dass grundsätzlich jede Kritik an Israel antisemitisch zu werten sei. Denn auch wenn er das nie klar sagt, gerade in einer wiedermal angespannten politischen Lage muss man mit jeglichen Wertungen oder Kommentaren dieser Art aufpassen (obgleich das selbstverständlich weder als Lobpreisung von Hamas und Fatah zu verstehen sei noch als Freibrief für durchaus bestehende und zu verurteilende antisemitische Äußerungen). Ohne zu politisch zu werden: Hier haben die Verantwortlichen das nötige Feingefühl vermissen lassen.
Was dann am Ende übrig bleibt, ist leider nicht mehr viel von der eigentlichen netten, wenn auch nicht innovativen Idee: Hand und Fuß fehlen der Produktion, wirklich neue Erkenntnisse bleiben schon in Folge eins aus – kaum zu glauben, dass das im nachfolgenden besser wird. Wenn Fehlgriffe wie die letztgenannten ausbleiben, tut das nicht weiter weh, zumal die Sendung damit qualitativ noch immer über Sendereihen wie den «Wollnys» steht. Eine Meisterleistung ist das selbstverständlich nicht und ob dies ein Prädikat ist, das man sich bei RTL II wünscht, ist eben auch fraglich. Und auch quotentechnisch dürfte man beim Sender nicht allzu große Sprünge erwarten. Dann eben doch lieber wieder Jeremy-Pascal. Ach ja, die Wollnys senden ja am gleichen Abend.
«Zeit für Helden – Und was machst Du?» ist ab Mittwoch, 23. Juli um 22.10 Uhr in Doppelfolgen bei RTL II zu sehen.
Edit: In einer früheren Version dieses Artikels wurde gesagt, dass Moderatorin Sandra Schneiders nicht unbedingt "für besonders seriöses Fernsehen bekannt ist". Nach einem Leserhinweis wurde dieser Satz abgeändert.