Die Kino-Kritiker

«The Purge: Anarchy»

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Nach dem im vergangenen Jahr erschienen Home-Invasion-Thriller «The Purge - Die Säuberung» zeigt Regisseur James DeMonaco mit «The Purge: Anarchy», was während der alljährlichen Säuberung wirklich auf den Straßen der USA passiert, wenn einmal im Jahr alle Verbrechen legal sind.

Filmfacts «The Purge: Anarchy»

  • Kinostart: 31.07.14
  • Genre: Action/Thriller
  • FSK: 16
  • Laufzeit: 104 Min.
  • Kamera: Jacques Jouffret
  • Musik: Nathan Whitehead
  • Autor: James DeMonaco
  • Regie: James DeMonaco
  • Darsteller: Frank Grillo, Zach Gilford, Michael K. Williams, Kiele Sanchez, Amy Paffrath
  • OT: The Purge: Anarchy (USA 2014)
Vor allem im Horrorfilm wird eines modernen Trends gefrönt wie in kaum einer anderen Filmsparte. Sequels, Prequels, Remakes und Reboots bestimmen seit Anbeginn des neuen Jahrtausends das Genre und machen sich unter eingefleischten Fans nicht immer Freunde. Gerade im Bereich der Remakes werden vor allem die unbequemen Filme der Siebziger und Achtziger viel zu oft banalisiert und zu leicht verdaulicher Hollywood-B-Ware, die mit dem Terror des Originals nichts mehr gemein haben. Auch im Falle von James DeMonacos horrender Zukunftsvision «The Purge – Die Säuberung» ebneten beeindruckende Zuschauerzahlen und ein beachtliches Box-Office (bei Produktionskosten von gerade einmal drei Millionen Dollar spielte der Streifen in den USA satte 64.473.115 Dollar wieder ein) den Weg für einen zweiten Teil, der sich bei der abgeschlossenen Story des Vorgängers nicht zwingend anbietet. Gleichwohl hat die Prämisse einer Nation, die einmal im Jahr sämtliche Verbrechen legalisiert, einen solchen Reiz, dass unterschiedliche Sichtweisen auf dieses Ereignis durchaus eine Fortsetzung rechtfertigen. James DeMonaco schlug bei der Konzeption von «The Purge: Anarchy» genau den richtigen Weg ein. Ließ sich im Franchise-Auftakt, der sich ausschließlich auf die Begebenheiten innerhalb einer einzigen Familie konzentrierte, die sich zu besagter Nacht im eigenen Haus verschanzt, nur erahnen, was in diesen zwölf verhängnisvollen Stunden auf den Straßen der USA vor sich geht, begibt sich der Filmemacher in seiner Fortsetzung vor die Tür und dementsprechend direkt ins Säuberungsgetümmel. «The Purge: Anarchy» ist actionlastiger, gewaltiger und bösartiger – und lässt erahnen, dass die Grenzen des Franchises, das in den kommenden Jahren regelmäßig Fortsetzungen erhalten soll, noch lange nicht ausgeschöpft sind.

Wieder ist Säuberung. Heute ist jedes Verbrechen erlaubt – einschließlich Mord. Ein Paar sitzt aufgrund einer Autopanne auf offener Straße fest und auch eine hilflose Frau und deren Tochter sind dem Chaos der Purge-Night völlig ausgeliefert. Ein mysteriöser Unbekannter könnte ihre allerletzte Hoffnung sein, die Nacht zu überleben. So schlägt sich die Gruppe durch die dunklen Straßen der Stadt. Immer mit dem Wissen, dass sie vor allem auf diejenigen treffen wird, die es sich nicht nehmen lassen wollen, in dieser ganz besonderen Nacht ihre dunkelsten Triebe auszuleben…

Ganz gleich, wie zwiegespalten «The Purge» vor einem Jahr von den internationalen Kritikern aufgenommen wurde, in einem Punkt waren sich alle einig: Die Idee hinter dem Film war auf ihre ganz eigene Art und Weise genial. Welche Möglichkeiten hätten sich einem noch mutigeren Regisseur aufgetan, der aus der Alles-ist-erlaubt-Prämisse noch mehr herauszuholen gewusst hätte, als einen verhältnismäßig konventionellen Home-Invasion-Thriller!? In seiner Fortsetzung nimmt sich James DeMonaco offenkundig einige der kritischen Stimmen zu Herzen und geht in seiner Inszenierung um einiges direkter vor. Sein Fokus liegt nicht mehr auf einer einzelnen Familie. Stattdessen hebt der Regisseur und Drehbuchautor die Schicksale mehrerer Charaktere hervor und führt diese zusammen. Während Justina Machado («The Call – Leg nicht auf») und Zoë Soul («Prisoners») glaubhaft ein Mutter-Tochter-Gespann mimen, dabei jedoch auch locker als Geschwister durchgehen könnten, überzeugt vor allem Frank Grillo («Disconnect») in der Rolle des undurchsichtigen, stillen Rächers. Als dritter Part spielen Amy Paffrath (demnächst in der US-Serie «Hollywood Friends» zu sehen) und Zach Gilford («Devil's Due - Teufelsbrut») ein sich an der Schwelle zur Trennung befindliches Pärchen, dem man ebenjene Emotionen trotz schwacher Dialogauswahl abnimmt.

Diese Einzelschicksale verbinden sich innerhalb der Gruppe zu einem einzelnen. Das Ziel: die Nacht überleben! Dabei wird der Zuschauer Zeuge dessen, wie unterschiedlich die US-amerikanischen Bürger mit der Purge-Nacht umgehen. Es gibt perverse Privatpartys, auf den Straßen finden regelrechte Menschenjagden statt und wer viel Geld hat, nutzt eigens für diesen Anlass konstruierte Gewehrbauten oder nimmt an geheimen Purge-Night-Shows teil. Die Kreativität, die sich für den Regisseur unter diesen Gegebenheiten anbietet, ist enorm und seine Stärken finden sich in «The Purge: Anarchy» vor allem dann, wenn die Ausmaße dieses zwölf Stunden andauernden Schlachtfests deutlich werden. Abstriche müssen dagegen die Charaktere machen. Anders als in Teil eins, in welcher jede Einstellung zur Purge-Nacht durch eine Figur vertreten war und es sich so zwangsläufig mit jemandem sympathisieren ließ, lässt «Anarchy» klar erkennbare Züge innerhalb der Figurenzeichnung vermissen. Das ist einerseits konsequent, hebt das vermeintlich willkürliche Handeln diverser Figuren in gewissen Momenten doch die moralische Willkür dieser Nacht hervor, andererseits beraubt es dem Streifen mancherorts an Spannung und macht ein Mitfiebern mit den Hauptakteuren nicht immer selbstverständlich. Das ist schade, da der Thriller im Vergleich zum Vorgänger wesentlich actionlastiger daherkommt und sich Bleigewitter selten eignen, um den Figuren nahezukommen. So müssen sich die Akteure, die allesamt einen soliden Job machen, mit der recht schwachen Skriptvorlage zufriedengeben, haben jedoch kaum die Möglichkeit, mehr aus dieser herauszuholen. So wünscht man sich tatsächlich ab und an einen Ethan Hawke herbei, der in Teil eins so gekonnt den Zwiespalt zu verkörpern wusste, welchen das Säuberungsszenario unweigerlich provoziert.

Beeindruckend sind dagegen die Stimmungssequenzen, die der auch schon für «The Purge – Die Säuberung» zuständige Kameramann Jacques Jouffret einfängt. Entgegen seines geleckten Hollywoodlooks, der Teil eins in seiner Perfektion nicht immer gut zu Gesicht stand, gelingt es ihm in «Anarchy» verstärkt, die dreckige Prämisse des Ereignisses einzufangen. Auch wenn man sich gerade zu Beginn gern einmal an Michael Bays Sonnenuntergangsorgien erinnert fühlt, sind die Einstellungen der leeren Straßen und die Close Ups auf die Purger durchgehend angsteinflößend. Stellvertretend hierfür steht eine Sequenz auf einer Autobahnbrücke, die, von den nahenden Ereignissen leergefegt, von mehreren Säuberern betreten wird: Diese erspähen am anderen Ende der Brücke zwei der Hauptfiguren, die der Purge-Night schutzlos ausgeliefert sind. Schweren Schrittes, in bedrohlicher Zeitlupe und ironisch vor der Schönheit der untergehenden Sonne kreiert Jouffret ein Kriegsszenario, das in seiner Banalität beklemmender kaum sein könnte. Auch mitten im Getümmel gelingen dem Filmer in ihrer Simplizität tolle Bilder, welche die Gefahr nicht immer fokussieren, sondern diese sich gern auch beiläufig im Hintergrund abspielen lassen. Passend dazu verzichtet Komponist Nathan Whitehead auf einen eingängigen Score, sondern beschränkt sich lieber auf eine bedrohliche Soundmasse, die er immer wieder auf das Publikum loslässt. Geordnete Tonfolgen, gar Melodien, hätten dem Streifen nicht gut getan.

Entgegen des ersten Teils verlässt sich «The Purge: Anarchy» weniger auf Schockeffekte. Ließ sich der Franchise-Auftakt noch ganz deutlich dem Horrorgenre zuordnen, verlässt sich sein Nachfolger vermehrt auf ein Actionszenario und weniger auf Suspense oder Grusel und schließt nebenbei einige Logiklöcher des ersten Teils (endlich wird die Frage beantwortet, weshalb munter gemordet, nicht aber geplündert wird). Abgesehen von einigen sehr brutalen Schießereien geht es dabei recht unblutig zu. Stattdessen zeigt sich vor allem das Finale äußerst sozialkritisch. Bereits innerhalb des ersten Films wurden seitens der Figuren Töne laut, die Reichen würden sich ausschließlich mithilfe des Geldes vor den One-Night-Murderern schützen und aus der Purge gar Profit schlagen. In «Anarchy» treibt James DeMonaco derlei gesellschaftskritische Töne noch auf die Spitze und lässt seinen Streifen in einem provokanten Schlusstwist enden. Dies lässt «The Purge: Anarchy» über seine gesamte Laufzeit immer stärker werden, hat jedoch den Nachteil, dass die Drehbuchschwächen der ersten Hälfte stärker hervortreten.

Fazit: James DeMonacos zweite Säuberung ist zwar noch lange nicht perfekt, zeigt jedoch die Möglichkeiten, welche die Reihe hat und macht Lust, auf einen dritten Teil. Heutzutage ist ein derartiges Fazit fast schon ein Ritterschlag.

«The Purge: Anarchy» erscheint ab dem 31. Juli in den deutschen Kinos.

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