Cast & Crew
Vor der Kamera:Corinna Harfouch als Katharina Bruckner
Christiane Paul als Jaqueline Bremer
Elon Baer als Joe Bremer
Maximilian von Pufendorf als Roman Schubert
Meike Droste als Marlene Schramm
Ronald Kukulies als Hilmar Rastenkamp
Claudia Eisinger als Nina Bruckner
Hinter der Kamera:
Produktion: kineo Filmproduktion Peter Hartwig und Zieglerfilm München
Drehbuch: Hans-Ulrich Krause und Cooky Ziesche
Regie: Urs Egger
Kamera: Jakub Bejnarowicz
Produzent: Peter Hartwig
Ein Fall nimmt Bruckner besonders mit. Ein Fall, der illustrieren soll, dass Problemfamilien auch im bildungsnahen und finanziell abgesicherten Milieu zu finden sind. Der siebenjährige Sohn der erfolgreichen Architektin Jacqueline Bremer fällt in der Schule durch aggressives Verhalten auf. Schulpsychologe Schubert vermutet ADHS, während Bruckner davon ausgeht, dass der Junge zu Hause Gewalt erfährt. Obwohl sich die Mutter eine Einmischung des Jugendamts verbittet, hält die Beamte zu dem Kind Kontakt. Schließlich nimmt die Architektin anwaltliche Hilfe in Anspruch und ihr Dienstvorgesetzter pfeift Bruckner von dem Fall zurück.
Am Schluss, nach zähem Ringen, juristischen Auseinandersetzungen und vielen dramaturgischen Nebenbaustellen stellt sich heraus: Katharina Bruckner hatte recht. Bremer hat tatsächlich jahrelang ihren Sohn misshandelt. Aus Hilflosigkeit. Und «Der Fall Bruckner» will die alte Hypothese bestätigt sehen: Greifen Jugendämter zu früh ein, überschreiten sie ihre Kompetenzen und sind zu aufdringlich; greifen sie zu spät ein, sind sie schlampig und pflichtvergessen.
Damit macht es sich der Film aber zu einfach. Statt der Aufarbeitung schwieriger gesellschaftlicher Zustände gibt es plumpe Wachrüttel-Momente, statt einem kritischen Diskurs Plattitüden wie „Manchmal darf man nicht zögern. Sonst ist man im falschen Beruf.“
- © BR/Conny Klein
Katharina Bruckner arbeitet beim Jugendamt und fühlt sich manchmal leicht überfordert. Ihr Mann geht fremd, ihre Tochter verlässt das Land und lässt ihren Sohn Joe bei ihr.
Denn diese Katharina Bruckner, eine zweifellos sympathische und auch vielschichtige Figur, wird zu sehr zur Kämpferin gegen die Kindeswohlgefährdung stilisiert, die zahlreichen Rechtsbrüche, die sie eingeht, werden mit Blick auf das gute Ergebnis ihrer Arbeit als notwendig dargestellt. Der Zweck heiligt die Mittel, bei Kindeswohlgefährdung sowieso. Wie entwürdigend das für betroffene Familien sein muss, wenn ihnen von Ämtern der Kühlschrankinhalt kontrolliert und suggestiv-prüfend „Esst ihr auch ordentlich gesunde Sachen?“ gefragt wird, wird nur als Problem dargestellt, wenn es die Upper-Class betrifft. Der erhobene Zeigefinger darf da nicht fehlen: Auch bei den Bessergestellten gibt es gefährliche Familienstrukturen; also lieber mal präsent sein.
Am Schluss ist «Der Fall Bruckner» trotz seines Bemühens um narrative Vielschichtigkeit wenig mehr als eine Hymne auf beherzte Eingreiferinnen mit Allmachtsphantasien zum Wohl des Kindes. Eine intelligentere Haltung, ein vielseitigerer Blick hätten hier gut getan.
Die Prioritäten lagen anderswo: In anerzählten Nebenhandlungssträngen über Familien vom unteren Drittel der Gesellschaft, in denen sich der Hauptplot suggestiv brechen soll und in den erschöpfenden Sub-Plots, mit denen versucht wird, sich Katharina von einer tiefenpsychologischen Ebene zu nähern: Ihr Mann betrügt sie, ihre erwachsene Tochter halst ihr ihren kleinen Sohn auf, weil sie beruflich nach Marokko muss, und die alten Wunden brechen wieder auf: Vor fünfzehn Jahren ist Katharinas Sohn an Leukämie gestorben. Er war damals im selben Alter wie der Sohn von Jacqueline Bremer.
Was hätte Corinna Harfouch hier alles spielen können. Und tatsächlich findet sie in all den vorgestanzten Verklärungen und der einseitigen Betrachtungsebene noch zahlreiche Zwischentöne, sucht Nahbarkeit, wo andere Darstellern bei ähnlich gelagerten Stoffen nur der Pathos als Ultima Ratio bliebe.
Doch am Schluss bleibt vor allem das vergeudete Potential eines Films, der, wäre er diskursiver und tiefenpsychologisch vielschichtig statt vollgepfercht angelegt gewesen, relevant und spannend hätte sein können. So endet «Der Fall Bruckner» dagegen im Versuch, Behörden durch hohen Druck und diffizile rechtliche Grundlagen zu exkulpieren, während suggeriert wird, dass ihre Mitarbeiter gerne auch mal eindeutige Grenzen überschreiten dürfen, wenn es denn der guten Sache dient. Aber das ist zu einfach gedacht und in dieser Verkürzung schlicht falsch. Womit «Der Fall Bruckner» seine Chance verspielt, einen sinnvollen Beitrag zu einer omnipräsenten gesellschaftlichen Debatte zu leisten.
Das Erste zeigt «Der Fall Bruckner» am Mittwoch, den 24. September um 20.15 Uhr.