Sonntagsfragen

'Ich hatte nur an die Ludolfs gedacht'

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Die Dokusoap-Satire «Diese Kaminskis» geht endlich in Serie. Quotenmeter.de spricht mit den Autoren Torsten Fraundorf & Sven Nagel und mit Produzent Rainer Marquass über Scripted Reality, morbiden Humor und niedrige Etats.

Über die Serie

Die Doku-Sitcom «Diese Kaminskis – Wir legen Sie tiefer» berichtet von den Halbbrüdern Michael, Bernd und Marco Kaminski, die ein heruntergewirtschaftetes Bestattungsinstitut übernehmen. Dort erhoffen sie sich den großen Reibach, erfahren allerdings rasch, dass das Geschäft mit den Toten viel komplizierter ist als man denkt. Ab dem 5. November zeigt ZDFneo immer mittwochs ab 21.45 Uhr sechs neue Episoden.
Den Sieg beim TVlab 2013 hat «Diese Kaminskis» zwar nicht erlangt, dennoch geht es weiter. Was war euer erster Gedanke, als ihr davon erfahren habt, dass die Serie grünes Licht bekam?
Sven Nagel: Unser erster Gedanke? Mutig vom Sender. Einige ZDF-Zuschauer haben ja die ganze Ironie und Parodie auf Doku Soaps nicht verstanden und sofort umgeschaltet, weil sie dachten, ZDFneo wurde von RTL II übernommen. Aber im Ernst, man freut sich, dass wir nicht die Einzigen sind, die glauben, dass Tod und Comedy in Deutschland funktioniert! Und da haben wir mit den Redakteuren Martin Neumann und Florian Weber und den Produzenten Sabine de Mardt und Rainer Marquass von Eyeworks zum Glück Gleichgesinnte gefunden.

Torsten Fraundorf: Dass unser schräges Experiment in Serie geht, ist eher untypisch. Mich hat das stolz gemacht.

Rainer Marquass: In dem Moment, als Sven und Torsten mir die Idee auf dem Flur gepitcht haben, wusste ich, „das isses“. Umso glücklicher sind wir, dass wir mit genau diesem Humor jetzt in Serie gehen konnten.

Die im Rahmen des TVlab 2013 gezeigte Pilotfolge von «Diese Kaminskis» führte bereits effektiv das dysfunktionale Trio ein, das sich mehr schlecht als recht im Bestatterberuf versucht. Was steht in den neuen Folgen zu erwarten?
Torsten Fraundorf: Der Wahnsinn geht natürlich weiter!

Sven Nagel: Genau! Die drei Halbbrüder müssen ständig um ihre Existenz kämpfen, denn wer will schon 'ne Beerdigung von den bekloppten Vögeln durchführen lassen? Doch als Billiganbieter verirrt sich der eine oder andere Angehörige glücklicherweise dann doch mal.

Torsten Fraundorf: Und dann buddeln sie schon mal einen Sarg wieder aus und benutzen ihn noch mal, um sich die Kohle zu sparen. Die Kaminskis retten Menschen vorm Selbstmord, bestatten Fussballfans illegal im Stadion, steigen auch mal selbst in den Sarg, wenn eine Leiche verschwindet, und lassen sich selbst bestatten, wenn es sein muss.

Sven Nagel: Gott sei Dank nimmt man ihnen wenig übel. Sie handeln nur aus schierer Verzweiflung und aus Doofheit natürlich auch.

Torsten Fraundorf: Aber am Ende siegt sowieso immer die Liebe zum Leben.

Wird es auch in den neuen Folgen Gaststars zu sehen geben?

Torsten Fraundorf: Es gibt einen Auftritt der 23-fachen Weltmeisterin im Kickboxen Dr. Christine Theiss, was ein Kaminski aus reiner Geldnot ihr angetan hat, ist einfach unglaublich, aber wie sie sich zur Wehr setzt natürlich auch. Wir wissen nicht, ob Marco noch zeugungsfähig ist.

Welche Vorbilder hattet ihr beim Verfassen von «Diese Kaminskis»?
Torsten Fraundorf: Ich hatte nur an die Ludolfs gedacht, die Jungs vom Schrottplatz. Die reale Dokumentation über vier echte, sympathische, aber auch weltfremde Brüder, die wie Messis einen Schrottplatz führen. Was passiert, wenn man wirklich drei hilflose und chaotische Brüder auf die Menschheit jagt, die sich ebenfalls in schlimmster emotionaler Grenzsituation befindet, nämlich in Trauer?

Sven Nagel: Am Anfang wollten wir ne „echte“ Doku machen, die aber kompletter Fake ist und es niemanden erzählen, selbst dem Sender nicht. (lacht) Später erst kam die Comedy dazu und daraus wurde dann die von uns genannte Doku-Sitcom.

Rainer Marquass: Für mich war das Spannende gerade auch, dass es in der Comedy keine vergleichbaren Formate gibt. Mit dieser Mischung haben wir ein Stück weit Neuland beschritten.

Wie viel Erfahrung müssen Zuschauer von «Diese Kaminskis» eurer Meinung nach mit dem Genre der Bestatter-Comedy aufweisen? Muss man schon Fan von «Six Feet Under» oder «Sterben für Anfänger» sein, um größtmöglichen Spaß an dieser Serie haben?
Torsten Fraundorf: Gar keine. Man sollte nur Fan von schwarzem, kompromisslosem Humor sein. «Diese Kaminskis» halte ich auch nicht für eine reine Bestattungscomedy. Die Comedy ist nur im Bestattungswesen angesiedelt. Egal wo du diese Brüder arbeiten lässt, es wird immer die Welt explodieren.

Sven Nagel: Du musst ja auch nicht «Police Academy 1-7» geguckt haben, um den Münster-Tatort zu verstehen? Obwohl …

Ihr macht euch in «Diese Kaminskis» intensiv über Dokusoaps lustig. Ist das Genre nur ein leichtes Opfer für euch oder steckt hinter euren Angriffen mehr?
Sven Nagel: Klar macht es Spaß, mit Elementen der Doku-Soaps zu spielen. Geblurrte Gesichter, bescheuerte Popmusikeinsätze und ein Offsprecher, der harmlose Situationen überdramatisiert und umgekehrt. Aber es ist für uns auch ein super Vehikel, um anders erzählen und andere Gags machen zu können. Beispielsweise muss das Kamerateam in einer Folge einen lukrativen Auftrag übernehmen und die Jungs müssen mit dem iPhone selbst weiter filmen.

Torsten Fraundorf: Wobei die erste Idee schon war, eine Parodie auf die unsäglich schlechte Scripted-Reality-Schwemme zu machen. Eine andere Idee dahinter, war auch eine produktionstechnische Überlegung. Wie kann man in Zeiten von geringer werdenden Produktionsetats eine kostengünstige, aber vor allem lustige und moderne Comedy produzieren?

Sven Nagel: Das macht, glaube ich auch den Spaß von Mockumentarys aus. Du weißt zwar, dass es nicht echt sein kann, aber dein Gehirn spielt dir trotzdem immer wieder einen Streich, weil es irgendwie echt wirkt. Das ist wie beim Horrorfilm, du gruselst dich, obwohl du weißt, dass es nur ein Film ist.

Torsten Fraundorf: Und das ist, was die Kaminskis teilweise so authentisch und lustig macht. Der Witz sollte immer aus der Vorstellung entspringen, das kann auch echt sein. Dieser wertvolle Effekt ergibt sich durch die Sehgewohnheit der Dokusoap. Das war der Hauptgedanke bei der Wahl dieses Genres.

Rainer Marquass: Durch die Mischung von Spielszenen, O-Tönen und Offsprecher haben wir vor allem eines: eine noch höhere Gag-Dichte. Wir hatten keine ellenlangen 2-3-Seiten-Szenen, sondern ein enorm hohes Erzähltempo. Von der Szenen-Anzahl hat das fast an einen 90-Minüter erinnert.

Welche Dokusoaps sind für euch die schlimmsten Vertreter des Genres?
Torsten Fraundorf: Eine Krähe hackt der anderen nicht das Auge aus.

Sven Nagel: Schlimm sind die, wo die Senderredaktionen wortwörtlich gesagt haben: „Wir brauchen mehr Behinderte!“

Und welche sind eure heimlichen Favoriten? Weshalb sind es gerade diese?
Sven Nagel: Doku Soaps sind ja erst mal nichts Schlechtes. Da sagt jemand: Mir geht es schlecht, dann sagt der Offsprecher, ihm geht es echt schlecht, und in der Bauchbinde steht, ihm geht es so richtig schlecht. In der normalen Fiction musst du das alles innerhalb von drei Sekunden am reinen Gesichtsausdruck ablesen (lacht). In der Doku-Soap bekommt man auch was mit, selbst, wenn man bügelt oder mit seinem iPad surft und gleichzeitig telefoniert.

Torsten Fraundorf: Für mich sind alle Dokusoaps Favoriten. Hier tut man nicht so, als ob man Schauspielen wollen könnte. Hier ist der gescheiterte Versuch zu schauspielern schon sehenswert. Hier werden konsequent Laien eingesetzt. Viele ausgebildete Schauspieler, die darüber schimpfen, sollten froh sein, dass es dieses Genre gibt. Denn nun kann man auch das unsägliche Laienschauspiel der sogenannten seriösen Serien und Filme und der meisten ausgebildeten Schauspieler im deutschen Fernsehen ertragen.

Was steht für euch nach «Diese Kaminskis» an?
Torsten Fraundorf: Es gibt kein „Nach den Kaminksis“ - nach den Kaminskis heißt immer vor den Kaminskis. Diese Serie darf niemals enden, denn gestorben wird immer und gelacht werden sollte es auch. Je trauriger das Leben, desto größer der Bedarf zu lachen. Fast jeder Comedyproduzent und Comedy-Autor kann davon ein Lied singen.

Sven Nagel: Natürlich arbeiten wir bereits an ähnlichen Konzepten. Das Interesse bei den Sendern ist durchaus groß, kein Wunder, es ist halt auch immer eine Frage des Preises.

Rainer Marquass: Umso gespannter sind auch alle Sender und Pressevertreter, wie «Diese Kaminskis» seriell funktioniert. Jetzt freuen wir uns darauf, wie unsere Halbbrüder beim Publikum ankommen.

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