Cast & Crew
Vor der Kamera:Iris Berben als Gräfin Belavar
Matthias Brandt als Erwin Lahousen
Gisela Schneeberger als Gisela Limberger
Tobias Moretti als Rudolf Diels
Rosalie Thomass als Henriette "Henny" von Schirach
Udo Samel als Heinrich Hoffmann
Vicky Krieps als Marie-Claude Vaillant-Couturier
Edgar Selge als Herr Gärtner
Britta Hammelstein als Emilia
Hinter der Kamera:
Produktion: MOOVIE - the art of entertainment GmbH
Drehbuch: Magnus Vattrodt
basierend auf dem Buch von Christiane Kohl
Regie: Matti Geschonneck
Kamera: Judith Kaufmann
Produzent: Oliver Berben
Am Stadtrand steht eine beschlagnahmte Villa als Unterkunft zur Verfügung, die der Obhut von Gräfin Belavar anvertraut wird. Dort soll sie sich um die Gäste kümmern und, so gut es eben geht, ein Minimum an Hausfrieden aufrechterhalten. Denn die Zeugen, die man dort unterbringen will, haben ganz unterschiedliche Hintergründe: Gisela Limberger war Hermann Görings Privatsekretärin. Heinrich Hoffmann war der Leibfotograf und Vertraute Adolf Hitlers, seine Tochter Henriette ist die Ehefrau Baldur von Schirachs, der gerade auf der Anklagebank sitzt. Erwin von Lahousen war leitender Offizier in der deutschen Wehrmacht und an Attentatsversuchen auf Hitler beteiligt. Marie-Claude Vaillant-Courturier war Mitglied der Résistance und Häftling in Auschwitz. Herr Gärtner saß jahrelang im Konzentrationslager Mauthausen.
Wenn die überlebenden Opfer und die Helfershelfer der Meuchelmörder in einem betont kultivierten Umfeld aufeinandertreffen, ist die Stimmung zum Zerreißen gespannt. Potential, das Regisseur Matti Geschonneck und Drehbuchautor Magnus Vattrodt gekonnt nutzen, um den Geisteszustand derer zu sezieren, die in ihrem Kammerspiel hausen müssen. „Es war ein Fehler, die Juden umzubringen. Es hätte völlig gereicht, sie aus dem Land zu jagen“, sagt da eine Henriette von Schirach. Sätze, die sie selbst als positiv, als entlastend beurteilen würde, und die in den späten vierziger oder fünfziger Jahren vielleicht tatsächlich noch mehrheitsfähig gewesen wären. Geschonneck und Vattrodt müssen da keine didaktischen Kontrapunkte setzen. Das, was vor einem halben Jahrhundert vielleicht noch als diskutabel gegolten haben mag, wird heute sowieso von Grund auf abgelehnt.
Beeindruckend, mit welcher Nonchalance die Privatsekretäre und Photographen unvergleichbarer Kriegsverbrecher ihre ehemaligen Arbeitgeber und Freunde exkulpieren. Nein, der Führer kann nichts gewusst haben von Auschwitz, von Treblinka, von Mauthausen, sie selber erst recht nicht. Doch die stilleren Figuren, die der Opfer, entlarven die, die exkulpieren, und die, die exkulpiert werden sollen, mühelos als die scheinheiligen Mörder, Mittäter, Zuseher und Vertuscher, die sie sind.
Dabei deckt «Das Zeugenhaus» nur sehr langsam auf, wer wie viel gewusst oder getan hat, die Sympathien und Antipathien des Zuschauers müssen lange ohne die wichtigsten Erkenntnisse zu den Charakteren fließen. Dramaturgisch ist das hoch effektiv und passt zu den leisen, den verzweifelten Tönen, die den Film stilistisch dominieren. Die Spannung entlädt sich gerade nicht durch allerhand Geschrei und stumpfsinniges Gepolter, sondern muss ausgehalten werden, bei gemeinsamen Mahlzeiten und Teestündchen, beim Bridge-Spielen, vor dem Radio, aus dem der Prozess schallt. Dabei entsteht eine äußerst dichte, manchmal schier unerträgliche Atmosphäre, die stellenweise an Peter Weiss‘ schwer lesbare „Ermittlung“ erinnert.
Wer konsequent so erzählt, dem wird ein relevanter und künstlerisch interessanter Film gelingen. Dann brauch man nur noch Schauspieler, die so spielen können wir Iris Berben, Gisela Schneeberger, Matthias Brandt, Tobias Moretti, Rosalie Thomass, Udo Samel, Vicky Krieps, Edgar Selge. Sie alle haben schon an anderer Stelle bewiesen, dass sie erstklassige Darsteller sind, wenn man sie erstklassig sein lässt. «Das Zeugenhaus» lässt sie.
- ZDF und Daniela Incoronato
Gespannt verfolgen die Gäste im Zeugenhaus die Radioberichterstattung zum Beginn der Nürnberger Prozesse. V.l.n.r: Heinrich Hoffmann (Udo Samel), Gräfin Belavar (Iris Berben), Herr Gärtner (Edgar Selge), Erwin Lahousen (Matthias Brandt), Gisela Limberger (Gisela Schneeberger).
Zu oft sind Nazi-Stoffe im deutschen Fernsehen didaktische Aufklärungsfilme, die theatralisch die Verbrechen zeigen, aber nicht den Mut haben, sie stilistisch dem Publikum in ihrer ganzen Abscheulichkeit vorzuführen und allerhand pseudoemotionales Paraphrasing einer intellektuell angemessenen Analyse vorziehen. «Das Zeugenhaus» verzichtet (mit wenigen, narrativ klug eingebundenen) Ausnahmen vollständig auf Bilder aus Konzentrationslagern und Schlachten, von Erschießungen und Quälereien – und doch ist er einer der intensivsten Aufarbeitungsfilme, die das deutsche Fernsehen je gezeigt hat, wahrscheinlich noch eindringlicher als das viel gelobte «Unsere Mütter, unsere Väter».
«Das Zeugenhaus» stellt Nazis einmal nicht als „die Anderen“ dar, mit denen die Deutschen bei der ersten Gelegenheit gerne und bereitwillig abgerechnet haben, sondern als einen Teil der Mitte der Gesellschaft, die auch nach der Befreiung nicht von Heute auf Morgen ihre abscheulichen Ansichten abgelegt hat und deren Schuldige für ihre Taten bedingungslos hat büßen lassen. Gerade dadurch, dass Geschonnecks und Vattrodts Film auf eine opulente Inszenierung der Schrecken verzichtet, sondern sie stattdessen dialogisiert in einem Kammerspiel thematisiert, erreicht man eine sehr intensive, verstörende Wirkung. Keine bessere kann ein Film über den Nationalsozialismus haben.
Das ZDF zeigt «Das Zeugenhaus» am Montag, den 24. November um 20.15 Uhr.
Es gibt 4 Kommentare zum Artikel
22.11.2014 15:06 Uhr 1
22.11.2014 19:01 Uhr 2
Ich habe inzwischen einige Ausschnitte gesehen und halte die 100 % für durchaus vertretbar.
22.11.2014 22:12 Uhr 3
Ich kann ja mal am Montag reinsehen, aber großes Bedürfnis habe ich nicht, zumal ich Mathias Brabdt mom nicht mehr Sehen kann...
23.11.2014 00:18 Uhr 4