«How to get away with Murder» ist sicherlich einer der heißesten Neustarts der US-Season und hat Zuschauer wie Kritiker begeistert. Überrascht hat das aufgrund der großen Namen vor und hinter der Kamera – «Scandal»-Produzentin Shonda Rhimes als Executive Producer und Viola Davis in der Hauptrolle – sicherlich niemanden. Und doch war das durch die Bank positive Kritikerecho vielleicht nicht ganz so selbstverständlich, wenn man bedenkt, dass sich die Serie bis zu ihrer neunten Folge, die die erste Staffelhälfte am 20. November abschloss (weiter geht es erst Ende Januar), sehr, sehr soapig entwickelt hat.
Sehr soapig. Mit allerhand Dreieckskonstellationen, Affären, jeder Menge Sex, Intrigen, Vertrauensbrüchen, kompromittierenden Selfies, irren Sätzen („Why is your penis on a dead girl’s phone?“) und abgespaceten Plotverläufen.
Und trotzdem: Auch die anspruchsvolleren Rezensenten kommen nicht los von der Serie. Aus einem einfach Grund: Weil sie sehr gut erzählt und sich der „willing suspense of disbelief“ völlig problemlos einstellt.
Man muss sich das einmal vor Augen führen: Da taumelt ein Haufen hoch intelligenter Jurastudenten nachts durch die herbstlichen Wälder von Pennsylvania, mit der Leiche des Mannes ihrer Professorin im Gepäck, der kürzlich eine ihrer Kommilitoninnen ermordet hat. Und all die Kritiker, die sonst kaum eine Glaubwürdigkeitslücke durchgehen lassen, sitzen gebannt vor der Mattscheibe und wollen mehr davon.
Wie das kommt?
Ganz einfach: Weil man «How to get away with Murder» abnimmt, dass auch die abwegigeren Passagen tatsächlich so oder so ähnlich passieren könnten. Denn die Charaktere sind mit einer immensen, glaubwürdigen (!) Bandbreite ausgestattet: Fast jedem traut man so ziemlich alles zu, und auch die Sympathieträger der ersten Folgen werden schnell moralisch ambivalenter und psychologisch komplexer. Plot und Personal sind in sich logisch entworfen und die Handlungsverläufe ergeben sich konsequent aus den Figuren und ihren komplexen Beziehungen zueinander. Auch den an sich absurdesten.
Was wiederum erklärt, warum man bei soapigeren Allerweltsserien (Hier das gesamte TheCW-Lineup einfügen) oft kritischer ist. Denen fehlt es nämlich nicht nur an der intellektuellen Schärfe, mit denen «How to get away with Murder» in seinen Fällen der Woche Gerechtigkeit und Jurisprudenz reflektiert, sondern oft werden die (nicht selten ziemlich absurden) Plotverläufe den 08/15-Figuren eher aufoktroyiert, als dass sich Handlung und Charaktere logisch ergänzen.
And that is how you get away with murder.