Hingeschaut

«DSDS» 2015: Mitten in der Beliebigkeit

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Keine wirklichen Skandale, keine neuen Geschichten und schon gar keine gute Musik - der Auftakt in die zwölfte Staffel der Casting-Show führte dem Publikum deutlich vor Augen, wie abgestanden und überraschungsarm das Format inzwischen ist.

Dieter Bohlen ist der größte Musiker Deutschlands. Er spricht Klartext und sagt immer das, was alle vor dem Fernseher denken. Das jedenfalls behauptet RTL beim Einstieg in die zwölfte Staffel von «Deutschland sucht den Superstar», die zumindest insofern ein Unikat in der Geschichte des Formats darstellen wird, dass sie bis zum Finale gänzlich ohne Live-Shows auskommen wird. Nach üppigen zehn Casting-Ausgaben und dem in diesem Jahr in Thailand beheimateten Auslandsrecall wird man stattdessen auf Deutschland-Tour gehen - immerhin eine Tournee-Erfahrung also für die zehn besten (oder formatkompatibelsten) Teilnehmer dieser Staffel also, ist man geneigt zu sagen. Der Start ins Jahr 2015 offenbarte allerdings deutlich, wie festgefahren der einstige Straßenfeger 13 Jahre nach seiner Erstausstrahlung ist.

Dabei bemühten sich die Macher in den ersten Minuten sichtlich um eine pompöse Aufmachung, als die wieder einmal runderneuerte Jury um Dieter Bohlen unter pathetischer musikalischer Begleitung auf das Studiogelände gefahren wird. Eine kreischende Menge empfängt Heino, Mandy Capristo, DJ Antoine und eben den längst zum Inventar gehörenden RTL-Poptitan, bevor sie nacheinander über einen roten Teppich in Richtung Jurypult marschieren. Dies soll das vorerst einzige Fünkchen Glamour der neuen Juroren bleiben, denn ansonsten präsentieren sich diese ebenso handzahm wie profilarm. Meint man es gut mit ihnen, kann man sie dafür loben, dass sie auch bei den diversen Freaks mit tonaler Minderbegabung einen Umgangston an den Tag legen, der eine gewisse Niveauschwelle nicht unterschreitet. Meint man es hingegen weniger gut mit ihnen, lässt sich problemlos darauf verweisen, dass sich ihre so genannten Fachurteile in der Regel auf profunde "das war jetzt nicht so gut"-Feststellungen beschränken und das juryinterne Zusammenspiel ähnlich dynamisch daherkommt wie im Wartezimmer beim Zahnarzt.

Gesanglich gräbt sich «DSDS» natürlich auch in diesem Jahr bis ins tiefe Erdreich vor, das von «The Voice» nicht einmal angetastet wird. Bei diesen Performances dokumentiert die Kamera genüsslich die sich in alle Himmelsrichtungen verziehenden Gesichter der Jury, wobei sich auch hier Bohlens Mimik am variabelsten präsentiert. Große Stimmen sind auch diesmal wieder Mangelware, sodass man eben schon besseres Mittelmaß für überschwängliche Begeisterung nutzt oder alternativ über Patzer hinwegsieht. Immerhin ist ja das Steigerungspotenzial umso größer, je mehr Töne eben nicht getroffen werden. Und ohnehin hat ja bereits der große Musik-Philosoph Kay One in der vergangenen Staffel darauf hingewiesen, dass es neben einer guten Stimme auch noch ganz andere schlagkräftige Argumente für ein zumindest so mittel erfolgreiches Dasein in der Musikbranche gibt. Sowas wie Persönlichkeit eben, gutes Aussehen oder einen hohen Unterhaltungswert - irgendwas halt.

Konsequenterweise sieht man dann auch Menderes einige Male im Backstage rumturnen, nebenbei sagt er auch noch das Gewinnspiel der Woche an. Einen eigenen Auftritt vor der Jury gibt es zumindest in Folge eins noch nicht - aber da die Altersgrenze erstmals von 30 auf 40 Jahren angehoben wurde, kann das in den kommenden Wochen durchaus noch folgen. Den einzigen wirklich starken Sänger der Premierenfolge hebt man sich übrigens für den Schlussakt auf: Ein Spanier im Meerjungfrauen-Kostüm performt durchaus stimmgewaltig und mit guter Bühnenpräsenz einen Song aus «Arielle» - was angesichts des jüngsten Rummels um die Free-TV-Premiere des Disney-Films eine gewisse Komik hat. Der Mann lebt allerdings weder in Deutschland noch kann er sich in deutscher Sprache verständigen, was darauf schließen lässt, dass man ihn gezielt für das Format engagiert hat.

Eine etwas pikante Situtation kommt dann noch bei dem Auftritt zweier Blondinen auf, die eine arg unbeholfene Tanz-Performance zu einem Song von Ex-«DSDS»-Teilnehmer Ardian Bujupi zum Besten geben - und sich nach deutlicher Kritik von Seiten der Jury über die vermeintlich falsche Musikauswahl echauffieren. Diesen Vorfall nutzt Bohlen, um auf das "große Problem" hinzuweisen, dass die Online-Gemeinde der Sendung "permanent seit zwölf Jahren" vorwirft, alles zu faken - was seiner Ansicht nach selbstredend totaler Unsinn sei. Die durch «Popstars» bekannte Mandy Capristo bemüht sich anschließend hinter der Bühne um einen Dialog mit den Damen, wird allerdings nur vulgär beschimpft - was ihr offenbar so nahe geht, dass sie anschließend in Tränen ausbricht. Ein bisschen Drama hat die Sendung dann also doch zu bieten, auch wenn die Szene doch arg kalkuliert wirkt.

«DSDS» im Jahr 2015: Noch immer ein Highlight?
Natürlich, die Show ist immer noch sehr frisch.
14,4%
Naja. Man kann es sich noch anschauen.
22,3%
Nein, die Luft ist sichtbar raus.
63,3%


Alles in allem ist der Auftakt in die neueste Staffel allerdings arg unspektakulär gehalten. Von reißerischen Zeitlupen, pöbelnden Rappern in der Jury, Fickfröschen oder der übertriebenen Inszenierung jeder dritten Bewegung im Studio haben sich die Macher verabschiedet, sodass sich «Deutschland sucht den Superstar» inzwischen wieder angenehmer und ohne allzu große Fremdscham konsumieren lässt. Von dem in den ersten Staffeln zumindest noch partiell vorhandenen musikalischen Niveau ist jedoch nach wie vor kaum etwas vorhanden, auch charismatische Fachleute wie Heinz Henn, "Bär" Läsker oder Anja Lukaseder, die wirklich noch gehaltvolle Urteile zu den Performances abgaben, sucht man längst vergebens. Bohlen ist wieder etwas zahmer geworden, scheint inzwischen allerdings auch sein umfangreiches Sprücheklopfer-Handbuch weitgehend abgearbeitet zu haben. Und so bietet die Show unterm Strich kaum mehr etwas, das es nicht bereits in den vergangenen Jahren gab. Man ist längst festgefahren, scheut in Panik vor einem Quoten-Erdrutsch jede Innovation und liefert nur noch Dienst nach Vorschrift - so lange die Quoten im grünen Bereich liegen, dürften die Programmverantwortlichen damit ganz gut leben können.

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