Filmfacts «A Most Violent Year»
- Regie und Drehbuch: J. C. Chandor
- Produktion: J. C. Chandor, Neal Dodson, Anna Gerb
- Darsteller: Oscar Isaac, Jessica Chastain, David Oyelowo, Alessandro Nivola, Albert Brooks
- Musik: Alex Ebert
- Kamera: Bradford Young
- Schnitt: Ron Patane
- Laufzeit: 125 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Abel Morales (Oscar Isaac) arbeitet seit Jahren verbissen daran, eine große Nummer im Heizölgeschäft zu werden. Auf dem Weg nach ganz oben in diesem hart umkämpften Geschäft entsagt er vehement der steten Versuchung, es seinen übel tricksenden Kollegen gleichzutun. Er mag vielleicht die Steuern minimal frisiert haben, ansonsten rühmt sich Abel damit, ein guter, ehrlicher Geschäftsmann zu sein – daher pflegen er und seine Frau Anna (Jessica Chastain) auch keinerlei Verbindungen zum früheren Besitzer der Firma: Annas Vater, einem berüchtigten Gangsterboss. Abel duldet in seiner Nähe nicht einmal Schusswaffen – weder im eigenen Haus, noch dürfen seine Fahrer welche bei sich tragen. Dabei werden diese neuerdings vermehrt zu Opfern bewaffneter Überfälle, weshalb sie Abel unter Druck setzen, mehr für ihre Sicherheit zu tun. Abel plagen aber viel größere Probleme: Um sein Unternehmen zu vergrößern, möchte er ein weitläufiges Industriegelände erwerben, benötigt zum Abschluss des Kaufs aber noch einen Betrag in Millionenhöhe. Und ob ihm die Banken ein Darlehen genehmigen, wird mit einem Schlag fraglich, als ein ehrgeiziger Staatsanwalt (David Oyelowo) ankündigt, den Ölfirmen strengstens auf die Finger zu schauen – insbesondere Abels Buchhaltung interessiert ihn …
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Auf abstrakte Weise teilt sich Chandors dritte Leinwandarbeit daher wenige, doch entscheidende, Züge mit Paul Thomas Andersons gefeiertem Historiendrama «There Will Be Blood». Auch diese zweifach Oscar-gekrönte Tour de Force handelt von einem verbissenen Ölunternehmer und generiert ein Gros seiner Spannung aus der zwar unterschwelligen, aber kontinuierlich gellender werdenden, Drohung einer gewaltsamen Eskalation. Der von Daniel Day-Lewis verkörperte Schürfer Daniel Plainview allerdings ist bereits zu Beginn seines Films ein misanthropischer Eigenbrötler, der frei von Skrupeln seinem Tagwerk nachgeht. Abel dagegen vertritt eine gänzlich andere Weltsicht als Plainview oder die zahllosen Protagonisten einschlägiger Gangster-Filme – und bietet dem interessierten Publikum, das weder auf eine abgründige Hauptfigur wartet noch auf literweise Blutvergießen, somit einen für dieses Genre unerwarteten Zugang zur sich allmählich entfaltenden Handlung.
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Zu den Höhepunkten in diesem von einer starken Sequenz zur nächsten gleitenden Thrillerdrama zählen aber jene Augenblicke, in denen Jessica Chastain als Abels modische, selbstbewusste Frau Anna auftaucht. Energisch und mit Raffinesse greift Anna in der Klemme durch, und ist als trickreiche, impulsive Person das klare Gegenteil ihres Ehemanns – ein Bild, das Chastain aber ohne große Gesten zu zeichnen versteht. So ordnet sie sich eindeutig der Grundstimmung dieser leisen Produktion unter, in der das, was gesagt und getan wird, mindestens so bedeutend ist wie das, was nicht geschieht. Auch der in nur wenigen Szenen agierende Brite David Oyelowo gibt eine effektive, unaufdringliche Darbietung und bezwingt jegliche Genreklischees.
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Fazit: Eine Kriminalstudie, die nicht durch ständige Gewalt, sondern deren zunehmend nachdrücklichere Androhung immenses Unbehagen auslöst: J. C. Chandor erschafft mit raffinierten Dialogen und schneidender Stille ein fesselndes Thrillerdrama über die Art von Kompromissen, die man zu tätigen gewillt ist, wenn man sich selbst als unbeugsam behaupten will. Herausragend gespielt, intelligent, lange nachwirkend: Ein filmischer Triumph!
«A Most Violent Year» ist ab dem 19. März 2015 in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.