Die Kritiker

«Sein gutes Recht»

von

Späte Liebe, Demenz und die tückische Betreuungsfalle: Das Melodram «Sein gutes Recht» streift viele Themen, bietet vor allem aber gutes Schauspiel.

Cast und Crew

  • Regie: Isabel Kleefeld
  • Drehbuch: Marco Wiersch
  • Darsteller: Thekla Carola Wied, Matthias Habich, Ulrike Krumbiegel, Götz Schubert, Christina Hecke, Navid Navid, Johanna Gastdorf, Martin Lindow
  • Kamera: Alexander Fischerkoesen
  • Schnitt: Renata Salazar Ivancan
  • Musik: Florian van Volxem, Sven Rossenbach
Das Thema Demenz rückt mehr und mehr aus der Tabuzone. Nicht nur im Kino, wo beispielsweise Til Schweigers sentimental-alberner Roadtrip «Honig im Kopf» zum Überblockbuster wurde und sich Juilianne Moore im Drama «Still Alice – Mein Leben ohne Gestern» förmlich die Seele aus dem Leib spielte. Auch Fernsehschaffende nehmen sich mit steigender Frequenz diesem Stoff an. Während Das Erste etwa mit der schauspielerischen sowie emotionalen Tour de Force «Die Auslöschung» auslotete, wie sich das allmähliche Entschwinden der Erinnerungen und auch der Persönlichkeit anfühlt, gehen das ZDF und arte mit dem gemeinsam produzierten Melodram «Sein gutes Recht» vorsichtigere, konventionellere Wege. Im Mittelpunkt der Erzählung stehen nämlich weder die Erkrankung noch deren psychischen Auswirkungen auf den Betroffenen oder sein unmittelbares Umfeld. Stattdessen ist Alzheimer bloß der Aufhänger für eine Story, die sich gegen Vorverurteilung und die Tücken der Betreuungsregelung auflehnt – sowie gegen abgrundtief böse Anwälte.

Lenis Leben hat eine trostlose Sackgasse erreicht: Sie ist verwitwet, weiß nichts mit sich anzufangen und hat erst kürzlich ihren geliebten Vogel verloren, der zuletzt ihr einziger Weggefährte war. Dann aber begegnet sie zufällig im Park ihrer Jugendliebe Max. Obwohl er in den über 50 Jahren, die er Leni nicht mehr gesehen hat, ein ansehnliches Vermögen angehäuft hat, ist Max mit seinem Leben nicht glücklicher als seine einstige Tanzpartnerin. Allein vegetiert er in seiner großen, verwahrlosten Villa vor sich hin, wird gelegentlich von Albträumen geplagt und grämt sich ob seiner zwei Scheidungen sowie seines heftigen Streits mit seinem einzigen Sohn. Und dennoch: Die Flamme zwischen Leni und Max entfacht wieder, und so nimmt sich die einsame Dame den Sorgen ihres Jugendfreunds an. Wie sie alsbald mit großem Missbehagen feststellen muss, zeigt Max erste Anzeichen von Altersdemenz. Als sie sich aber als Pflegerin für ihn anbietet, stößt sie auf Gegenwind – sie sei doch nur auf Max' Geld aus, heißt es unter anderem vom mit der Betreuung beauftragten Anwalt. Dass die Kanzlei zudem völlig mit ihren Pflichten überfordert ist und keinerlei Anstand macht, Hilfe anzunemen, verbessert die Situation nicht gerade. Also nimmt sich die Seniorin vor, gegen die ignoranten, mitunter gehässigen Anwälte anzukämpfen …

Wenn der momentane Schub an Demenzfilmen eins garantiert, dann sind das gute Performances – ganz gleich, wie gut oder schlecht das eigentliche Drehbuch ist. So, wie etwa Dieter Hallervorden in «Honig im Kopf» passioniert gegen das dünne Material anspielt, agieren auch Matthias Habich und Thekla Carola Wied deutlich besser, als es das durchwachsene Material verlangt. Das Zusammenspiel zwischen ihnen ist herzlich, glaubwürdig und vielschichtig – man nimmt ihnen die tänzelnde Wiederannäherung ebenso ab wie das Schwelgen in den wenigen, doch intensiven gemeinsamen Erinnerungen oder das allmähliche, krankheitsbedingte Entfremden voneinander.

Während Habich mit den Angstattacken seiner Rolle diesem Melodrama eine ausreichende Fallhöhe und Düsternis verleiht, gibt Thekla Carola Wied – ohne zu sehr zu übertreiben – eine rüstige Rentnerin mit Vorbildfunktion ab: Schlagfertig, damenhaft, smart und – nach außen hin – nicht unterzukriegen. Es ist auch allein Wieds unterschwellig verwundbares Spiel, das dafür sorgt, dass Leni keine 'Mary Sue' wird, wie im englischsprachigen Raum perfekte Alleskönner in der Fiktion genannt werden, liegt. Rein auf dem Papier ist Leni einfach zu schillernd, zu gütig, zu sehr das unverschuldete Opfer, als dass sie eine wirklich interessante Figur mit Widerhaken sein könnte. Da Wied aber mit Hingabe spielt, schaut man ihr trotzdem gern zu, wenn sie als Leni ihre Zeit mit Max genießt oder kräftig auf den Tisch haut, wenn 'die da oben' wieder einmal ihre Machenschaften treiben.

Wie Marco Wiersch die Ungerechtigkeiten beschreibt, die Max und Leni aufgrund der raffgierigen, uneinfühlsamen Anwaltskanzlei ereilen, ist allgemein sehr melodramatisch beschrieben, arg darauf hingebogen, dass das Publikum verständnislos mit dem Kopf schütteln kann: Neee, neee, neee, was diese gemeinen Leute so alles tun! Profil haben die Anwälte nicht, am wenigsten der einseitig schurkische Schallings (unterfordert: Götz Schubert), gleichwohl hält die zu wesentlich mitreißenderem Stoff fähige Regisseurin Isabel Kleefeld stets genügend Distanz, um den Zuschauer nicht völlig aufzubringen. Lenis Wut ist durchgehend nachvollziehbar, die farbgefilterte, gut situierte, von der Mitte des Bürgertums entrückte Welt des Films lässt das Publikum aber nicht in die Schuhe der Protagonistin schlüpfen und an ihrer Stelle leiden.

Die sachlichen Ungenauigkeiten und die weitschweifende tonale Nachsicht mit den Nerven jener Zuschauer, deren Situation vielleicht etwas zu nah am Plot ist, sind jedoch vorübergehend verziehen, wenn Grimme-Preisträgerin Isabel Kleefeld auf der Zielgeraden «Sein gutes Recht» zu einem versiert geschnittenen, zügig erzählten Justizdrama macht. Wied darf hier mit noch mehr Herzblut agieren, das Dialogbuch verzichtet auf Kalenderspruch-Floskeln und die letzen Bilder unterstreichen nochmal unaufdringlich die behandelten Themen. Dies reicht zwar nicht, um «Sein gutes Recht» zu einem neuen «Die Auschlöschung» zu machen. Besser als «Honig im Kopf» ist dieser ZDF-Film aber allemal.

«Sein gutes Recht» ist am 30. März 2015 ab 20.15 Uhr im ZDF zu sehen.

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