Die Kritiker

«Im Knast» geht es lustig zu

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Die Kritiker: ZDFneo startet mit «Im Knast» einen neuen Versuch eine Sitcom zu etablieren.

Cast & Crew (Folge 1)

Vor der Kamera:
Denis Moschitto («Chiko») als Erdem Azimut, Manuel Rubey («Falco – Verdammt, wir leben noch!») als „Der Graf“ Alexander Vontrab, Tristan Seith als Manni Schuster, Marleen Lohse («Kein Sex ist auch keine Lösung») als Nora Meindl, Wilfred Hochholdinger als Dr. Kempers, Martin Semmelrogge («Das Boot)» als Semmelrogge aus Block C, außerdem Max Giermann («Switch reloaded») in einer Gastrolle


Hinter den Kulissen:
Regie: Torsten Wacker, Buch: Tanja Sawitzki, Kamera: Timo Schwarz, Schnitt: Nico Montano Goertz, Produktion: Network Movie

Eine wirkliche Erfolgsgeschichte ist die Sitcom in Deutschland wahrlich nicht. Mit gut gesetzten schnellen Schnitten und nicht zu stereotypischen, aber dennoch lustigen Charakteren scheinen sich die deutschen Fernsehmacher oft schwer zu tun. Gut, da wären «Stromberg» oder «Pastewka», wobei zumindest letzterer nicht allzu genau in das klassische Sitcom-Schema passen will. Gerade ZDFneo versucht sich aber in jüngster Zeit des Öfteren an diesem Genre. Im Jahr 2014 waren entsprechende Versuche noch eher mäßig unterhaltsam, in 2015 allerdings starteten die Mainzer mit «Eichwald MdB» schon ein von Kritikern gefeiertes Stück Fernsehen. Grund genug noch eine weitere Sitcom zu testen. Dieses Mal allerdings ist die Sendung nicht im Bundestag angesiedelt, sondern spielt in einer Justizvollzugsanstalt, weshalb sie auf den Namen «Im Knast» hört.

Und tatsächlich gelingt es den Machern gleich zu Beginn einen enorm wichtigen Punkt optimal umzusetzen: Den Zuschauer zieht das Setting der Reihe in einen Mikrokosmos aus absurden Charakteren, über den er nicht nur lachen kann, sondern ihn auch ohne eigene Knasterfahrungen zu verstehen vermag. Tatsächlich sind es auch nicht viele Figuren, die für die Geschichte relevant sind. Drei (oder vier) Inhaftierte spielen im Kern eine Rolle, dazu kommt ihre Psychologin sowie der Gefängnisdirektor. Klar, auch andere Charaktere kommen vor, Gastauftritte gibt es ebenfalls immer wieder. Aber das Kernkonstrukt baut genau auf diesen elementaren Personen auf.

Schnell erklärt, schnell verstanden


In der Auftaktepisode nimmt der russische Inhaftierte Ivan den Türken Erdem als Geisel. Psychologin Nora wird derweil vom Gefängnisdirektor Dr. Kempers gefeuert, weil dem die Methoden der Dame offensichtlich zu modern sind. Nora allerdings ist ohnehin nicht besonders zufrieden mit ihrer Arbeitsstelle gewesen und trauert daher nicht ausgiebig. Eigentlich unterwegs ihren Arbeitsplatz zu verlassen, muss sie die Entführungssituation dann aber doch schlichten, wobei sie Unterstützung von zwei weiteren Insassen, Manni und dem Grafen, bekommt. Ivan und Nora haben dabei allerdings ein gemeinsames Ziel: Beide sind gegen die Kameraüberwachung in der Anstalt, wobei Ivan freilich zu unangemessenen Mitteln greift. In dieser kurzen Beschreibung steckt neben eines Abrisses der Episodenhandlung auch schon die komplette Grundsituation der Serie. Zu erklären, dass Nora die Entführung heldenhaft auflöst und der Direktor sie daher zu ihren Bedingungen wieder einstellt, muss schon allein aus dramaturgischen Gründen kaum erklärt werden. Negativ ist diese Vorhersehbarkeit allerdings nicht, eine komplexe Story soll es in der Sitcom ohnehin nicht sein. Unterhaltsam erzählt hat man dabei trotzdem.

Schon beim Intro freuen sich insbesondere jüngere Zuschauer, wenn sie feststellen, dass öffentlich-rechtliches Fernsehen nicht immer altbacken sein muss. Die Schnitte sind dazu passend oftmals sehr schnell und meist gut gesetzt, phasenweise aber zu aufdringlich. Außerdem passt das Erzähltempo in den ersten Minuten nicht zu den Schnitten. Die erste ordentliche Pointe lässt etwa zwei Minuten auf sich warten, danach sind es nochmal vier, bis der Zuschauer wieder lacht. Bei einer Folgenlänge von 25 Minuten gestaltet sich «Im Knast» damit etwas zäh. Weil sich die Situation im Folgenden allerdings verbessert, ist das zu verschmerzen.

Ebenso jugendlich wie die allgemeine Machart ist auch die Musikauswahl in vielen Momenten. Hier ist vor allem die Mischung sehr gelungen: Im Score finden sich neben Rock und Hip Hop-Songs nämlich auch immer wieder Klassiker und einige Pop-Sounds. Viel besser hätte die Mixtur nicht ausfallen können, zumal Szenen und Musik bestens aufeinander abgestimmt sind. Unauffällig aber ist die Musikauswahl genauso wenig wie es die Gaststars sind: Zum Auftakt sind gleich zwei prominente Darsteller am Start. Dass Martin Semmelrogge mit dabei ist, entbehrt nicht einer gewissen Ironie, überzeugend ist sein Gastauftritt als Solcher aber dennoch nicht. Semmelrogge taucht dabei jeweils zum Ende der Episoden kurz auf. Bleibt also abzuwarten, ob seine Momente in kommenden Folgen unterhaltsamer werden. Deutlich besser macht seine Sache Max Giermann, der den durchgedrehten neuen Psychiater in Zeiten von Noras Abwesenheit spielt. Noch spleeniger als alle anderen Figuren ist Giermann hier und dreht in seiner Rolle als Dr. Winter völlig am Rad. Gut aber, dass sein Charakter auf diese Folge beschränkt ist, mehr hätte es davon nicht gebraucht. Weitere Gastauftritte haben in den ersten Episoden beispielsweise Anke Engelke und Katy Karrenbauer.

Der Stammcast ist auch in der Breite sehr überzeugend, wobei es - wie erwähnt - nur wenige Figuren gibt, die wirklich relevant sind. Im Mittelpunkt steht neben Nora (klasse gespielt von Marleen Lohse) vor allem Denis Moschittos Rolle Erdem. Seine Figur ist besonders pointiert dargestellt, was aufgrund der eigentlich simplen Charakterisierung schwer genug ist. Das aber ist, was Darstellern und Buch allgemein gut gelingt: Die eigentlich sehr klischeebeladenen Figuren werden durch kleine Spleens, größere Eigenheiten und gut gesetztes Spiel eben doch sehr individuell und sind damit wichtiger Teil des humorvollen Gesamtgefühls.

Chuck Norris Witze? Nicht mehr 2015!


Natürlich gibt es auch mal abgenutzte Jokes, zum Beispiel wenn Chuck Norris bemüht wird. Selbst die Variation solcher Jokes um Hans Sarpei nämlich ist mindestens seit vergangenem Jahr verbraucht. Der genial lustige Erzähler ist dafür umso besser, viel Präsenz zeigt er aber nicht. Schon zum Ende der Folge darf der Zuschauer ihn nicht mehr hören. Inhaltlich tut das allerdings nicht weh. Die Geschichten insgesamt sind nicht mehr als nett, aber stets akzeptabel. Selbstredend steht aber Tiefgang auch nicht im Zentrum einer Sitcom. Experimentierfreudiger war dann zumindest der Kameramann. Interessant-alternative Einstellungen gibt es immer wieder zu sehen, wobei die meisten sehr gut gelingen.

Etwas mehr Tempo dürfte es noch sein, ansonsten gibt es an «Im Knast» aber nicht viel zu bemängeln. Der Cast um Denis Moschitto spielt die absichtlich-stereotypen Figuren mit Spleen hervorragend. Unterhaltsam wird die Serie in den ersten Folgen nach Anfangsschwierigkeiten. Das Suchtpotential mag zwar zunächst ausbleiben, aber in den verrückten Mikrokosmos der Serie fuchst man sich dennoch schnell und gerne rein – und alleine das geht den meisten deutschen Sitcoms schon ab. Ermüdungserscheinungen sind in den ersten Episoden weit weg. Dem deutschen Humor wäre es auch zu wünschen, dass das so bleibt. Wenn dies gelingt, dann geht sicher auch der deutsche Fernsehzuschauer gerne in den Knast.

ZDFneo zeigt «Im Knast» ab Donnerstag, 21. Mai wöchentlich um 22.45 Uhr.

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