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Die Talkshow-Halbjahresbilanz: Viele kleine Verlierer - und «Maischberger»

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Die meisten großen öffentlich-rechtlichen Talkshows büßten im ersten Halbjahr gegenüber dem Vorjahres-Zeitraum ein, einzig das nur noch entfernt politische «Menschen bei Maischberger» legte zu. Unser 2015-Zwischenfazit nach gut einem halben Jahr.

Glücklich darf sich aus Sicht der Einschaltquoten schätzen, wer in diesen Wochen noch nicht in der Sommerpause ist. Selten waren die öffentlich-rechtlichen Talkshows so gefragt wie in diesen Zeiten, wo die Griechenland-Debatte aufgrund ihrer Komplexität und der kaum zu beantwortenden Frage nach "richtigen" oder "falschen" politischen Entscheidungen europaweit die Gemüter erhitzt. Betrachtet man hingegen die Gesamtentwicklung der televisionären Gesprächsrunden, ergibt sich ein deutlich weniger positives Bild - auf das wir im Rahmen dieses Artikels einmal ausführlicher eingehen wollen. Welche der großen Shows haben im ersten Halbjahr 2015 zulegen können, wo gibt es Abschläge hinzunehmen?

Der scheidende Riese: «Günther Jauch»


Es dürfte sich mittlerweile bundesweit herumgesprochen haben, dass Jauch seine Sendung Ende des Jahres beenden wird. Die Mehrzahl der Kritiker hält dies angesichts der oftmals als lasch und journalistisch wenig fundiert beschriebenen Gesprächsführung des Moderators für einen erfreulichen Umstand, die ARD-Programmführung dürfte hingegen weniger angetan sein. Schließlich war die Sendung mit durchschnittlich 4,41 Millionen Zuschauern und meilenweit überdurchschnittlichen 15,9 Prozent Marktanteil auch in der ersten Jahreshälte wieder die mit Abstand erfolgreichste dieses Genres. Zwei kleine Aber seien an dieser Stelle jedoch angemerkt: In beiden Vorjahren wurden durchschnittlich etwas mehr als 16 Prozent bei 4,50 bzw. 4,68 Millionen Interessenten verzeichnet, Jauchs Werte sind also minimal rückläufig. Und im Anschluss an den in aller Regel äußerst gefragten Primetime-Krimi hat es die Sendung am Sonntagabend auch so leicht wie keine andere, Erfolge zu verzeichnen.

Die leichten Verluste beim Gesamtpublikum kompensiert Jauch derweil durch Gewinne bei den jüngeren Zuschauern, wo in den vergangenen Monaten beachtliche 8,2 Prozent bei 0,87 Millionen verzeichnet wurden. Damit fällt die Halbjahresbilanz in der Gruppe der 14- bis 49-Jährigen stark wie nie zuvor aus, in den drei Vorjahren hatten nur 7,0 bis 7,7 Prozent zu Buche gestanden. Gleich viermal lief Jauch sogar zweistellig, kurioserweise mit den beiden ersten sowie den beiden letzten bisher ausgestrahlten Folgen. Zu Jahresbeginn widmete man sich dem Anschlag auf das französische Satiremagazin Charlie Hebdo sowie dem Phänomen Pegida, die beiden letzten Ausgaben - richtig, mit Griechenland. Genauer gesagt kannte «Günther Jauch» sogar in den letzten vier Wochen vor seiner Sommerpause kein anderes Thema mehr als den potenziellen Grexit. Das Publikum honorierte dies stets mit herausragenden Werten.

Doch nicht alle Folgen wussten zu überzeugen. Fünfmal blieb die Sendung unter der Vier-Millionenmarke, mit Werten zwischen 11,6 und 14,2 Prozent lief es für diese Folgen auch hinsichtlich der Marktanteile am schwächsten. Ende Januar ging es dabei um das Vermächtnis der letzten Auschwitz-Überlebenden, für das allerdings bemerkenswerterweise bei den Jüngeren ein ordentlicher Marktanteil von 7,0 Prozent zustande kam. Der Fall Gröning schnitt Ende April ähnlich mittelprächtig ab. Bei Jung und Alt enttäuschend lief es am 15. Februar, als sich die Sendung mit der schwierigen Lage in der Ostukraine auseinandersetzte - und nur 3,24 Millionen bzw. 11,3 und 5,7 Prozent erreichte. Und auch das eher allgemein gehaltene Thema "Die Welt in Unordnung - kann Politik noch Krisen lösen?" kam Anfang Juni mit nur 3,28 Millionen nicht ganz an sonstige Erfolge heran.


Unverändert träge: «Hart aber fair»


Früh wie keine andere regelmäßige Politsendung darf am Montagabend nach wie vor Frank Plasberg auf Zuschauerjagd gehen. Für große Erfolge reichte es jedoch auch in den zurückliegenden Monaten nur selten: Mit 2,99 Millionen wurde anders als in den vergangenen Jahren sogar die Drei-Millionenmarke knapp verfehlt, der Marktanteil verringerte sich gegenüber 2014 und 2013 von jeweils 10,4 Prozent latent auf nur noch 10,1 Prozent. Wirklich gut lief es letztmals im Jahr 2011, wo durchschnittlich 12,9 Prozent aller Fernsehenden erreicht wurden - damals allerdings noch am Mittwochabend um 21:45 Uhr statt 21 Uhr. Doch ähnlich wie Jauch darf auch Plasberg auf den kleinen Erfolg verweisen, bei den 14- bis 49-Jährigen zugelegt zu haben: Statt richtig schwachen 3,9 Prozent standen zuletzt immerhin 4,7 Prozent auf dem Papier, womit man an die Werte von 2013 und 2012 anzuknüpfen wusste.

Von den insgesamt 22 Folgen liefen 13 nur im einstelligen Bereich, der soeben noch zweistellige Durchschnitts-Marktanteil war vor allem fünf Folgen zu verdanken, die mit 13,3 bis 15,4 Prozent herausragend starke Werte verbuchten. Zwei davon beschäftigten sich ebenfalls mit dem Thema Griechenland, eine weitere wartete mit dem vielsagenden Titel "Fleischesser am Pranger - Kommt jetzt das Ende der Wurst?" auf. Die mit 15,4 Prozent bei 4,02 Millionen erfolgreichste Folge der jüngeren Vergangenheit lief Anfang Juni und befasste sich mit dem FIFA-Skandal - was sich thematisch auch deshalb anbot, weil im Vorfeld das Relegations-Rückspiel zwischen dem Karlsruher SC und dem HSV ausgestrahlt wurde. Mit 11,7 Prozent bei 1,14 Millionen war die Folge vor allem beim jungen Publikum herausragend erfolgreich, denn ansonsten verzeichnete einzig die Fleischesser-Folge noch mehr als sechs Prozent. Zum Start ins neue Kalenderjahr lief «Hart aber fair» übrigens ausnahmsweise einmal am Dienstagabend, wo sich das Format mit dem Terroranschlag in Paris auseinandersetzen sollte. Starke 13,3 Prozent Marktanteil standen hier zu Buche.


ZDF-Solistin mit leichten Abschlägen: «Maybritt Illner»


Während sich die ARD derzeit bekanntlich noch gleich vier Polittalks pro Woche gönnt, präsentiert sich das Zweite mit nur einem deutlich genügsamer. Und blickt man nur auf die vergangenen Wochen, mag schnell der Eindruck entstehen, dass dieser auch herausragend erfolgreich performt. Mit dem Dauerthema Griechenland verzeichnete die Sendung in den vergangenen vier Wochen Rekord um Rekord, mit 13,6 bis 16,7 Prozent lief es durchweg herausragend - aber eben nur in den vergangenen vier Wochen. Blickt man hingegen auf die Gesamtbilanz des neuen Kalenderjahrs, stehen unterm Strich nur 2,53 Millionen Zuschauer und 12,2 Prozent Marktanteil auf dem Papier. Damit verbucht Illner zwar bessere Marktanteile als drei ihrer vier ARD-Kollegen, im Vorjahr standen allerdings noch bessere 12,9 Prozent bei 2,70 Millionen zu Buche. Diese Verluste werden zumindest im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2013 wiederum relativiert, denn hier erzielte Iller nahezu identische Werte wie im aktuellen Kalenderjahr. Bei den jüngeren Zuschauern kam das Format zuletzt auf 4,2 Prozent - nach 4,5 Prozent in der ersten Jahreshälfte 2014.

Was «Maybrit Illner» in den vergangenen Monaten eigentlich ausgezeichnet hat, war die große Konstanz der Sendung. Verlässlich zwischen zehn und 14 Prozent verbuchte das Format in den ersten fünf Monaten dieses Kalenderjahres, herausragende Werte standen also ebenso wenig auf der Tagesordnung wie die ganz großen Enttäuschungen. Dann wurde am 11. Juni zunächst mit nur noch 7,6 Prozent der schwächste Marktanteil seit November 2012 eingefahren - was allerdings vornehmlich mit der nahezu unschlagbaren Konkurrenz zusammenhing, denn Das Erste zeigte zur gleichen Zeit das WM-Spiel der deutschen Frauen-Nationalmannschaft gegen Norwegen, das mehr als sieben Millionen Menschen nach 22 Uhr sehen wollten. Und danach kamen eben die großen Erfolge mit der Griechenland-Thematik, die vor allem auch beim jungen Publikum verhältnismäßig gut ankam: Zwischen 5,0 und 6,0 Prozent mögen Werte auf bzw. sogar leicht unterhalb des Senderschnitts sein - in den 19 Anläufen zuvor schaffte Illner solche Zahlen allerdings nur ein einziges Mal.


Der Polittalk ohne Politik: «Menschen bei Maischberger»


Wie problematisch der Terminus "Polittalk" sein kann, stellte in der jüngeren Vergangenheit kein Format so deutlich unter Beweis wie jenes von Sandra Maischberger. Von der sexuellen Vielfalt über Schlankheits-Wahn bis hin zu den "Psychotricks der Gurus" nahm sich die Sendung etlicher gesellschaftlich relevanter Themen an, die nur einen sehr fernen Bezug zur Politik aufweisen. Und das mit Erfolg: Nachdem man in den vergangenen beiden Jahren mit jeweils nur 10,7 Prozent nicht mehr an alte Erfolge herankam, konnte man im ersten Halbjahr 2015 eine Steigerung auf 11,4 Prozent bei durchschnittlich 1,55 Millionen Zuschauern vermelden. Vor allem aber beim Publikum zwischen 14 und 49 Jahren ging es deutlich bergauf. Nachdem zuletzt nur noch etwa fünf Prozent auf dem Papier gestanden hatten, wurden in den vergangenen sechs Monaten respektable 6,3 Prozent bei 0,32 Millionen verzeichnet.

Die alles überragende Folge ging am 28. April über die Bühne, als sich einmal mehr Ex-Bundeskanzler Helmut Schmidt mit Maischberger unterhielt. Obgleich die Folge erst um 23:45 Uhr auf Sendung ging, verzeichnete sie mit 2,88 Millionen ihre höchste Reichweite seit mindestens 2007 (seither liegen uns verlässliche Daten vor). Auch die damit einhergehenden Marktanteile von 29,7 Prozent insgesamt sowie 22,0 Prozent waren zumindest einmal rekordverdächtig. Und somit ist auch das Gesamtbild ein wenig trügerisch, denn nähme man diese herausragende Folge aus der Gesamtbilanz raus, wäre die erfreuliche Steigerung mit einem Male passé. Von den 18 in diesem Kalenderjahr bislang gezeigten Ausgaben verfehlten zudem immerhin neun die symbolisch wichtige Marke von zehn Prozent, vier lagen mit 7,2 bis 8,5 Prozent sogar weit von ihr entfernt. Insofern ist auch bei Maischberger sicher nicht alles Gold, was aus Sicht der Quoten derzeit glänzt.


Das Schlusslicht mit der großen Herausforderung: «Anne Will»


So wenig einfallsreich die Lösung der Programmverantwortlichen auch gewirkt haben mag, Anne Will die Rückkehr auf den Sonntagabend zu ermöglichen, so bemerkenswert ist sie beim Blick auf die Einschaltquoten. Denn mit gerade einmal 1,33 Millionen Fernsehenden ist der am späteren Mittwochabend gezeigte Talk der derzeit reichweitenschwächste, im Durchschnitt gelangte Will seit Ende Januar gerade einmal auf einen Marktanteil von 9,6 Prozent. Damit muss man schon einen gewissen Einfallsreichtum an den Tag legen, um die Werte auch im Jahresvergleich schönzufärben. Die nüchternen Fakten: 2012 erzielte Will bis zur Sommerpause noch 10,9 Prozent, 2013 wurden 10,4 Prozent generiert und 2014 immerhin noch 10,1 Prozent. Auch die mittleren Reichweiten waren seither von 1,63 bis 1,42 Millionen kontinuierlich rückläufig - von einem gesteigerten Interesse kann also beim besten Willen nicht die Rede sein. Auch nicht beim jungen Publikum, wo mit 4,7 Prozent an die mauen Werte der Vorjahre (4,6 bis 4,9 Prozent) angeknüpft wurde.

Dabei profitiert Will derzeit sogar noch von der Sommerpause einiger Kollegen und dem breiten Informationsbedarf hinsichtlich der Griechenland-Krise: Mit 11,9 bis 12,4 Prozent waren die Folgen der vergangenen Wochen die bis dato erfolgreichsten in diesem Kalenderjahr, bis zu 1,95 Millionen Menschen sahen zu. Auch bei den Jüngeren lief es mit 5,0 bis 5,7 Prozent verhältnismäßig gut, hier allerdings punkteten die Folgen zum Mord an Boris Nemzow (6,1 Prozent) und den Ausspähskandal (7,0 Prozent) noch etwas mehr. Im Gegensatz zu manch anderem Kollegen mag man diesem Format jedoch generell zugute halten, dass es kaum dazu neigt, zugunsten schneller Quotengenerierung "softere" Verbraucherschutz-Themen ins Visier zu nehmen.

Insofern kann man gar sagen, dass die Programmverantwortlichen mit der Personalie Will für den Sonntagabend-Slot ein Zeichen hin zum substanziellen und originären Polittalk gesetzt haben, anstatt einen großen Namen zu verpflichten - was man eventuell gar als Abgrenzung zu «Günther Jauch» interpretieren mag. Bessere Einschaltquoten dürften allerdings nicht unbedingt damit einhergehen, schließlich kam Will schon in ihren letzten Monaten 2011 am Sonntag nur auf rund 4,05 Millionen Zuschauer sowie 14,2 bzw. 6,0 Prozent Marktanteil. Lässt man also alle inhaltlichen Aspekte außen vor, dürfte gerade auch angesichts der rückläufigen «Anne Will»-Werte am Mittwoch der Jauch-Abschied eine tragische Meldung für die ARD-Verantwortlichen sein - immerhin erreichte dieser mit verlässlich rund viereinhalb Millionen Zuschauern und rund 16 bzw. 7,5 Prozent stets klar bessere Zahlen als Will.

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