Die Kino-Kritiker

«True Story - Spiel um Macht»

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Normalerweise präsentieren sich Jonah Hill und James Franco als Leinwand-Duo eher von ihrer lustigen Seite. Im auf wahren Ereignissen basierenden Thrillerdrama «True Story - Spiel um Macht» beweisen sie sich einmal mehr als Charaktermimen.

«True Story - Spiel um Macht»

  • Kinostart: 06. August 2015
  • Genre: Thriller/Drama
  • FSK: 12
  • Laufzeit: 99 Min.
  • Kamera: Masanobu Takayanagi
  • Musik: Marco Beltrami
  • Buch: Rupert Goold, David Kajganich
  • Regie: Rupert Goold
  • Darsteller: Jonah Hill, James Franco, Felicity Jones, Maria Dizzia, Ethan Suplee, Conor Kikot
  • OT: True Story (USA 2015)
Wenn Jonah Hill und James Franco Seite an Seite auf der großen Leinwand zu sehen sind, beschränkt sich diese Kollaboration normalerweise auf das Komödien-Genre. Zuletzt sah man die beiden in der abgedrehten Weltuntergangs-Comedy «Das ist das Ende», doch wenn sich die beiden Darsteller auf dem Charakterparkett etablieren, dann selten gemeinsam. Ihre Oscar-Nominierungen, Franco für «127 Hours» und Hill für «Moneyball» sowie «The Wolf of Wall Street», katapultierten die zwei äußerst wandelbaren Schauspieler endgültig in den Olymp von Hollywoods Who-is-Who; trotzdem ist ein Film, in welchem beide die Hauptrollen spielen und sich dennoch in Gänze vom Humorsegment wegbewegen, eine mutige Angelegenheit. Immerhin hat sich das Publikum mit der Zeit daran gewöhnt, dass beide zusammen vorzugsweise Spaß bereiten wollen, jeder für sich hingegen auch anspruchsvolles Kino abliefern kann. Regisseur Rupert Goold, der sich nach der Inszenierung von zwei TV-Projekten nun erstmals an einem Kinofilm versucht, geht dieses riskante Wagnis ein und sagt sich mit seinem provokanten Projekt «True Story – Spiel um Macht» direkt von jedweden Idealvorstellungen von Publikumsseite los. Seine Mischung aus fesselndem Thriller und tiefschürfendem Drama wird vermutlich nie auch nur im Ansatz das Publikum für sich gewinnen können, das Hill und Franco als Blödelbarden in die Lichtspielhäuser locken können. Dafür erschließt sich dem aufgeschlossenen Zuschauer das Kino einmal mehr als ein Ort der Geheimnisse und des unkonventionellen Seherlebnisses.

Als der in Ungnade gefallene New Yorker Times Reporter Michael Finkel (Jonah Hill) dem des Mordes angeklagten Christian Longo (James Franco) begegnet, beginnt ein mörderisches Katz- und Maus-Spiel. Denn Longo hat Finkels Identität angenommen. Und Finkel will um jeden Preis die Wahrheit von Longos Geschichte herausfinden. Es beginnt eine schonungslose Jagd um Mord, Liebe, Betrug und Erlösung…

Im Anbetracht der tatsächlich realen Umstände der von Goold für die Leinwand adaptierten Geschichte wundert die zurückhaltende, fast schon schüchterne Inszenierung des Filmemachers gar nicht mehr so sehr. Im Januar 2002 war es, als Journalist Finkel damit konfrontiert wurde, dass ein kurz vor seiner Verurteilung stehender, mutmaßlicher Mörder sich bei seiner Festnahme als er ausgegeben hatte. Daher wurde Finkel in den Prozess um Christian Longo involviert; dieser ermöglichte ihm viele Gespräche innerhalb der Gefängnismauern, welche Finkel schließlich für ein Buch verwenden durfte. Trotz Parallelen zu anderen (fiktiven) Fällen dieser Art wie etwa das Thriller-Meisterwerk «Das Schweigen der Lämmer», geht «True Story» etwas Wichtiges ab, was im Bereich des suspenselastigen Kriminalfilmes eigentlich fast schon einem Todesurteil gleichkommt. Die Rede ist von Spannung, denn der dialoglastige Film verzichtet nicht bloß auf jedwede Form der Effekthascherei, sondern ist in seiner Art und Weise fast schon träge. Nun möchte man meinen, damit hätte die Produktion ihr Ziel automatisch verfehlt, doch kaum glaubt man, der Regisseur wäre gescheitert, eröffnet sich dem aufgeschlossenen Zuschauer die wahre Bedeutung hinter der «True Story»-Inszenierung. Im Grunde bietet der Film zwar nicht mehr als das kontinuierlich auf der Stelle tretende Gespräch eines Journalisten mit einem mutmaßlichen Mörder, doch gerade wenn man beginnt, einen Twist herbeizusehnen, entfaltet «True Story» ausgerechnet durch den Verzicht weit hergeholter Plotwendungen seine volle Wucht.

Rupert Goold und seinem Autorenkollegen David Kajganich («Invasion») geht es nicht darum, die Erwartungen der Zuschauer zu erfüllen und sich somit darauf zu konzentrieren, dass diese stetig bei Laune gehalten werden. «True Story – Spiel um Macht» ist kein Film der überbordenden Inszenierung, sondern eine Geschichte, in welcher insbesondere der Nachsatz „Spiel um Macht“ im Mittelpunkt steht. Der in seiner Art der Artikulation paralysierende Longo, hervorragend gespielt von James Franco, appelliert sowohl an seinen „Gegenspieler“ Finkel als auch an sein Publikum, die von ihm vorgetragene Geschichte zu hinterfragen, nutzt allerdings gleichsam seinen Status als einzige Quelle, um seine Machtposition auszuspielen. Bruchstückhaft schildert er dem Journalisten, was in der verhängnisvollen Nacht 2002 geschehen ist. Das Publikum baut sich anhand dieser Puzzleteile sukzessive ein Bild auf, wird für seine Arbeit allerdings nie dafür entschädigt, denn was tatsächlich geschehen ist, bleibt bis zum Schluss offen. Natürlich hätte sich Goold auch irgendwann von den realen Geschehnissen entfernen und ihnen eine eigene, spannendere Auflösung andichten können. Doch der Filmemacher bleibt bei der Wahrheit und unterstreicht den Filmtitel «True Story», zu Deutsch: „Wahre Geschichte“ zugleich um ein Vielfaches.

Vom Dialog der beiden Protagonisten in seinen Bann gezogen beginnt es schon nach wenigen Minuten, beim Zuschauer zu rattern. Ihm eröffnen sich Fragen über gegenseitige Machtverhältnisse, über die Wertigkeit des gesprochenen Wortes, aber auch über die Wirkung der Presse. Damit reißt «True Story» viele Punkte an, ohne ihnen direkt einen eigenen Erzählstrang zu widmen. Hill und Franco jonglieren auf realistische Weise mit jenen Storyfragmenten, was ihren Figuren vor allem deshalb leicht von der Hand geht, weil sie sich den Konventionen des linearen Geschichtenerzählens nicht unterwerfen müssen. Selbst, wenn Hills Finkel zwecks Recherche auf andere Beteiligte des mutmaßlichen Mordes trifft, haben derartige Untersuchungen nichts mit einer typischen «CSI»-Inszenierung zu tun. Je weiter «True Story» voranschreitet, desto weniger steht obendrein auch die Frage im Mittelpunkt, ob Longo seine Familie überhaupt ermordet hat. Viel essentieller sind das Verfolgen der juristischen Apparate und das Beobachten, wie Michael Finkels Nachforschungen nach und nach einer nicht ungefährlichen Obsession weichen. Doch selbst solche Grenzen verschwimmen hier nur schwach; Zwar gibt es diesen charakterlichen Wandel, doch anders als im regulären US-Kino hat der Zuschauer es nicht plötzlich mit einem Manen zu tun. Was passiert, spielt sich zwischen den Zeilen ab. Dafür muss man empfänglich und aufgeschlossen sein. Doch wenn man sich dieser zurückhaltenden Art der Inszenierung öffnet, erschließt sich dem Zuschauer schlussendlich auch die Grundaussage von «True Story», durch welche Goold ein weiteres Wagnis eingeht: Die Wahrheit liegt im Auge des Betrachters. Und damit ist die Frage, ob «True Story» ein guter oder ein schlechter Film ist, schwerer denn je zu beantworten.

Fazit: Ein Katz-und-Maus-Spiel in Zeitlupe: Für Rupert Goolds unkonventionelles Gerichtsdrama «True Story – Spiel um Macht» braucht der Zuschauer viel Muße und Einfühlungsvermögen, um den Hintergedanken des erstklassig gespielten Kammerspiels zu erkennen. Es geht um das Ausloten von Grenzen, um die gegenseitige Abhängigkeit und um die Frage, was passiert, wenn aus Mutmaßungen Tatsachen werden. Sehenswert!

«True Story – Spiel um Macht» ist ab dem 6. August in ausgewählten deutschen Kinos zu sehen.

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