Die Kritiker

«Huck»

von

«Huck» vereint die konventionellen Krimi-Zutaten und tritt im ARD-Vorabend trotzdem an, um vieles anders zu machen. Der Versuch scheitert.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Patrick von Blume, Aykut Kayacik, Valerie Koch, Emanuel Fitz, Soma Pysall, Michael Kleiber

Hinter der Kamera:
Buch: Helmut Schweiker, Michael Glasauer, Christoph Willumeit, Andy Cremer; Regie: Patrick Winczewski & Thomas Freundner; Schnitt: Tanja Petry & Ann-Sophie Schweizer; Musik: Andreas Schäfer & Biber Gullatz; Kamera: Harald Kremer & Matthias Papenmeier; Produktionsfirma: Polyphon Südwest & Maran Film
Auch im Jahr 2014 stellt der 18.50 Uhr-Sendeplatz noch immer eines der Sorgenkinder des Ersten dar. Jahrelang versuchte der öffentlich-rechtliche Sender seine Krimis der «Heiter bis tödlich»-Marke dem Fernsehpublikum schmackhaft zu machen. Bereits zwölf verschiedene Formate versuchten unter der Woche ihr Glück. Alle scheiterten, noch immer setzt Das Erste jedoch auf acht der „Crime & Smile“-Serien. Wie kann man den Negativ-Trend am Vorabend also stoppen? Wohl mit einem frischen Format, das sehr viele Dinge anders macht, als die kriselnden Serien. So startet am 15. September der neue, achtteilige Dienstags-Krimi «Huck», der den 18.50 Uhr-Slot beleben soll.

Darin soll es der titelgebende Privatdetektiv richten, der für seinen Programmplatz so anders und für Krimi-Kenner doch so konventionell daherkommt: Er ist unangepasst, er hat ein Problem mit Autoritäten und er bedient sich bei seinen Ermittlungen häufig unorthodoxer Ermittlungsmethoden. Zwar gehören diese Charakteristika zum Standardrepertoire von Krimi-Autoren, aber immerhin könnte diese Linie zumindest für den Vorabend-Sendeplatz einen neuen Anstrich bedeuten. Das Ergebnis fällt jedoch äußerst ernüchternd aus und zwar schon in dem Moment, in dem man diese neue, als rebellisch beschriebene Hauptfigur das erste Mal zu Gesicht bekommt. «Huck» besitzt, zumindest zu Beginn des Falls, ein gepflegtes Äußeres mit allem, was dazugehört: Mantel, ein feines Hemd in der Hose und ein gekämmter Seitenscheitel zeugen beim ersten Eindruck nicht gerade von eigensinnigem Rebellentum.

Wo der ZDF-Krimi «Zorn» mit seinem dreitagebärtigen, vom Weltschmerz zerfressenen und dauerqualmenden Hauptcharakter eine Spur zu dick aufträgt, untergräbt der modische Auftritt von «Huck» zunächst einmal die Glaubwürdigkeit des Ex-Bullen, der sich mit sporadischen Jobs von seiner Anwältin über Wasser halten und von seinem Freund Cem durch die Stadt kutschiert werden muss, weil er sich ein Auto selbst nicht leisten kann. Es wirkt, als habe man sehr kompromissbereit versucht, die Geschichte um einen als Berufs-Rebell angelegten Ermittler in ein braveres Vorabend-Format zu übersetzen.

Im ersten Fall wird die Freundin des talentierten Fußball-Torwarts Petram Stanic entführt. «Huck», der vom Fußball nichts versteht, sucht den Rat des glühenden VfL Cannstatt-Anhängers Cem, der zwar eigentlich Besitzer eines Lebensmittelladens ist, sich aber gerne Hals über Kopf mit in Hucks Fälle hineinstürzt – insbesondere, wenn eines seiner Idole in Not ist. Kurz vor dem Pokalfinale, in dem der VfL Cannstatt um den Titel spielt, wird ‚Stani‘ erpresst und soll Teil eines groß angelegten Wettbetrugs sein. «Huck» ist der Fall zunächst zu heiß, erst als er vom fürstlichen Honorar hört, willigt der chronisch klamme Detektiv ein, den Fall seiner Anwältin Katja zu übernehmen. Pannen, Pech und eine Menge körperlicher Schmerzen sind die Folgen dieses Engagements für den Titelhelden. Doch er hat die Rechnung ohne die Cannstatter Ultras gemacht…

Tatsächlich findet sich im Ansatz, einen Privatdetektiv zur Hauptfigur zu machen, erst einmal eine nicht ganz so abgenutzte Prämisse wieder. Bei genauerer Betrachtung hat «Huck» jedoch sehr viel mit den «Heiter bis tödlich»-Flops gemein. Auch «Huck» soll seine Zuschauer nicht zu sehr aufregen, bedient sich dabei einer Menge Humor. Und auch «Huck» arbeitet mit Lokalkolorit, in diesem Fall dem Stuttgarts, in dessen größtem Stadtteil Bad Cannstatt Hucks sporadisches Büro eingerichtet ist. Dialekt darf dabei natürlich nicht fehlen. Hier hat man mit Patrick von Blume als gebürtigem Ravensburger eine gute Wahl getroffen, während sich weitere Darsteller oft an einem zu bemühten Schwäbisch abringen. Schwäbisch gemütlich ist die besprochene erste Ausgabe von Patrick Winczewski auch inszeniert. Erst zum Finale und dem Showdown, der zumindest eindrucksvoller ausfällt, als bei den meisten anderen Vorabend-Krimis, kommt so etwas wie Tempo auf. Zum Beispiel in einer der stärkeren Szenen, als «Huck» auf einem Rennrad zu den Klängen von „You’ll Never Walk Alone“ Richtung Stadion sprintet.

Während von Blume über die nötige Ausstrahlung verfügt, um eine Hauptfigur zu tragen, bleibt Hucks bester Freund Cem, gespielt von Aykut Kayacik, als Comic Relief in Reinform, aber auch als Hucks Stimme der Vernunft, zumindest in Folge eins recht blass – und das obwohl er für die Lösung des Falls wohl wesentlich bedeutsamer ist als in den kommenden Ausgaben. Dort liegt das große Problem der Auftaktepisode. Sehr viele Charaktere sollen im 45-Minüter eingeführt werden, allerdings gerät der Versuch halbherzig. Von der Auftraggeberin und Anwältin, die gegen Ende der ersten Episode doch irgendwie mehr gegenüber Huck zu empfinden scheint als ein rein professionelles Arbeitsverhältnis, bis zu Hucks vorwiegend faulenzenden und technikverliebten Neffen, die wohl beide künftig eine größere Rolle spielen sollen.

Die Sendezeit bietet dem neuen Format nicht genug Raum, um den Figuren gerecht zu werden. Da entschädigt auch nicht die ansprechende Musik von Biber Gullatz und Andreas Schäfer. So bleibt «Huck» ein weiterer, wohl zum Scheitern verurteilter Versuch, dem Vorabend neuen Glanz und mehr Eigenständigkeit zu verleihen, anstatt altbekannte Krimi-Konventionen wenig ansehnlich umzusetzen. Zwar läuft «Huck» nicht unter der «Heiter bis tödlich»-Dachmarke, dennoch findet sich auch im neuen Format nicht viel mehr als ein wenig einfallsreicher Schmunzelkrimi.

Das Erste zeigt «Huck» ab dem 15. September 2015 immer dienstags ab 18.50 Uhr.

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