In den letzten Wochen habe ich vieles an deutschen Serien gesichtet. Die 3. Staffel von «Weissensee». Und TNT Series tolles «Weinberg».
Den «Club der roten Bänder», den VOX Anfang November auf Sendung schicken wird, und «Deutschland 83» habe ich auch schon durch. Und auch wenn es bis zur Veröffentlichung meiner ausführlichen Rezensionen noch eine Weile hin ist, werde ich an dieser Stelle wohl kaum zu viel verraten, wenn ich Ihnen schon einmal dazu rate, die Ausstrahlungstermine rot im Kalender zu markieren.
Vier erstklassige Serien. Aus Deutschland. In so kurzer Zeit. Und die Season ist ja eigentlich noch jung.
Haben wir’s jetzt also geschafft aus dem Tal der Tränen, weg von der Bezeichnung Serien-Entwicklungsland, die für einen so großen Bewegtbildmarkt wie Deutschland beschämend sein muss?
Eine wie auch immer geartete Antwort auf diese Frage wäre natürlich ohnehin Definitionssache. Nicht nur hinsichtlich der Kompetenzen und Zielsetzungen des hiesigen Fiction-Marktes, sondern auch auf einer abstrakteren, gesamtgesellschaftlich betrachteten kulturellen Ebene: Muss der deutsche Output in der narrativen Erzählform des neuen Jahrtausends in der ersten Reihe mitspielen? Würde es das deutsche Selbstverständnis als (allzu oft selbstbesoffene) „Kulturnation“ langfristig beschädigen, wenn Deutschland inhaltlich in seinen Serien dauerhaft hinter dem erstklassigen Output anderer Märkte (gerade der vermeintlich kulturlosen angelsächsischen) zurückbliebe?
Das soll ja – ein altbekanntes Mantra – nicht heißen, dass es nicht schon vor diesem Jahr mit der neuen Staffel von «Weissensee» und den Neustarts «Weinberg», «Deutschland 83» und «Club der roten Bänder» exzellente Serien aus Deutschland gegeben hat. Aber es zeigt eine gewisse Häufung. Vor allem wenn wir «Eichwald MdB» und «Schuld», die im Frühjahr liefen, noch in diese Liste hinzufügen. Reichen sechs tolle Serien pro Jahr, damit Deutschland endlich sein Serien-Schmuddel-Image loswerden könnte? Und wenn nein, würden sieben reichen? Zehn? Noch mehr?
Es dürfte weniger eine Frage der Anzahl sein, sondern eher einer der Erzähltradition. Schließlich gab es auch nicht die eine amerikanische Serie, die die USA zum Fiction-Land Nummer Eins gemacht hat. Oder die zwei hervorragenden Serien. Oder die zehn.
Es entstand vielmehr, über Jahre hinweg, eine Tradition hochwertiger, manchmal stilistisch, manchmal inhaltlich experimenteller Seriennarrativen, die manchmal mitreißend, manchmal philosophisch, manchmal gesellschaftskritisch, manchmal mit großer künstlerischer Ambition erzählten. Meistens alles zusammen.
Keine Frage: Deutschland ist hinten dran. Und es wird noch lange dauern, bis es hierzulande eine ähnlich präsente (!) Tradition hochwertiger serieller Stoffe geben wird. Und solange wird wohl auch das Etikett des Serienentwicklungslandes, trotz aller Gegenbeispiele, ein Stück weit haften bleiben.