Cast und Crew
- Regie: Jochen Alexander Freydank
- Darsteller: Hinnerk Schönemann, Henny Reents, Marleen Lohse, Hans-Uwe Bauer, Cem-Ali Gültekin, Peter Prager, Johanna Gastdorf, Rainer Piwek, Markus Gertken, Friedhelm Ptok, Torsten Michaelis
- Drehbuch: Holger Karsten Schmidt
- Kamera: Philipp Timme
- Szenenbild: Marion Strohschein, Peter Bausch
- Schnitt: Bernd Schriever
- Musik: Stefan Hansen
- Visuelle Effekte: Christoph Hierl
Fast ein Jahr ist es her, seit Das Erste mit «Nord bei Nordwest – Käpt'n Hook» eine betont nordische, nautisch angehauchte Krimireihe gestartet hat. 5,35 Millionen Fernsehende waren damals mit an Bord, darunter befanden sich 1,17 Millionen 14- bis 49-Jährige. Tolle 16,6 Prozent Marktanteil sprangen insgesamt dabei heraus, in der jungen Altersgruppe wurden 9,5 Prozent erzielt. Nachfrage nach mehr Geschichten rund um die kleine Gemeinde Schwanitz und Kommissarin Lona Vogt ist also gegeben. Und bei dem Überangebot an Lokalkolorit-Kriminalgeschichten im öffentlich-rechtlichen Fernsehen ist es nur willkommen, dass sich «Nord bei Nordwest» in seiner zweiten Ausgabe bewusst von der alltäglichen Gangart solcher Neunzigminüter verabschiedet.
Denn dieser Fall eröffnet mysteriös, schräg und eigenwillig: Ganz Schwanitz glaubt, dass sich ein schauriger Wikingergeist alle sieben Jahre dafür rächt, einst von den Einwohnern dieses Ortes in eine tödliche Falle gelockt worden zu sein. Kombiniert mit den vernebelten Aufnahmen der Kleinstadt, die Kameramann Philipp Timme und Regisseur Jochen Alexander Freydank hier mit wankelmütigem Effektzauber erzeugen, baut sich dieser Krimi eine dichte Atmosphäre auf. Selbst wenn wohl kaum ein Zuschauer ernsthaft glauben wird, dass dieser Neunzigminüter ins Okkulte übergeht, ist das Kokettieren mit Seemannsgarn und Kleinstadtaberglauben kurzweilig und einfach einmal etwas Anderes, als von der ARD-Krimischiene gewohnt.
Zudem gibt es einen winzigen Hauch eines roten Fadens, der diese Geschichte mit dem Reihenauftakt verbindet: Wie schon in «Nord bei Nordwest – Käpt'n Hook» knistert es zwischen den zentralen Figuren. Hinnerk Schönemann, Henny Reents und Marleen Lohse schmachten sich in ihren Rollen mit unterdrücktem Verlangen und frei von verkitschten, großen Blicken an. Originell ist solch ein episodenübergreifender Plot zwar nicht, jedoch weiß das Trio, diese Dreiecksgeschichte überzeugend zu vermitteln – sowie mit nordisch-kühler Sinnlichkeit.
So reizvoll die Figuren auch sein mögen und der titelgebende Fluch auch einige originelle Bilder und hervorstechende Szenen bedingt; die Narrative ist in ihrer Gesamtheit sehr lasch geraten. Um bei nicht all zu straffer Spannungskurve trotzdem durchweg zu fesseln, bleibt dieser Krimi in seiner Figuren- und Milieuzeichnung aber zu sehr an der Oberfläche. Das Geplänkel zwischen den Helden und ihrem direkt Umfeld ist dafür umso schnurriger. Und eben dieses Kauzige ist es ja auch, das «Nord bei Nordwest» ein Alleinstellungsmerkmal im ARD-Krimiwust gibt. Dezent schräge Situationen und Halbsätze, ohne so bemüht heiter bis tödlich zu sein, wie der typische Krimi am ARD-Vorabend: Wenn «Nord bei Nordwest» dies in kommenden Folgen ausbaut und vielleicht auch seine Liebelei mit nordisch-maritimen Themen und unterdrückter Sexualität intensiviert, hat diese Reihe noch einen bemerkenswerten Aufstieg vor sich.
Fazit: «Nord bei Nordwest – Der wilde Sven» zeigt großes Potential, völlig aus dem ARD-Krimieinerlei auszubrechen, ist aber zu schüchtern, um dieses Potential gänzlich auszuschöpfen. Mit einem sehenswerten zentralen Trio und einigen kauzig-eigenwilligen Ideen unterhält dieser Neunzigminüter aber auch trotz manch kleinerer Längen.
«Nord bei Nordwest – Der wilde Sven» ist am 22. Oktober 2015 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.