Sonntagsfragen

Hugo Egon Balder: ‚Die Kreativität ist auf der Strecke geblieben‘

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Nur noch Schrott bekomme er angeboten, erzählt Hugo Egon Balder. Einer, der das Privatfernsehen groß machte. Im Quotenmeter-Interview kritisiert er auch ARD und ZDF und spricht über seine Tele5-Show «Der Klügere kippt nach».

Zur Person: Hugo Egon Balder

Seine große TV-Karriere begann kurz nach der Geburt von RTL. Er machte den Privatsender mit Formaten wie «Tutti Frutti» oder «Alles nichts oder?!» bekannt. In den 90ern produzierte er für RTL Frank Elstners «April April» oder die «Freitag Nacht News». 1998 hatte er noch einmal eine Samstagabendshow bei RTL namens «Fata Morgana», danach wurde es ruhig um Balder. 2002 moderierte er den «9Live Tanzmarathon» und fand so den Weg zur ProSiebenSat.1-Gruppe, für deren Sender Sat.1 er ab 2003 acht Jahre lang viele Folgen von «Genial Daneben» moderierte. Es folgten eine Reihe von verrückten Eventshows. Inzwischen hat sich Balder jedoch weitesgehend vom TV-Programm verabschiedet.
Herr Balder, Sie stehen in diesen Tagen auf der Theaterbühne, gemeinsam mit Jeanette Biedermann in „Aufguss“. Eine ungewöhnliche Konstellation?
Nein, überhaupt nicht. Ich kenne Jeanette Biedermann, aber auch Rene Heinersdorff ja schon ganz lange.

Mit Herrn Heinersdorff hatten Sie vor zehn Jahren ja sogar mal versucht Theaterstücke im Privatfernsehen zu übertragen. Das ging in Sat.1 aber gewaltig schief.
Das war aber eine gute Idee, die letztlich an zwei Sachen scheiterte. Das Stück war damals nicht so geeignet („Und ewig rauschen die Gelder“, Anm. d. Red.) und zum anderen ist es einfach schwer, eine solche Aufführung durch Werbung zu unterbrechen. Aber es war toll, dass Sat.1 es überhaupt probiert hat.

Diesen Mut vermisst man in diesen Tagen manchmal vom Fernsehen. Sie haben jüngst kritisiert, dass immer noch keine Entscheidung von Sat.1 zu einer Fortsetzung von «Pastewka» gefallen ist und Fans sogar aufgefordert, Briefe zu schreiben. Stehen Sie heute noch zu der Kritik?
Ja natürlich. Nachwievor gibt es ja noch keine Entscheidung zur Zukunft der Serie. Ich kann mich zwar nicht in die Politik von Sat.1 einmischen, aber es muss schon gestattet sein, zu fragen, welchen Sinn es macht, den größten Schrott zu produzieren, der dann nach drei Folgen wieder abgesetzt wird, aber nicht eine Serie, die seit Jahren viele Fans hat.

Sie sind einer der großen Stars des frühen Privatfernsehens und scheinen an Ihrem Medium die Lust zu verlieren…
Alles, was ich von Sendern oder Produktionsfirmen angeboten bekomme, ist nur noch Schrott. Die Kreativität bei den Fernsehmachern ist inzwischen auf der Strecke geblieben.
Hugo Egon Balder
Naja, eine Müdigkeit ist es nicht. Es ist Lustlosigkeit. Alles, was ich von Sendern oder Produktionsfirmen angeboten bekomme, ist nur noch Schrott. Die Kreativität bei den Fernsehmachern ist inzwischen auf der Strecke geblieben.

Liegt das daran, dass die Leute sich nicht mehr trauen kreativ zu werden oder gibt es einfach weniger Kreative in dieser Branche?
Bei den öffentlich-rechtlichen Sendern liegt es an der jahrhundertelangen Verkrustung. Die Privaten wollen nur noch Geld verdienen. Das an sich war ja schon immer so. Inzwischen will man das verdiente Geld aber nicht mehr ins Programm stecken. Das ist der Unterschied zu dem RTL von früher.

Da müssen wir aber mal kurz über das ZDF sprechen, das gerade im Comedy-Sektor sehr viel ausprobiert. Ich nenne da neben «Die Anstalt» auch mal die «heute-Show» und die Projekte von Jan Böhmermann.
Das ist sehr erfreulich, ohne Frage. Das ZDF wagt da etwas. Die «heute-Show» an sich ist aber nicht neu. Die Grundidee kommt aus Amerika, RTL hatte das früher in Form der lange erfolgreichen «Freitag Nacht News». Aber ohne Frage: Die Sendung ist toll gemacht. «Die Anstalt» ist großartiges Fernsehen. Jan Böhmermann läuft im ZDF hingegen ganz klar zu spät. Wenn das ZDF es sich auf die Fahne schreibt, mit einer solchen Sendung junges Publikum gewinnen zu wollen, dann bitte nicht nach Mitternacht.

Mit der Bildundtonfabrik und mit Jan Böhmermann waren Sie zuletzt in einer Folge von «Die unwahrscheinlichen Ereignisse im Leben von…» dabei und schienen mächtig Spaß gehabt zu haben.
Ein Sender wie der WDR hat so viele Möglichkeiten. Es heißt immer, man hat kein Geld. In Wahrheit haben die richtig viel Kohle. Mit unseren Zwangssteuern, die wir zahlen, könnte man so viel gutes Programm machen.
Hugo Egon Balder
Das war wirklich ein großer Spaß für mich. Ich bin auch in Gastrollen in drei weiteren Folgen der zweiten Staffel zu sehen, habe dort aber nur kleine Auftritte. Es freut, dass es mit weiteren Ausgaben weitergeht, auch wenn die nun leicht gekürzt wurden. Vielleicht hat da auch Geld gefehlt, um 45 Minuten machen zu können. Letztlich ist das vom WDR aber auch zu wenig. Ein Sender wie der WDR hat so viele Möglichkeiten. Es heißt immer, man hat kein Geld. In Wahrheit haben die richtig viel Kohle. Mit unseren Zwangssteuern, die wir zahlen, könnte man so viel gutes Programm machen.

Am Montag startet bei Tele 5 die zweite Staffel von «Der Klügere kippt nach», eine Idee, mit der Sie lange hausieren gingen, ehe sie umgesetzt wurde.
Hausieren musste ich mit «Genial Daneben». Sieben Jahre lang. «Der Klügere kippt nach» ist eine Schnapsidee, entstanden an irgendeiner Hotelbar frühmorgens um 5. Dass die Idee jetzt von Kai Blasberg und Tele 5 umgesetzt wurde und wird, war letztlich reiner Zufall.

Wie fällt Ihr Fazit der ersten Staffel aus, jetzt wo Sie kurz vor Staffel zwei stehen?
Das war alles schon schön. Wir werden aber trotzdem ein bisschen was ändern. Neben Wigald Boning und Hella von Sinnen gehört jetzt auch Desiree Nick zur Stammbesetzung. Und wir haben ein paar wirkliche Überraschungen parat, was die weiteren Gäste angeht. Ich erwarte wieder einen großen Spaß und kann auch sagen: Bei uns besäuft sich auch in Staffel zwei keiner so wirklich.

Man muss ja fast schon wieder erwarten, dass aus einer Ecke Proteste kommen, wenn im Fernsehen Alkohol getrunken wird.
Glaubt denn jemand wirklich, dass wegen ein paar Bier im TV fünf Millionen Jugendliche zu saufen beginnen?
Hugo Egon Balder zu den Protesten wegen des Alokoholkonsums bei «Der Klügere kippt nach»
Die gab es wirklich während der ersten Staffel. Und ich kann es ehrlich nicht verstehen. Früher hat man in so vielen Sendungen mal einen Wein getrunken. Denken Sie an das „Frühschoppen“ zurück. Wie oft hatte «Der Kommissar» einen Rotwein auf seinem Schreibtisch stehen? Das hat keinen Interessiert. Glaubt denn jemand wirklich, dass wegen ein paar Bier im TV fünf Millionen Jugendliche zu saufen beginnen? Also wenn unsere Sendung zu Protesten führt, dann darf man ja im Fernsehen überhaupt nichts mehr machen. Im Fernsehen werden nackte Menschen gezeigt, Morde und Vergewaltigungen, abends um 20.15 Uhr im Ersten. Das stört niemanden.

Wieso fiel die Wahl auf Desiree Nick als neuer Stammgast?
Desiree ist klasse, weil sie sich den Mund nicht verbieten lässt und ihre Meinung sagt. Viele Leute im Fernsehen sind heute einfach zu angepasst.

Welche Themen bewegen Sie gerade? Welche haben die Chance Teil Ihrer Sendung zu werden?
Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Das passiert immer erst kurz vor der Sendung. Wigald hat sicherlich etwas vorbereitet, die Redaktion auch. Da setzt man sich zusammen und manchmal entstehen dann auch bei der Konferenz noch einmal tolle Ideen. Ich denke, die ganze Debatte um Flüchtlinge wird für uns kein Thema. Die verfolgt uns ja schon seit Wochen, da gibt’s nichts Neues zu sagen. Vielleicht sind die Vorfälle beim DFB ein Thema Wert, wobei das ja eigentlich auch schon durch ist.

Stefan Raab beendet in zwei Monaten seine TV-Karriere. Verstehen Sie, dass er keine Lust mehr hat?
Das verstehe ich. Ich habe das ja auch so gemacht. Bis auf «Der Klügere kippt nach» mache ich ja auch nichts. Ich spiele da lieber Theater. Und wenn man das richtig macht, dann steht man eben jeden Abend auf der Bühne. Das geht dann gar nicht anders.

Danke für das Gespräch.

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