Cast und Crew
- Regie: Wolfgang Murnberger
- Darsteller: Tobias Moretti, Brigitte Hobmeier, Anatole Taubman, André Jung, Arndt Schwering-Sohnrey, Barbara Romaner, Anna Unterberger, Felix Hellmann, Gerti Drassl
- Drehbuch: Peter Probst
- Kamera: Peter von Haller
- Schnitt: Evi Romen
- Szenenbild: Christoph Kanter
- Kostüm: Esther Amuser
- Musik: Levan Basharuli, Gerd Baumann
Vor dem Münchner Landgericht wird die Echtheit des – vermeintlichen – Sensationsfunds schon deutlich kritischer hinterfragt. Als Nebenklägerin sitzt Leni Riefenstahl (Brigitte Hobmeier) vor Gericht. Die Regisseurin, die mit «Triumph des Willens» die Nazi-Ästhetik mitgeprägt hat, ist erbost, weil sie in den Tagebüchern als die Geliebte Hitlers verunglimpft wird. Trenker lässt die Untersuchung kalt und träumt zuversichtlich vom Sprung nach Hollywood – und blickt siegesgewiss auf seine bisherige Karriere zurück. Sowie auf den unsäglichen, nie endenden Machtkampf mit der „öligen Ziege“ Riefenstahl …
Der Tiroler Luis Trenker, der eine Zeit lang im Fernsehen eine eigene Erzählstunde hatte, in der er über sich, Gott, sich selbst, die Welt und vor allem über sich selbst gesprochen hat, versuchte tatsächlich, Eva-Braun-Tagebücher loszuschlagen. Und tatsächlich stellten sie sich als Fälschung heraus. Ob der 1990 verstorbene Unterhaltungskünstler die Bücher selber fälschte, ist historisch nicht belegt – aber in bester Luis-Trenker-Manier nimmt es Drehbuchautor Peter Probst nicht so ernst. Eine gute Geschichte … ist nun einmal eine gute Geschichte. Also stilisiert das satirische, faktisch wacklige Biopic «Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit» seine Titelfigur zu einem Meisteropportunisten hoch, der sich in aller Seelenruhe hinsetzt, und nach eigenem Gutdünken Eva Brauns Lebens-, Liebes- und Leidensgeschichte erfindet.
Dargestellt wird Trenker von einem perfekt besetzten Tobias Moretti: Mit einem schmierigen, selbstverliebten, aber auch gewinnenden Grinsen manövriert sich der Mime durch den Neunzigminüter. Dabei legt er eine darstellerische Distanz zu seiner Figur zu Tage, ohne sie zu gehässig, zu abwertend zu verkörpern. Moretti gelingt dadurch der Balanceakt, Trenker als wieseliges Fähnchen im Wind zu skizzieren, das jedoch bei allen Schwindeleien noch immer ausreichend Prinzipien hat, dass es nicht wie ein rückgratloser Niemand erscheint. Moretti und das Dialogbuch ergänzen sich gegenseitig: Morettis Duktus hat generell etwas warmes, zugleich siffiges an sich, und das Skript legt ihm nicht nur ständige Ausflüchte in den Mund, sondern lässt ihn mit Eloquenz und versöhnlicher Rhetorik punkten.
Auf den Schultern dieser selbstgefälligen, einnehmenden Figur erlaubt sich diese Koproduktion zwischen dem BR und dem ORF ein ironisches, nicht aber klamaukiges Spiel mit Fakt, Spekulation und Geschichtsrevision. Der TV-Luis-Trenker macht die Welt, widewide wie sie ihm gefällt. War er zur NS-Zeit geduldeter Künstler, ein aneckender Revoluzzer, an den sich die Partei nicht mit genügend Vehemenz herantraute, ein Kollaborateur, die Neutralität in Person? Lehnte er den Dreh von «Triumph des Willens» aus Arroganz, politischer Überzeugung oder aus Dummheit ab? Lehnte er ihn überhaupt ab? Eine Geschichtsstunde ist dieser von Regisseur Wolfgang Murnberger in Süffisanz getränkte Film wahrlich nicht – sondern eine vergnügliche Bündelung von Fragen, die einen zum Schmunzeln bringen. Und ganz, ganz allmählich Zahnräder in Bewegung versetzt: Wie einfach ist es, die Wahrheit umzudeuten – sofern es überhaupt eine Wahrheit gibt?
Neben dem brillierenden Mortetti hat es das restliche Ensemble schwer, größeren Eindruck zu hinterlassen, denn das Drehbuch gibt seinem schwindelnden Helden viel, viel Raum. Brigitte Hobmeier kann als verblendete Filmemacherin Leni Riefenstahl dennoch Akzente setzen, und beim Dialogwechsel zwischen Moretti und Anatole Taubman alias Hollywood-Agent Paul Kohner sprühen die Funken. Wo sich «Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit» dagegen verhebt: Murnberger und Kameramann Peter von Haller spielen mit der typischen Ästhetik der Filme aus der jeweiligen Epoche, in denen die Abschnitte dieser collagenhaften Erzählung spielen. Von Sepiafarben für die Stummfilmära bis hin zu den satten, knalligen Farben der Technicolor-Ära in den späten 40ern. Eine starke Idee – die an der Umsetzung scheitert. Der Look ist kühl und künstlich – nicht jedoch auf die handgemachte, mit kleinen, feinen Makeln behaftete Art, wie sie in Produktionen aus jenen Zeiten zu bestaunen ist. Sondern überdigitalisiert und schematisch.
Fazit: Das satirische Biopic «Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit» thematisiert mit feschem Humor und cleveren Dialogen, wie sich Menschen ihre eigene Wahrheit erfinden.
«Luis Trenker – Der schmale Grat der Wahrheit» ist am 18. November 2015 ab 20.15 Uhr zu sehen.