Die Kritiker

Der Frauenmörder ist zurück…

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Die Kritiker: In «Die Rückkehr des stillen Gastes» trifft Klaus Borowski auf einen alten Bekannten. Dem lange Zeit fesselnden Psychokrimi geht zum Ende hin die Luft aus, vor allem weil Borowski der Wahnsinn packt.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Axel Milberg («Feuchtgebiete») als Klaus Borowski, Sibel Kekilli («Gegen die Wand») als Sarah Brandt, Lars Eidinger («Alle anderen») als Kai Korthals, Maren Eggert («Das Experiment») als Frieda Jung, Lea Draeger als Mandy Kiesel, Thomas Kügel («Heiter bis tödlich: Nordisch herb») als Roland Schladitz, Ninon Bohm («Alles Atze») als Maklerin und Gilla Cremer als Constanze Jung


Hinter den Kulissen:
Regie: Claudia Garde, Buch: Sascha Arango, Musik: Colin Towns, Kamera: Philip Peschlow, Schnitt: Thomas Stange, Produktion: Nordfilm Kiel

An der Kieler Förde findet die Polizei eine junge Frau in einer Kühltruhe. Lebend, wohlgemerkt. Im Stream of Consciousness wirft die Dame den Kommissaren Fetzen um die Ohren: Wohnt unter dem Stern. Er wird kommen. Ein Bild malt die Frau noch, ehe sie schließlich in sich zusammensackt. Unter ihrem Kleid zeigt sich eine klaffende Wunde, an der sie letztlich auch verendet. Okay, ganz realistisch klingt das nicht. Doch es ist gut inszeniert, packend dargestellt und strotzt nur so vor lähmender Ruhe. Die Szene ist weniger arthousig als es jetzt klingt, aber dennoch gut. Kommissar Borowski jedenfalls erkennt etwas in der Zeichnung, für ihn gibt es kein Vertun: Das muss Kai Korthals sein.

Selbst manche «Tatort»-Fans wissen an der Stelle wohl nicht unbedingt Bescheid. Korthals? Wer? Doch viele Zuschauer können sich auch eventuell noch an den Fall «Borowski und der stille Gast» aus dem September 2012 erinnern. Tatsächlich handelte es sich dabei aus Sicht vieler Kritiker um einen packenden Fall mit einem widerlichen Frauenmörder, der ein ums andere Mal die Wohnungen seiner Opfer besuchte, natürlich ohne deren Wissen. Doch das war kaum die Besonderheit des Films: Tatsächlich war der Fall einer der wenigen der Reihe, bei dem der Täter am Ende entwischt, was sogar eine Diskussion in der Fangemeinde und bei «Tatort»-Erfinder Günther Witte hervorrief. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob ein Mörder entkommen dürfe. Aus filmischer Sicht jedenfalls ist klar: Er darf, ganz sicher. Insofern also wartete die Reihe von Kommissar Borowski nur auf eine Fortsetzung, obschon sie für so manchen nach über drei Jahren Wartezeit überraschend kommen mag. Dieser Frauenmörder, eben jener Kai Korthals, ist nun im Fall mit dem wenig einfallsreichen Titel «Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes» wieder da. Für jede, die den Ausgangsfall kennen ist der Effekt durch die lange Unterbrechung aber umso stärker.

Filmische Kontinuität? Gern gesehen.


Wenig überraschend kommt die Fortsetzung wie auch der Originalfall aus der Feder von einem Autoren, namentlich Sascha Arango. Diese Kontinuität macht sich deutlich bemerkbar, vor allem in der Figurenführung. So bleibt das Skript nah am Täter, auch weil es ihn nicht mystifizieren muss. Das schließlich übernimmt die Figur selbst, auch weil sie ihre Taten anders vollzieht als zuvor, vom Muster abweicht. Kontinuität zeigt sich ein Stück weit jedoch bei der Opferauswahl: Wieder gerät eine Frau aus dem Umfeld von Kommissar Borowski ins Blickfeld von Korthals. Anders als beim letzten Mal ist es aber nicht Kollegin Sarah Brandt, sondern Borowskis Verlobte Frieda. Bei ihr hat Korthals einen Termin zur Psychotherapie vereinbart, wobei Frieda nur aufgrund eines unglücklichen Zufalls nichts von dem Kriminellen weiß: Klaus Borowski soll nicht über seine Arbeit reden, denn das Polizeiwesen ist krank, so Friedas Überzeugung. Dass allerdings deshalb bei dem Termin nicht alles normal läuft ist dem Zuschauer, mit dem Kai Korthals zu diesem Zeitpunkt bereits erneute Bekanntschaft gemacht hat, klar. Wie lange die anschließende Entführung dauern wird ist allerdings weniger offensichtlich. Sie zieht sich über weite Strecken der folgenden Handlung hin, wobei dies von der Geschichte sehr wohl getragen wird.

Davor und danach ist dennoch ausreichend Zeit, um das Leben von Borowski und seiner Geliebten zu thematisieren, wie es «Tatorte» nun mal gerne tun. Vor allem in den Dialogen wirkt das ziemlich platt, beispielsweise wenn Friedas Mutter sich wundert, dass Borowski einen Schlüssel zu der Wohnung seiner Holden hat: „Nicht nur zu meiner Wohnung“, entgegnet diese dann in feinster Rosamunde Pilcher-Manier. Der Zukünftige hingegen trampelt grazil zwischen Wahnvorstellungen (Überall sind Gespenster) und tiefster Philosophie („Gespenster sind nur Manifestationen des Gewissens“). Nein, das ist nicht die notwendige charakterliche Tiefe, von der so gern gesprochen wird. Nein, das klingt auch nicht nach glaubwürdigen psychologischen Störungen, jedenfalls nicht solange gleichzeitig der Polizeidienst ohne jeden Zweifel weiter ausgeübt werden darf. Das ist einfach nur banaler Unsinn; der verzweifelte Versuch ein bisschen tiefer zu gehen, ein bisschen Kunst zu machen.

Und dabei wären solcherlei Versuche gar nicht nötig gewesen. Eigentlich nämlich ist der Film durchaus gelungen. Abgesehen von eben genannten Momenten auch auf künstlerischer Ebene. Wenn Korthals sein Opfer in der Auftaktszene beispielsweise in die Kühltruhe packt und dabei der Text von Schneewittchen zitiert wird, zeigt das durchaus Wirkung. Primär weil die ruhig-kühle Darstellung so unheimlich scheint. In diesen Szenen wie auch in vielen anderen Momenten spielt auch die Kamera toll mit. Der hierfür zuständige Philip Peschlow fängt tolle, detaillierte und detailverliebte Bilder ein. Egal ob im Aufzugschacht, der nachträglich noch zusätzliche Bedeutung erhält), Füße oder Kuckucksuhr: Alle Elemente scheinen relevant, was die Darstellung unterstreicht.

Und dann dreht Borowski ab…


Gegen Ende aber dreht Borowski völlig ab, handelt abseits jeglicher Rationalität und scheint auch nicht mehr alles für seine Frieda zu tun, obschon er wiederholt das Gegenteil betont. Wenig stärker als die wahnwitzige Zeichnung der wahnwitzigen Figur ist diesmal ferner auch das Spiel von Axel Milberg, der im Vergleich zum Rest des Ensembles schwächelt. Sibel Kekilli als Sarah Brandt zum Beispiel bringt eine starke Intensität auf den Schirm, beispielsweise wenn sie sich Tonaufnahmen von Korthals alten Opfern anhört. Hier, zugegebenermaßen, spielt ihr die spannungsgeladene Situation in die Karten. Doch sie nimmt diese Hilfe toll auf, verarbeitet sie gut. Denn was insgesamt nach einen alles in allem unglücklichen Zufall (kombiniert mit einem Geisteskranken) klingt, scheint dennoch schlüssig und zwingt zum Dranbleiben. Störend sind dabei eher billige Hacker-Sequenzen mit herabrauschenden Zahlenreihen, in denen Brandt sekundenschnell alles herausfindet was sie möchte. Ja, es ist schön das Hackerleben. Vor allem schön einfach. Also im Film. Nur halt nicht in Wirklichkeit.

Etwa im letzten Drittel allerdings geht dem Film ein wenig die Puste aus. Er verliert an Spannung wie auch an inhaltlicher Tiefe. Dazu passt eben auch der absurde Alleingang von Borowski, der in einer Szene gemütlich ein Wässerchen mit Mörder Korthals schlürft, während seine Frieda um das Leben bangt. Na ja gut, man muss Prioritäten setzen. Zugegeben, das gehört (soweit man ob Borowskis geistigem Zustand davon sprechen kann) zum Plan. Absurd ist es dennoch. Dass es emotional nicht mehr wirklich warm wird, ist daher kaum überraschend.

Aufgrund dessen verliert das Sequel gen Ende hin merklich, ist aber zumindest nicht ohne jede Spannung, weil das „Was“ der Auflösung zwar naheliegend ist, das „Wie“ aber zumindest nicht ganz klar war. Was als künstlerisch angehauchter Psychothriller startet endet somit als psychologisch interessanter aber nicht außergewöhnlicher Krimi. Allein das private Geplänkel von Borowski und dessen wahnwitzige Charakterzeichnung stellen den Zuschauer vor Rätsel. Bekommt sich der Kommissar wieder ein? Es wäre der Reihe zu wünschen. Denn einen Fall lang hält sie es aus, wenn die Figurenentwicklung so aussieht, wie sie es hier tut. An dieser Stelle allerdings muss ein Stück weit rückjustiert werden. Sonst könnte nicht nur das Ende von Kai Korthals nah sein…

Aber nein, so weit ist es dann doch noch nicht.

«Tatort: Borowski und die Rückkehr des stillen Gastes» ist am Sonntag, 29. November um 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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