Cast und Crew
- Regie: Jakob Ziemnicki
- Drehbuch: Uwe Wilhelm, Claudia Boysen, Jakob Ziemnicki
- Darsteller: Maria Simon, Lucas Gregorowicz, Danuta Stenka, Manfred Zapatka, Christoph Luser, Barbara Wysocka, Tamer Yigit, Nilam Farooq, Fritz Roth, Klaudiusz Kaufmann, Robert Gonera, Katharina Bellena, Robert Gallinowski
- Kamera: Matthias Fleischer
- Szenenbild: Marion Foradori
- Kostüme: Christian Röhrs
- Schnitt: Melanie Schütze
- Musik: Dirk Dresselhaus
Auf ihrer Fahrt zum Amtsantritt wird Olga Lenski Zeugin, wie ein polnisches Polizeifahrzeug ein anderes Auto stoppt und daraufhin der Fahrer des angehaltenen Wagens von zwei Polizisten verfolgt wird. Im Fluchtauto findet Lenski einen schwer verletzten Mann auf, den sie ohne mit der Wimper zu zucken in ein Krankenhaus in Slubice transportiert. Doch die Ärzte können den Studenten namens Tomasz Nowak (Tim Haberland) nicht retten. Der nunmehr verhaftete Fahrer des Wagens, der tschetschenische Asylbewerber Ramsan Dimaev (Tamer Yigit), schweigt sich über die Ursachen aus – genauso wie seine Frau Sazzit (Nilam Farooq). Um trotz mäßiger Polnischkenntnisse in diesem Fall ermitteln zu können, wird ihr der bilaterale Kollege Raczek zur Seite gestellt. Jedoch wird er extra dafür aus seinem Urlaub zurückgerufen, was die Stimmung zwischen den Ermittlern bei der ersten Zusammenarbeit merklich drückt …
Wenn in Krimireihen zwei Ermittler erstmals aufeinandertreffen, so sind üblicherweise große Probleme zu erwarten: Ungleiche Persönlichkeiten finden im Genre für gewöhnlich nur sehr schwer zueinander. Erst recht, wenn seitens des Drehbuchs auch noch kommunikative Hürden eingebaut werden können. Der neue «Polizeiruf 110» vermeidet diese ausgetretenen Pfade aber weitestgehend. Olga Lenski spricht ausreichend Polnisch, um sich auch allein halbwegs zurecht zu finden, und ihr Arbeitskollege kann fließend Deutsch – unangenehmes Aneinandervorbeigerede bleibt hier also aus. Genauso verzichtet Regisseur Jakob Ziemnicki auf die klischeehafte, bildästhetische Trennung zwischen Deutschland und Polen: Wo andere deutsche Produktionen unser Nachbarland als abgewrackt darstellen würden, zeigt Ziemnicki das polnische Kommissariat als ansprechend eingerichtet und auf zeitgemäßem technischen Stand – der zentrale Handlungsort ist ebenfalls modern, aufgeräumt, lichtdurchflutet. Hässliche Plattenbauten gibt es in diesem «Polizeiruf 110» nur in den wenigen, in der Bundesrepublik spielenden Sequenzen zu sehen.
Obwohl das Drehbuch von Uwe Wilhelm, Claudia Boysen und Jakob Ziemnicki die größten Klischeemomente auslässt, die in solch einem grenzüberschreitenden Kriminalfilm zu befürchten stehen, scheitert das Trio leider daran, die neue Figur Kommissar Raczek mit eigenständigen Charakterzügen auszustatten. Darsteller Lucas Gregorowicz vermag es zwar aufgrund seiner freundschaftlich-neckischen Chemie mit Maria Simon, die Rolle nicht völlig blass anzulegen, auf Drehbuchseite ist sein Ermittler aber eine große Leerstelle – nur seine Motorradaffinität wird in dem Neunzigminüter vermittelt. Ansonsten lässt das RBB-Team wohl Raum, die Figur in späteren Missionen konkreter zu skizzieren.
Auch der zentrale Kriminalfall ist, nüchtern betrachtet, Ware von der Stange: Moderne Sklaverei wird als Thema angerissen, aber schlussendlich durch ein Herunterbrechen des Falls auf private, zwischenmenschliche Konflikte entpolitisiert und somit verwässert. Die komplex ausgeleuchteten Bilder des Kameramanns Matthias Fleischer, das atmosphärische Sounddesign und der Akzente setzende Schnitt wissen aber, aus diesem Standard-Thema das Optimum herauszuholen: In diesem «Polizeiruf 110» werden die Dinge nicht zerredet, sondern durch Mimik, Gestik und Inszenierung ausgedrückt. Auf diesem Pfad darf das neue «Polizeiruf 110»-Team weiterwandeln. Dann gerne auch mit schärfer umrissenen Charakterzügen und einem mutigeren Kriminalfall!
«Polizeiruf 110 – Grenzgänger» ist am 20. Dezember 2015 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.