Die Kritiker

«Böser Wolf - Ein Taunuskrimi»

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Regelrecht zerissen wurden die vorherigen Neuhaus-Verfilmungen. Jetzt bekam Regisseur Marcus O. Rosenmüller gleich 180 Minuten Zeit für die nächste Geschichte - und schaffte damit eine faustdicke Überraschung.

Hinter den Kulissen

  • Darsteller: Felicitas Woll, Kai Scheve, Michael Schenk, Harald Schrott, David Rott, Bella Bading, Michael Mendl, Alexandra Finder, Jürgen Tarrach, Karin Hanczewski, Natalia Wörner
  • Buch: Anna Tebbe
  • Regie: Marcus O. Rosenmüller
  • Kamera: Stefan Spreer
  • Schnitt: Claudia Klook
  • Szenenbild: Benedikt Herré
  • Ton: Eckhard Kuchenbecker
  • Licht: Michael Schäfer
  • Musik: Florian Tessloff
  • Kostüm: Susanne Roggendorf
  • Produktionsleitung: Armin Mahr
  • Aufnahmeleitung: Maximilian Renneisen
Anna Tebbe, Marcus O. Rosenmüller, Tim Bergmann und Felicitas Woll mussten für ihre bisherigen Arbeiten am «Taunuskrimi» nach Vorlage von Nele Neuhaus ordentlich einstecken. In Anlehnung an den 2015 gezeigten Fall „Tiefe Wunden“ hieß es in der Quotenmeter.de-Kritik, dass dem Zuschauer bei der Betrachtung eben solche zugefügt würden. Den Fall „Wer Wind sät“ sah unser Redakteur dann sogar eher auf einer ländlichen Theaterbühne als in der ZDF-Primetime. Wumms.

Die Erwartungen – das muss gesagt werden – sind also ganz niedrig gehängt. Die Messlatte vor dem nunmehr sechsten Fall ist so hoch, dass eine Rennmaus sie wohl überspringen könnte. Doch mit all diesem Vorwissen tut man dem Krimi diesmal unrecht. Dass die Bewertung derart positiv ausfällt, ist (auch vor dem Hintergrund der Vorgänger) eigentlich eine faustdicke Überraschung.

Üppig, üppig, aber nicht satt machend


Denn anders als erwartet, zieht sich der diesmal gleich auf 180 Minuten und somit zwei Teile ausgedehnte Kriminalfall nicht wie Kaugummi, der schon nach zehn Minuten im Mund malmig und labbrig wird, sondern besticht durch viele Wendungen und Twists. Marcus O. Rosenmüller, der auch vor der Reihe schon einschlägige Thriller-Erfahrung hatte, schafft es diesmal, die Spannung wirklich über (fast) die ganze Laufzeit hochzuhalten. Der Spaß für den Zuschauer wird auch deshalb erhöht, weil plötzlich die grundlegende Figurenkonstellation funktioniert.

Das grenzt an Magie


Denn bisher litten die Fälle nach Vorlage von Neuhaus auch darunter, dass Pia Kirchhoff (Woll) und Oliver von Bodenstein (Bergmann) miteinander nicht funktionierten. Jetzt plötzlich bekommen die Figuren aber frischen Wind und auch Raum sich zu entfalten, der bisher nicht wie nun genutzt wurde. Freilich kommen die beiden damit noch nicht an andere etablierte Ermittler-Duos heran, es bleibt in diesem Punkt Luft nach oben. Befand man sich bisher aber sprichwörtlich in der Sackgasse, stehen nun praktisch alle Türen für eine gute Zukunft offen.

Bergmann und Woll sind aber nur ein (und vielleicht gar nicht so entscheidendes Puzzle-Teil). Man mag als Beobachter aus der Entfernung schon ein bisschen den Eindruck haben, dass die Macher an den durch viele Medien hinweg vernichtenden Kritiken ganz schön geknabbert haben und es eben diesen Journalisten mit dem XL-Fall «Böser Wolf» zeigen wollten. Der ist nämlich selbst bis in kleine Nebenrollen treffend und vor allem überaus namhaft besetzt, wie etwa David Rott als Pias Schulfreund oder Werner Kreye als Chef eines TV-Senders, zeigen.

In einem PR-Interview erklärte Rosenmüller zudem, das komplette visuelle Konzept der Reihe überarbeitet zu haben. Er hielt das für nötig, weil in «Böser Wolf» zwei so konträre Welten aufeinander prallen. Am deutlichsten wird das erkennbar, wenn man die Szenen im Kommissariät mit früheren Filmen vergleicht. Dann wird man feststellen, dass Rosenmüller die richtigen Entscheidungen getroffen hat.

Das wahre Highlight in diesem Zweiteiler ist aber die Geschichte - weil sie nichts für empfindliche Gemüter ist. Das Entdecken der Leiche eines gerade einmal 15 Jahre alten Mädchens ist der Anfangspunkt der Ermittlungen. Schnell steht fest, dass das Kind über Jahre hinweg brutal, ja fast bestialisch misshandelt wurde. Es wird deutlich, dass eventuell Parallelen bestehen könnten zu einem neun Jahre zurückliegenden Fall, der bis dato noch unaufgeklärt ist.

Tage später wird eine bekannte Moderatorin Opfer einer ebenso brutalen Vergewaltigung, sie überlebt aber. Verletzt. Das führt die Kommissare ins Drogenmilieu, denn ein einst überführter Kinderschänder lebt inzwischen seit seiner Freilassung auf einem schäbigen Camping-Platz, der nicht weit vom Fundort der Mädchenleiche entfernt ist. Alsbald entspinnt sich ein Dickicht um eine geplante Enthüllungsstory der Moderatorin, die dem Rotlicht-Milieu nicht gefallen dürfte, aber für ungemeine Spannung sorgt.

So darf es gerne weiter gehen – doch ein Blick in die Glaskugel sagt, dass es wohl verdammt schwer wird, dieses Niveau zu halten. Nele Neuhaus hat nach „Böser Wolf“ (2012) noch einen siebten Fall mit dem Ermittler-Paar um Pia Kirchhoff verfasst. Er erschien im vergangenen Herbst. „Die Lebenden und die Toten“ hat aber zumindest wenn man den Kundenrezensionen glaubt, nicht die Qualität des Vorgängers erreicht. Das dürfte dann auch verhindern, dass eine mögliche Verfilmung ihr Niveau weiter steigern kann.

Aber mal langsam. Wer vorher noch dachte, die Messlatte liegt so hoch, dass Springmäuse ihren Spaß haben, der wird feststellen, dass sie in Wahrheit so hoch gehängt werden kann, dass ein anständiger Gaul drüber hüpft. Das sind Welten. Und damit sollte man sich dann für diesen Moment auch schon zufrieden geben.

Das ZDF zeigt die beiden Teile von «Böser Wolf» am Montag, 11. Januar und Dienstag, 12. Januar - jeweils um 20.15 Uhr.

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