Hingeschaut

«Ewige Helden»: Nächstes TV-Highlight auf sanften Pfoten

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Auch die neueste Show-Idee von VOX steht wieder für hervorragende Unterhaltung, die sich an leiseren Tönen wagt. Nach einigen Erfolgen in der Vergangenheit für eben solche Inhalte hat sich es das Publikum aber auch verdient, von den Programmplanern ernst genommen zu werden.

Alle Teilnehmer von «Ewige Helden»

  • Triathlet Faris Al-Sultan
  • Boxer Markus Beyer
  • Zehnkämpfer Frank Busemann
  • Biathletin Uschi Disl
  • Weitspringerin Heike Drechsler
  • Stabhochspringer Danny Ecker
  • Fußballer Thomas Häßler
  • Diskuswerfer Lars Riedel
  • Schwimmerin Britta Steffen
  • Snowboarderin Nicola Thost
Wenn man so möchte, kann man VOX mittlerweile als Hort des Niveaus und der Philanthropie unter den drei großen Vertretern der RTL-Gruppe bezeichnen: Legt der große Schwestersender das Genre Musikshow seit Jahren in Richtung einer Zelebrierung von Talentarmut bei gleichzeitigem Profilierungsdrang aus, feiert man selbst Riesenerfolge damit, einfach nur hochrangige Musiker beim Musizieren und Plaudern über ihren Werdegang zu filmen. Sind die quasi einzigen relevanten eigenproduzierten "Serien" bei RTL II damit gefüllt, geistlosen Menschen beim geistlos gescripteten Gebrüll mit anderen geistlosen Menschen zuzuschauen, hat der Sender von Bernd Reichart kürzlich ein Krankenhaus-Format geschaffen, das Millionen Zuschauer emotional tief bewegte, ohne in plumpe Rührseligkeit abzudriften. Natürlich ist nicht alles Gold, was glänzt, aber gerade im Show-Bereich lässt sich doch eine klare Handschrift bei VOX erkennen: Die Marktschreier und Selbstdarsteller kommen anderweitig schon unter, wir zeigen Menschen, die wirklich etwas zu sagen und erreicht haben.

Genau dieser Programmatik folgt nun auch «Ewige Helden», das am Dienstagabend seine Premiere zur besten Sendezeit feierte und acht Wochen lang möglichst große Erfolge generieren soll. Schon im Vorfeld hat es hinter vorgehaltener Hand geheißen, das Format sei eine Art "«Sing meinen Song» für Sportler" und tatsächlich sind Parallelen nicht von der Hand zu weisen: Zehn hochrangige Ex-Sportstars (Liste siehe Infobox oben) reisen gemeinsam nach Andalusien, um dort in einer Art Luxus-Jugendherberge eine schöne Zeit zu verbringen, einander und die Faszination anderer Sportarten kennenzulernen und miteinander in den Wettbewerb zu steigen - denn es gilt, in insgesamt 20 Wettbewerben aus sieben verschiedenen Bereichen die Oberhand zu gewinnen und die Sportler-Kollegen am Ende hinter sich zu lassen.

Die Ähnlichkeiten zu «Sing meinen Song» wurden im Vorfeld oft genug diskutiert, doch beim Betrachten der Sendung fühlt man sich an einigen Stellen auch latent an Bestandteile einer anderen Erfolgsshow erinnert: An «Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!». Und hier lässt sich erneut ein konzeptioneller Gegensatz herausarbeiten: Hier das Dschungelcamp der zumeist gescheiterten und öffentlichkeitsgeilen C-Promis, das dann seine Höhepunkte feiert, wenn sich Kämpferinnen aus Leidenschaft als Fürstinnen der Finsternis entpuppen, dort die gesellige Herberge mit großen Nationalhelden, die bereits ihre Weltklasse unter Beweis gestellt hatten und nun nach einer neuen sportlichen Herausforderung streben. Hier die mitunter entwürdigenden Ekel-Prüfungen, dort die mit Ehrgeiz und intrinsischer Motivation angegangenen sportlichen Herausforderungen, weil man sich gegenseitig zwar sichtlich schätzt und respektiert, es letztlich aber als Teil der eigenen DNA sieht, sich zu duellieren.

Ja, man möchte als Fernseh-Romantiker das Format gleich mögen, wenn man diese zehn sympathischen Sportler sieht, wie sie sich zu Beginn der Sendung gegenseitig beschnuppern und ohne großen Terz ihre Zweier- und Dreierzimmer beziehen. Wie sie auf ihre bewegte Karriere zurückblicken, ohne herablassend über die Werdegänge ihrer Mitstreiter herzuziehen. Doch bei aller Harmonie, die das Format von Beginn an prägt, stellt sich eben doch die Frage: Ist das, was dort gezeigt wird, denn auch abwechslungsreich, dramaturgisch ausgefeilt und spannend genug, um zwei Monate lang die Primetime eines großen Senders zu tragen und dem Business ein weiteres Mal zu signalisieren, dass man auch mit Respekt, Wertschätzung und Authentizität das Massenpublikum zu erreichen, dem so gerne unterstellt wird, ebendies nicht sehen zu wollen?

«Ewige Helden»: Erfolge im Ausland

Das ursprünglich aus Belgien stammende Format erreichte in seiner Heimat bereits 2008 spektakuläre Marktanteile von 30 Prozent, wonach es einen internationalen Siegeszug antrat und zuletzt in Schweden sogar mehr als 60 Prozent verzeichnet hatte. Derartige Zahlen sind für VOX gewiss illusorisch, kommt der Sender doch nur in den seltensten Fällen überhaupt in den zweistelligen Bereich.
Nach Sichtung der ersten Folge lässt sich hierauf tendenziell mit "Ja" antworten. Es wird gewiss kein Feuerwerk der Dramatik und Action abgebrannt, aber durch die verschiedenen Show-Elemente ist durchaus für Abwechslung und eine Balance zwischen ruhigen, emotionalen Momenten des Innehaltens und rasanteren, spannenden Momenten des sportlichen Wettkampfs gesorgt. Die sportlichen Herausforderungen finden jeweils in Form unterschiedlicher Mottos statt, wobei es bei der Premiere um drei Herausforderungen zum Thema "Durchhaltevermögen" geht. Die Protagonisten müssen die Balance halten, während sie mit Wasser übergossen werden, einen möglichst hohen Turm aus Steinen bauen und nach Schlüsseln tauchen und dabei unter Wasser noch Schrauben lösen. Die Spiele sind liebevoll in Szene gesetzt, fassen das Motto allerdings sehr weit - die Validität der Resultate ist also begrenzt, insbesondere bezogen auf die Episodenfrage "wer hat das größte Durchhaltevermögen?".

Spaß macht das Zuschauen hier dennoch, mitunter fühlt man sich sogar ein wenig an aufwändige Spielshows der Marke «Schlag den Raab» erinnert. Doch das zumindest hinsichtlich der Gefühlsbindung zum Gesehenen größte Highlight der Auftaktfolge ist der gemeinsame Videoabend, an dem die Gruppe noch einmal auf Höhe- und Tiefpunkte der Karriere von Star-Schwimmerin Britta Steffen zurückblickt. Man merkt hier so richtig, wie man als Sportinteressierter noch einmal seine eigenen Erinnerungen wachrüttelt, ja sogar richtig mitfieber, als sich Steffen bei Olympia in einem Herzschlagfinale doch noch die Goldmedaille sichert und zur Heldin der Schwimmwelt hochstilisiert wird - um dann nach weniger starken Leistungen einige Jahre später von einem Reporter reingedrückt zu bekommen, dass man "wieder einmal nichts auf die Reihe gekriegt" habe. Man bewundert die Frau in diesen Momenten dafür, wie locker und humorvoll sie darauf reagiert - und kann sich sehr gut ausmalen, wie es ihr ergangen sein dürfte, als sie nicht wie jetzt mit der Gelassenheit der Retrospektive draufblicken konnte, sondern mittendrin in ihrem Karriereherbst war.

Ganz einfach dürften diese Szenen nicht zu bekommen gewesen sein, handelt es sich doch hierbei um Material, das zum allergrößten Teil von den Öffentlich-Rechtlichen stammt. Aber inhaltlich lohnt sich dieser Erwerb voll und ganz, zumal die Redaktion gute Arbeit bei der Verdichtung auf relevante Aspekte leistet. Die Stimmung in dem Zimmer, in dem die Sportler auf die Szenen blicken, ist ebenso schlicht wie sympathisch: Wie eine Großfamilie sitzen sie dort und lauschen Steffen wie einem Familienmitglied, das gerade von seinen Urlaubserlebnissen erzählt.

In Anbetracht der sympathisch interagierenden Truppe mutet es ein wenig störend an, dass ab der kommenden Woche jeweils der in der Punktewertung am schwächsten platzierte Sportler die Sendung verlassen muss. Am Ende der ersten Folge gibt die solide, aber unauffällig agierende Moderatorin Ruth Moschner das so genannte "Night Game" bekannt, das ab Folge zwei zwischen den beiden Letztplatzierten über Erfolg und Misserfolg entscheiden wird. Nicht, dass besagtes Spiel uninteressant klänge, aber schon die Grundidee des Ausscheidens von Teilnehmern ist derart typisch für das TV-Geschäft und setzt auf ein so kalkuliertes Spannungsmoment, dass es nicht so recht zur Sendung passen möchte. Ebenso hätte es ausgereicht, schlicht in den normalen Wettbewerben weiterhin Punkte je nach Platzierung zu verteilen - das Ausscheiden eines Sportlers fühlt sich nach Sichtung von Folge eins irgendwie falsch an.

Wie gefiel Ihnen der Auftakt von «Ewige Helden»?
Sehr gut, ich freue mich schon auf die weiteren Folgen.
65,7%
War in Ordnung, da kann man zumindest mal reinschauen.
18,3%
Ganz mies, das muss ich nicht noch einmal sehen.
3,6%
Habe es (noch) nicht gesehen.
12,4%


Das soll aber nur ein kleiner Kritikpunkt sein in einer Sendung, die alles in allem einen äußerst positiven Eindruck vermittelt und grundsympathisch daherkommt, ohne in pathetischen Sportler-Kitsch abzudriften. Die verschiedenen Bestandteile der Sendung von gemeinsamen Tätigkeiten in ihrem andalusischen Domizil über den berührenden Video-Abenden bis hin zu den spannenden und mit viel Liebe aufbereiteten Wettbewerben erfüllen allesamt ihre eigene Funktion und fügen sich doch zu einem rundum stimmigen Gesamtkonstrukt zusammen, das unterhält, ohne dass die Unterhaltung allzu arg von außen forciert wirkt. Ja, «Ewige Helden» fügt sich qualitativ schon einmal nahtlos in die mittlerweile immer längere Liste starker VOX-Shows ein und hätte einen Quotenerfolg absolut verdient. Ob es den auch geben wird, bleibt allerdings abzuwarten. Vielleicht ist das Publikum ja doch schon übersättigt von hochklassigen Shows am Dienstagabend.

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