So viel Aufmerksamkeit genoss «Anne Will» schon lange nicht mehr. Nicht nur die erreichten über sechs Millionen Zuschauer am vergangenen Sonntag, als Kanzlerin Angela Merkel ihre aktuelle Politik im Fernsehstudio verteidigte, waren spitze – auch die Medienresonanz. Noch Tage danach waren die Statements der CDU-Politikern Grundlage für viele Debatten, Kommentare und Artikel. Will hat ihr somit ohnehin schon hohes Standing als Polittalkerin Nummer 1 noch einmal unterstrichen – und sich damit einmal mehr auch von ihrem Vorgänger Günther Jauch abgehoben. Merkel ging auch schon vergangenen Herbst zu Anne Will, um ihr Handeln in der Flüchtlingskrise zu erklären – und nicht zu Jauch, der damals noch am Sonntagabend zu sehen war. Jauch haftete damals schon das Image an, nicht ganz so seriös wie Anne Will zu sein.
Und ohne Frage: Dass Jauchs Nachfolgerin am Sonntag um 21.45 Uhr auch seine Vorgängerin ist, ist in erster Linie auch ein Richtungswechsel im Denken der ARD-Oberen. 2012, als Jauch startete, waren die Chefs gewillt, die Quoten auf diesem Sendeplatz verbessern. Es könne ja nicht sein, dass eine Talkshow auf dem wichtigsten Sendeplatz nach der wichtigsten Marke der ARD, dem «Tatort», regelmäßig weniger als 50 Prozent des Publikums zum Dranbleiben bewegt. Jauch tat, was man von ihm wollte. Er modernisierte den Sonntagabendtalk, versuchte, die Themen näher am normalen Zuschauer abzuarbeiten. Das brachte ihm in der Tat die besten Zuschauerzahlen auf diesem Sendeplatz seit jeher – aber eben immer wieder auch Kritik, weil letztlich immer ein Hauch Privatfernsehen das Format umgab.
Die Kritik ist nach sieben Sendungen von «Anne Will» am Sonntag vollends verstummt. Die Quotenbilanz spricht derweil aber eine deutliche Sprache. Will, die übrigens selbst auch schon wieder einen Feinschliff in ihrem Format vornahm, in dem sie die Gästeanzahl von anfangs nur vier wieder auf fünf erhöhte, erreicht die Werte ihres Vorgängers nicht mehr. Im Schnitt generierte «Anne Will» seit Mitte Januar 4,20 Millionen Zuschauer ab drei Jahren. Die Tatsache, dass es aber allein fünf Sendungen gibt, die den eigenen Schnitt nicht erreichten, zeigt, dass die mit über sechs Millionen Zuschauern unglaublich erfolgreiche Merkel-Sendung die Werte deutlich nach oben hebt. Rechnet man diese kurz heraus, liegt die durchschnittliche Reichweite der dann sechs Ausgaben noch bei 3,90 Millionen.
Ähnlich verhält sich das bei den Quoten: Die Merkel-Sendung brachte dem Ersten mit über 20 Prozent Marktanteil eines der besten Ergebnisse auf diesem Slot seit längerem – und es hebt den Sendungsschnitt in diesem Jahr auf 13,8 Prozent im Gesamtmarkt. Ohne der Merkel-Sendung käme Will „nur“ auf 12,8 Prozent.
Jauch hingegen holte mit den ersten sieben Ausgaben des Jahres 2016 4,22 Millionen Zuschauer – Merkel sei also aus Sicht von Will gedankt, dass dieses Zwischenfazit quasi remis endet. Das tut es aber nicht ganz. Im Falle von Jauch muss fairerweise gesagt werden, dass in die Auswertung eine Sendung fällt, die deutlich schwächer abschnitt als üblich: Wegen technischer Probleme begann der Talk im Februar 2015 einmal erst nach 22 Uhr, nach einem „Best Of» des Formats. Im Schnitt kam Jauch mit seinen ersten sieben Ausgaben aber auf klar höhere Marktanteile – nämlich auf 14,7 Prozent bei den Zuschauern ab drei Jahren. Und bei den 14- bis 49-Jährigen, die ein Polittalk nie ganz aus den Augen verlieren sollte, ist die Sache sowieso klar. Hier schlägt Jauch seine Nachfolgerin deutlich: Er holte im Januar und Februar 2015 8,2 Prozent in dieser Altersklasse. Anne Will kommt mit ihrem Format derweil auf 6,9 Prozent – wobei der Durchschnitt wegen der während der Merkel-Sendung gemessenen 10,7 Prozent höher liegt als sechs der sieben Ausgaben.
Heißt: Auch hier trieb Angela Merkel die Werte sehr, sehr deutlich in die Höhe. Rechnet man diese heraus, kommt Will auf 6,1 Prozent.
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06.03.2016 12:40 Uhr 1