Zur Person: Hana Geißendörfer
Hana Geißendörfer studierte Volkswirtschaftslehre an der Universität Bristol und absolvierte anschließend ein Masterstudium in Regie an der Internationalen Filmschule in Paris. Dort führte sie unter anderem Regie bei zwei Kurzfilmen, die auf internationalen Festivals liefen und Auszeichnungen erhielten. Daneben wirkte sie als Produktionsleiterin bei mehreren Abschlussfilmen mit. Nach Beendigung der Filmschule inszenierte Hana Geißendörfer ihren dritten preisgekrönten Kurzfilm «Hermann» und war als Regieassistentin in der Film- und TV-Branche aktiv, darunter auch bei der «Lindenstraße». Seit 2015 ist sie Produzentin der ARD-Weekly.(c) ARD-Pressetext
Das vergangene Jahr war für uns alle schon sehr aufregend, das gipfelte dann alles in der großen Live-Folge Anfang Dezember. Ich finde, dass das alles eine ganz neue Energie in unser Team hier vor Ort gebracht hat. Jetzt, also rund drei Monate danach, sind wir wirklich wieder ein bisschen auf dem Boden der Tatsachen zurück, schauen aber auf die vielen spannenden Dinge, die nun vor uns liegen. Mit der «Lindenstraße» jetzt im 31. Jahr weiter zu machen, ist für alle hier eine große Herausforderung – man kann ja nicht immer Mord und Todschlag erzählen, muss aber mit kleineren Geschichten und Alltag trotzdem spannend bleiben. Das Jubiläum hat es uns aber etwas einfacher gemacht, in der Öffentlichkeit für Gesprächsstoff zu sorgen.
Wie eng ist man automatisch mit einer Serie verbunden, die in etwa genauso alt ist wie man selbst?
Ich bin ja in England groß geworden, weshalb die Serie anfangs kaum ein Teil meines Lebens war. Mein Vater hat immer versucht, Arbeit und Privates voneinander zu trennen. Und da man die «Lindenstraße» in England nicht sehen konnte, waren mir Details des Formats lange nicht bewusst.
Das hat sich mit ihrem ersten Praktikum geändert.
Genau, damals, als mich Marie Luise, die Mutter Beimer, sofort am ersten Tag fest umarmte. Sie kannte mich schon, als ich noch ein kleines Kind war. Mir war sofort klar, dass die «Lindenstraße» auch so eine Wohlfühl-Sache ist. Und dann plötzlich erlebe ich die Mutter Beimer in echt – und erkenne, so ist also die Realität mit ihr. Das war toll. Entsprechend gibt es bei mir schon Figuren und Darsteller, die mir richtig ins Herz gewachsen sind.
Fernsehkritiker haben Sie zuletzt für das Erzählen doch recht ungewöhnlicher Geschichten gelobt. Nehmen Sie das Kompliment an?
Vor allem waren es ungewöhnliche Geschichten für die «Lindenstraße». Ich denke da an die Whodunnit-Story, die die Frage beantwortet hat, wer Erich Schiller auf dem Gewissen hat. Es war eine neue Idee, dass das zwar alle wussten, wir aber die Info erst einmal nicht an die Zuschauer weitergeben. Allgemein ist ein solcher Krimi-Plot nicht typisch für eine Serie wie unsere. Aber das ist auch das Tolle an der «Lindenstraße»: Sie macht vor keinem Genre halt. Und das macht so irre viel Spaß.
Wenn wir auf die Quoten blicken: Würden Sie dann sagen, dass der große Hype um den 30. Geburtstag etwas gebracht hat? Oder ist da schon viel wieder verpufft?
Er hat auf jeden Fall etwas gebracht. Trotzdem hätten wir uns gewünscht, dass wir die gute Quote unserer Live-Folge länger hätten halten können. Dennoch sieht man aber, dass die Zuschauerzahlen im Vergleich zu den Jahren 2013 und 2014 steigen. Wichtig ist auch die Betrachtung, dass sich die Nutzung der Serie ändert. Mich freut es immer, wenn Dienste wie Quotenmeter schreiben, wie stark wir bei den Jungen sind. Für diese wird aber die Online-Nutzung, etwa über Mediatheken, immer wichtiger. Mich freut es, wie stark wir bei den Jungen sind. Wir sehen da viele sehr positive Zahlen – zuletzt auch etwa deutliche Steigerungen bei unserem Instagram-Account. Und Instagram ist ja ein Dienst, der eine ziemlich junge Zielgruppe hat. Dennoch bleibt es wichtig, unseren älteren Zuschauern treu zu bleiben, die die «Lindenstraße» nur im klassischen linearen Fernsehen verfolgen.
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Ich habe kein Problem damit, wenn wir verschoben werden, weil Handball läuft. Aber uns komplett aus dem Ersten zu streichen, macht keinen Sinn, weil die ARD doch selbst so unheimlich viel getan hat, um unser Jubiläum zu bewerben. Man hat Geld investiert, gute Presse bekommen, und dann fallen wir einfach aus. Das ist aus meiner Sicht auch einer der Gründe, warum sich der Quotenanstieg nicht konstant fortsetzt.
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Hana Geißendörfer über die zuletzt vielen Ausfälle der «Lindenstraße»
Wir haben festgestellt, dass gerade die Jubiläumsfolge besonders viel Aufmerksamkeit erhielt. Daraus hat sich dann ein Spannungsbogen entwickelt, der aufzulösen war. Dass die ARD dann zwei der wichtigsten Folgen, darunter die Folge, in der der Tod aufgeklärt wurde, nicht im Ersten zeigte, kann ich nicht verstehen. Ich habe kein Problem damit, wenn wir verschoben werden, weil Handball läuft. Aber uns komplett aus dem Ersten zu streichen, macht keinen Sinn, weil die ARD doch selbst so unheimlich viel getan hat, um unser Jubiläum zu bewerben. Man hat Geld investiert, gute Presse bekommen, und dann fallen wir einfach aus. Das ist aus meiner Sicht auch einer der Gründe, warum sich der Quotenanstieg nicht konstant fortsetzt. Die beiden Folgen waren für unsere Story irre wichtig. Man konnte sie im Internet sehen und auch auf Einsfestival, ja. Sie wurden auch dann, eine Woche später, im Ersten gezeigt. Aber am Wochenende nach dem zweiten Ausfall hatten wir morgens 15 Anrufe auf dem Anrufbeantworter. Alle von einer sehr lieben älteren Dame. Sie hat dann nochmal angerufen – und wollte einfach wissen, wie die Geschichte ausging, die sie weder online sehen kann noch davon wusste, dass es diesen Marathon im Ersten gab. Also haben wir ihr die Geschichte am Telefon erklärt. Diese treuen Zuschauer zu halten, ist uns nach wie vor wichtig, weswegen Verschiebungen und Ausfälle so schädlich sind.
Glauben Sie, dass die positive Resonanz auf die inhaltliche Entwicklung der Serie helfen wird, dass die «Lindenstraße» länger läuft als die bisherigen Verträge es festlegen.
Ich hoffe es und ich glaube es auch. Ich bin da positiv gestimmt. Der WDR ist ein starker Partner für uns, der in diesen Wochen auch sieht, wohin man eine starke Marke wie die «Lindenstraße» noch steuern kann. Da ist noch einiges machbar.
Aber Sie hatten in vorherigen Interviews ja auch schon gesagt: Billiger kann man die Serie nicht mehr produzieren.
Das ist ein Problem, das momentan viele Formate betrifft. Weniger kosten, mehr Quote bringen. Wir sind an der Grenze angekommen. Wenn wir noch günstiger produzieren sollen, dann können wir die «Lindenstraße» nicht mehr so machen, wie der Zuschauer sie kennt und will. Wir haben an vielen anderen Serien gesehen, was passiert, wenn man sie zu stark verändern muss. Die «Verbotene Liebe» wurde gekürzt, verlängert, verschoben, musste zum Krimi mutieren … – und am Ende hat man sich keinen Gefallen damit getan.
Worum geht’s in den kommenden Wochen in der Serie?
Jack hat sich durch den Auto-Klau erst einmal in eine schwierige Situation gebracht – das wird noch große Folgen haben. Und ob Klaus mit seiner Whistle-Blower-Geschichte durchkommt, bezweifele ich. Grundsätzlich werden wir 2016 noch zwei sehr große Themen angehen - Transgender und Flüchtlinge - und demnächst auch eine neue und wichtige Figur einführen.
Danke für das Interview.
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