Die Kritiker

Das neue «Cobra 11»: Ben heißt jetzt Paul

von   |  1 Kommentar

Während Semir Gerkhan in der Action-Serie ein 20. Dienstjubiläum feiert, muss er sich wieder an einen neuen Partner gewöhnen. Das fällt diesmal leicht. Die Macher schlagen mit Start der neuen Staffel wieder neue - aber dennoch altbekannte - Wege ein.

Cast & Crew

Vor der Kamera: Erdogan Atalay als Semir Gerkhan, Daniel Roesner als Paul Renner, Katja Woywood als Kim Krüger, Kathrin Heß als Jenny Dorn, Daniela Wutte als Susanne König, Niels Robert Kurvin als Hartmut Freund, Carina Wiese als Andrea Schäfer
Hinter der Kamera: Headautoren Andreas Brune und Sven Frauenhoff, Regie (gesamte Staffel): Franco Tozza, Ralph Polinski, Nico Zavelberg, Produzenten: Herman Joha und Heiko Schmidt. Produktion: action concept
Die RTL-Actionserie «Alarm für Cobra 11» darf sich in diesen Tagen mit Recht selbst auf die Schulter klopfen. Als im März 1996 die allererste Episode des Formats über die Bildschirme flimmerte, wusste wohl keiner der damaligen Zuschauer, dass aus dem damals noch von Polyphon kommenden Format einmal die langlebigste Krimiserie des Landes werden würde. 20 Jahre, 300 Folgen, zwei Serienkrisen deutscher Formate und zahlreiche Darsteller später ist Vieles anders, Manches aber auch gleich. Vor der 300. Folge, die der Kölner Sender nun in Spielfilmlänge zeigt, haben die Verantwortlichen hinter den Kulissen die Karten nochmal neu gemischt.

Was aber gleich bleibt, ist die erstklassige Action, für die die inzwischen für das Format verantwortliche Firma action concept auch über die deutschen Ländergrenzen hinaus bekannt ist. Und natürlich Erdogan Atalay, der seit Folge 2 als Kommissar Semir Gerkhan zu sehen ist und in der Serie eigentlich nicht wegzudenken ist. Und wenn dann nur in einem Showdown, den es so im deutschen Fernsehen bisher nur selten gegeben habe, verriet der Darsteller einst im Interview mit Quotenmeter.de. Soweit ist es aber noch nicht. Stattdessen wird nach nur zwei Jahren der Partner an seiner Seite getauscht. Vinzenz Kiefer, der seit 2014 als Alex Brandt zu sehen war, ist verschwunden und durch Daniel Roesner als Paul Renner ersetzt worden.

Roesner hat gemeinsam mit Action Concept schon einige Projekte verwirklicht, spielte unter anderem in dem nicht in Serie geschickten Piloten «Turbo & Tacho» eine der Hauptrollen. Bekannt wurde er aber – und das ist manchen vielleicht in Vergessenheit geraten – 2006 in der zweiten Staffel der Sat.1-Telenovela «Verliebt in Berlin». Darin spielte er die feste Rolle Luis Rothenburg. Im RTL-Actiondauerbrenner soll mit seiner Figur Paul wieder dorthin zurückgegangen werden, wo man am Ende der Tom-Beck-Ära war.

Das «Cobra 11»-Traumpaar


Semir und Ben Jäger (so hieß die Figur von Beck) – das passte. So sehr, dass Produzent Hermann Joha einst in einem Quotenmeter.de-Interview sagte, es sei das beste «Cobra 11»-Team aller Zeiten. Das soll die Chemie zwischen Semir und Tom Kranich (Rene Steincke) oder auch die zwischen Semir und Andre Fux in den ganz frühen Folgen nicht schmälern. Stattdessen war es quasi eine damals perfekte Ausrichtung der Serie, die mehr und mehr den Humor zum zentralen Element zwischen mitunter hanebüchenen Geschichten und crashenden Autos hatte. Die Faszination des Teams Gerkhan/Jäger erreichte aber in der Tat einen Höhepunkt.

Umso schwerer war er zu ersetzen. Schon nach Tom Kranich hatte sich RTL für einen ungewöhnlichen und eher verschlossenen Charakter entschieden (damals als Hauptdarsteller: Ex-«Rex»-Herrchen Gedeon Burkhard), aber auch nur zwei Jahre durchgehalten. Mit Alex Brandt wiederholte sich das nun. Vielleicht war die Zeit aber auch einfach nötig, denn erst jetzt hat der Zuschauer so viel Abstand zum Team Jäger/Gerkhan, das wieder ähnliche Pfade beschritten werden können.

Faszination Autobahnkommissar


Schöner als in der ersten Viertelstunde der 300. Folge hätte die Jubiläumsgeschichte kaum beginnen können. Die ersten Sequenzen führen die Zuschauer ins Jahr 1996, also quasi an den Anfang der Laufbahn von Gerkhan. Bei einer Verfolungsjagd hat er – wie so oft – einen spektakulären Unfall, den ein kleiner Junge mit ansieht. Der spielt auf dem Gehsteig selbst Autobahnkommissar – so wie es wohl viele kleine Jungs tun, wenn ihnen erlaubt war, mal bei «Cobra 11» reinzuschauen. Dann aber verfolgt der Bub die Gangster und gerät selbst in Gefahr. Erst in letzter Sekunde wird er durch Einschreiten von Semir gerettet. 20 Jahre später ist der einst kleine Junge namens Paul nun der neue Partner des «Cobra»-Urgesteins und mitten in einer spannenden Verfolgungsjagd auf der Autobahn.

Nach Minuten schöner und zugleich schön-sinnloser Action hält RTL für Hardcore-Fans weitere Überraschungen parat. Anlässlich der Feier zum Dienstjubiläum von Semir schaut Anna Engelhard (wieder gespielt von Charlotte Schwab, die schon vor Jahren ausstieg) im Kommissariat vorbei und hält die Dankesrede. Dabei benutzt sie genau die Worte, die RTL über Jahre hinweg im Vorspann gezeigt hat – also „Ihr Revier ist die Autobahn. Unsere Sicherheit ist ihr Job“…

Die Zeiten bleiben aber nicht lange so gut für den größten deutschen Autobahnhelden. Schnell wird klar, dass mit dem Jubilar etwas nicht stimmt. Er hat mentale Aussetzer, klassische Blackouts – immer wieder. Und die kommen nicht irgendwoher, sondern von einem Splitter, der in seinem Kopf steckt. Wohl von einem Unfall viele Jahre zuvor. Entfernt werden könne dieser in einer riskanten Operation, aber das kriege man schon hin, erklärt ein für diese Diagnose seltsam humoriger Mann in weißem Kittel. Für den Verlauf der weiteren Minuten des «Cobra 11»-Films aber viel entscheidender: Damit der Splitter nicht noch mehr Schaden in Semirs Kopf anrichtet, seien Erschütterungen des Körpers gänzlich zu vermeiden und auch der Puls solle unter 120 gehalten werden. Eine moderne Puls-Mess-Uhr, die die Pulszahl groß genug für schöne Kameraaufnahmen anzeigt, gabs quasi gratis mit dazu. Und: Klassische Musik würde helfen, wenn’s im Job mal stressiger wird, bekommt Semir gesagt.

Einfacher gesagt als getan: Denn die Gegner agieren in typischer Manier der Serie. Natürlich sprechen sie nicht Deutsch, sehen ost-europäisch aus, inklusive Stoppelbart. Es geht (mal wieder) um Internet-Kriminalität, und auch wenn die Charaktere Hintergründe erklären, reicht es dem Zuschauer eigentlich zu wissen, dass moderne Technik und Verbrechen irgendwie zusammenhängen. Denn nach allzu langer Erklärung muss der nächsten spektakulären Schießerei mit zahlreichen Schauwerten Feuer Platz eingeräumt werden.

Nein, der eigentliche „Fall der Woche“ dient mittlerweile wirklich nur noch als Brücke zwischen zahlreichen Action-Sequenzen, die die Helden in glänzendes Licht rücken sollen – und so sieht sich Semir auch schneller wieder in seinem Dienst-BMW um die Straßenecken driften, als es ihm lieb wäre. Wer sich darauf einlässt, dass das zu Grunde liegende Drehbuch abzüglich der Action-Parts den ein oder anderen Mängel hat und zu sehr auf schon vielmals durchgekaute «Cobra»-Feindbilder setzt, der dürfte an der 300. Folge dank vieler liebevoller Hommagen an die Serie sehr viel Spaß haben.

Und dennoch sei gesagt: Ob aus dem Duo Gerkhan/Renner ein wirklicher Renner wird, vermag dieser Auftakt noch nicht zu beantworten. Die Chancen mögen vielleicht nicht schlecht stehen, aber Strecke ist dieses aber noch zu beweisen. Und generell gesagt: Die Macher tun gut daran, die Parts der Nebenfiguren wie etwa Hartmut und Jenny weiter auszubauen. Denn es wird nicht immer Semir sein können, auf den sich der totale Fokus legen lässt. Nach Ehe-Krise und nun Gesundheits-Drama hat man dort schon viel abgefrühstückt.

Fazit: Wer mit «Cobra 11» groß geworden ist, wird an vielen Stellen des über 90 Minuten langen Films schmunzeln oder in eigenen Erinnerungen schwelgen. Die XL-Folge „Cobra, übernehmen Sie!“ gibt zudem einen schönen Einblick, in welche Richtung es aus Sicht der Verantwortlichen in den nächsten Monaten gehen soll. Das heißt aber nicht, dass jetzt schon glasklar ist, dass dieses Konzept auch zwingend aufgehen muss. Rein rechnerisch müsste nach einem kurzen Gastspiel an Semirs Seite nun aber wieder ein großer Wurf gelungen sein.

Die neue «Cobra 11»-Staffel startet am Donnerstag, 7. April um 20.15 Uhr mit einer Episode in Spielfilmlänge.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
04.04.2016 12:51 Uhr 1
Und schon wieder ein neuer Schönling an Semir's Seite!! Haben die nur noch Schönlinge beim Casting??
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