Die Kritiker

«Humans»: Singularität in Serie

von   |  2 Kommentare

Die am Donnerstagabend bei RTL Crime anlaufende britische Serie zeigt eine nicht allzu ferne Zukunft - und scheut sich dabei nicht, auf der zweiten Ebene allerhand existentielle Fragen zu stellen.

Freuen Sie sich auch schon so auf die Singularität, wenn künstliche Intelligenz sich selbst verbessern wird, vielleicht ein Bewusstsein entwickeln und der menschlichen in jedem Sinne haushoch überlegen sein? Wenn die anthropologische Grenze zwischen Mensch und Maschine nicht mehr klar gezogen werden kann oder vielleicht völlig negiert werden muss?

Selbst die technooptimistischsten Experten wie Ray Kurzweil gehen davon aus, dass es bis zu diesem Punkt noch einige Jahrzehnte hin sind. Die englische Serie «Humans», deren acht Folgen umfassende erste Staffel vergangenes Jahr beim öffentlichen Sender Channel 4 gezeigt wurde und ab Donnerstag bei RTL Crime ihren Weg ins deutsche Fernsehen finden wird, setzt die Schwelle zur Singularität dagegen in die Jetzt-Zeit.

In «Humans» haben humanoide Roboter, Synths genannt, schon seit Längerem zahlreiche Aufgaben des Alltags übernommen, als Haushaltshilfen, in der Pflege und in zahlreichen Funktionen im Niedriglohnsektor, vom Apfelpflücken bis hin zur Prostitution. Weltweit sind viele Millionen von ihnen im Einsatz, mit großem Erfolg. Die Anschaffungskosten sind auch für englische Familien aus der Mittelschicht erschwinglich, erzählt am Beispiel der Hawkins. Eingeleitete Nebenhandlungsstränge: In der Ehe der Eltern kriselt es, weil Mutter Hawkins viel beruflich unterwegs ist und der Anschaffung eines Haushaltshilfen-Synths skeptisch gegenübersteht. Kind Nummer Eins sieht in der humanoiden Robotern eine schreckliche Bedrohung des gesellschaftlichen Ist-Zustandes und würde das Modell ihrer Eltern (zunächst) am liebsten vernichten, Kind Nummer Zwei entwickelt einen Crush auf das Anita getaufte Gerät und das Nesthäkchen schätzt die viele Zeit, die der Familien-Synth ihr mit Vorlesestunden widmet.

Was so gut wie niemand mitbekommt: Einige Synths haben mittlerweile ein Bewusstsein entwickelt und sind keine seelenlosen Maschinen mehr, auch wenn ihre Hersteller und andere Industriekonglomerate das leugnen, um ihre Geschäftsmodelle (und nebenbei die gesellschaftliche Stabilität) nicht zu gefährden. Hinter verschlossenen Türen werden schon Albtraumszenarien durchgedacht oder angedeutet: Was wenn alle Synths ein Bewusstsein entwickeln, mehr sein wollen als automatisierte Nutten oder Haushaltshilfen und mit ihren intellektuell dem Menschen weit überlegenen Kapazitäten die Möglichkeit haben, das auch durchzusetzen?

«Humans» entscheidet sich dabei gegen den Weg von «I, Robot». Eine Revolution der Maschinen bleibt aus. Das ermöglicht eine ernsthaftere Begegnung mit dem Thema Singularität – eine, die trotz Überspitzungen und Allgemeinplätzen vielleicht gar nicht so weit hergeholt ist. Zumindest eine Welt, in der (wenn auch nicht humanoide) automatisierte Entitäten allerhand Aufgaben übernehmen, die bisher menschlichen Mitarbeitern vorbehalten sind, und das in einer Breite und Schlagzahl, die unsere bestehende Arbeitswelt, unser Wirtschaftssystem und damit auch unsere tiefgreifenden gesellschaftlichen Strukturen ernsthaft infrage stellen könnten, scheint gar nicht so weit entfernt.

Mit «Almost Human» und «Minority Report» haben in den letzten Jahren zwei mit hohem Production Value produzierte amerikanische Serien einen Blick in die Jahre 2048 und 2065 geworfen – und sind beim Publikum krachend durchgefallen. Die Geschichten beider Formate waren aber noch ein deutliches Stück mehr outlandish als der grundlegende Plot von «Humans», auch wenn die Channel-Four-Serie sich ebenfalls nicht immer scheut, jenseits der Grenze des Plausiblen zu erzählen. Dennoch funktioniert der Suspence of Disbelief, die willentliche Ausschaltung des Unglaubens im Kopf der Zuschauer, hier müheloser, organischer.

Da man sich narrativ, so gut das eben geht, auch eher auf die phantasiereiche und dennoch nicht zu unlogisch-abgefahrene Welt von Morgen konzentriert denn auf zu rührselige oder ambitionsfreie Außenherum-Emotionalisierung, reflektiert die Serie auf erstaunlich hohem Niveau die Möglichkeiten und Grenzen neuer Technologien und Automatisierungen, ohne in ewig gestrige Technopanik oder einen blauäugigen Technooptimismus zu fallen. Gesellschaftliche Umwälzungen gehen nicht ohne Friktionen vonstatten, automatisierte, dem eigenständigen Denken nahe Roboter ermöglichen ein komfortables Leben, aber eben ein ungewohntes, und eines, das nicht frei von einschlägigen Gefahren ist. «Humans» versucht nicht nur, diese abstrakten Gedanken in ein konkretes, allegorisches und anschauliches Zukunfts-Szenario zu verweben und diese Geschichte möglichst mitreißend zu gestalten, sondern diskutiert auch eine so griffige wie sinnige Palette an Pros und Contras, Chancen und Risiken – und das, ohne zu einem didaktischen Lehrstück zu degenerieren.

Bloß nicht den Stecker ziehen!

RTL Crime zeigt acht Folgen von «Humans» donnerstags ab dem 11. August um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/87328
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Es gibt 2 Kommentare zum Artikel
Nr27
08.08.2016 14:53 Uhr 1
Man sollte zumindest erwähnen, daß es sich um ein Remake der schwedischen Serie "Real Humans" handelt, die hierzulande u.a. bei arte lief.
Zepperich
16.08.2016 12:15 Uhr 2
Tolle erste Folge. Persönlich gefällt mir die Gestaltung der Synths im Remake auch besser als im Original. Im Original wirken diese meist deutlich puppenhafter. Das Remake ist auch nicht ganz so trashig. Gefällt mir besser.
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