Die jüngste «Tatort»-Vergangenheit
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Das sagt jedoch nicht nur etwas über den anhaltenden Erfolg der Reihe aus, sondern auch über ihre Zuschauer, über ihre Präferenzen, vielleicht auch über ihre Weltsicht: nicht selten etwas biedere Krimis mit Ermittlern, die oft ein bisschen von gestern sind. Mordfälle, herumgeschrieben um soziale Brandthemen, die dann lieber populistisch als diskursiv verhandelt werden. Und eine Welt, deren Ordnung am Schluss ausnahmslos wiederhergestellt wird, nachdem der Schuldige ermittelt und seiner gerechten Strafe zugeführt worden ist.
Es gibt Brüche in diesem etwas klischeehaften Leitbild: Den Meta-Krimi aus Wiesbaden zwischen den Jahren zum Beispiel, oder die herausragenden Einzelstücke aus Köln und Konstanz – ausgerechnet zwei «Tatort»-Metropolen, die in der Vergangenheit nicht durch spannende Plots, einnehmende Figuren oder innovative Erzählweisen aufgefallen sind, sondern durch deren Gegenteil: Behäbigkeit, das formstarre Abspulen ideenarmer Handlungsversatzstücke, schemenhafte Dialoge, auserzählte Charaktere. Die vergangene Saison hat gezeigt: Auch mit uralten Rollen lassen sich noch spannende Geschichten erzählen, wenn man denn den richtigen Zugang zu ihnen findet. Dass «Kartenhaus» und «Rebecca», so die Titel der beiden Ausnahme-Folgen, mit die besten Einschaltquoten am ARD-Sonntagabend eingefahren haben, zeigt, dass auch der vermeintlich Gewohntes bevorzugende Zuschauer auf diesem Sendeplatz solche neuen Ansätze zu schätzen – und zu honorieren – weiß.
Einstige Eckpfeiler der Innovation innerhalb der «Tatort»-Marke haben dagegen weiter abgebaut: Die einst mit erstaunlicher narrativer Dichte und psychologischer Komplexität erzählte Dortmund-Reihe ist zu einem Sammelsurium des Beliebigen geworden, zum Durchschnitt des Durchschnitts, weit unter den ehemaligen Ansprüchen. Und die Wiener Kollegen Eisner und Fellner, die einmal mit erstaunlicher Schonungslosigkeit Themen wie organisierten Kindesmissbrauch und gefährliche Seilschaften im Land der Berge angegangen sind, begnügen sich nun mit diffusen Allerweltsstoffen um Intrigen in Casting-Shows und fahrig heruntergeschriebenen Episodenhauptrollen mit nicht näher klassifizierbaren küchenpsychologisch erzählten kognitiven Fehlfunktionen.
Es klingt ein bisschen wie verkehrte Welt: Aber wenn die ehemaligen «Tatort»-Spitzenmetropolen Dortmund und Wien von den ehemaligen Krimi-Entwicklungsstädten Köln und Konstanz lernen würden, wäre viel gewonnen.
Es gibt 9 Kommentare zum Artikel
19.08.2016 12:54 Uhr 1
19.08.2016 13:21 Uhr 2
Widersprechen kannst du natürlich, aber schieb es nicht auf den Berufsstand, erst recht, wenn die Meinung eben nicht exklusiv bei Kritikern zu finden ist.
In der von Usern bestimmten Rangliste aller "Tatort"-Folgen bei "Tatort-Fundus" liegt die Episode "Hundstage" aus Dortmund auf Rang 505. Zum Vergleich: Der Vorläufer "Kollaps" auf Rang 388, dessen Vorgänger "Schwerelos" auf 634. So weit, so nah beienander. Aber zuvor? "Hydra" auf Rang 45, "Auf ewig Dein" auf Platz 56. Ein klares Hoch, das die Reihe da hatte. Davor wiederum: "Eine andere Welt" auf Rang 451, "Mein Revier" auf Platz 482 und "Alter Ego" auf Platz 588.
In den Augen dieser User gab es also einen klaren Aufwärtstrend, der nun wieder rückgängig gemacht wird. Dem muss man keineswegs zustimmen! Aber was soll man da antworten, wenn man dem nicht zustimmt? "Das können ja nur Zuschauer schreiben" wohl kaum ...
19.08.2016 13:25 Uhr 3
Sorry sid, dann überlege ich mir demnächst was besseres, ok??
Ich fand Hundstage und Kollaps sehr gut!! Du kannst das Sehverhalten aller Zuschauer aber nicht grundsätzlich von Umfragen abhängig machen!
Siehe die imdb, was wir schon mal hatten: da liegen Filme in der Top 10 oder Top 100, die fast nur Männer in den End Zwanzigern abgestimmt haben!
19.08.2016 13:48 Uhr 4
Klar, ich wollte auch nicht suggerieren, "Tatort-Fundus" sei nun repräsentativ. Muss es auch nicht sein. Aber die Masche "Ich teile die Meinung nicht, also ist sie falsch weil " ist halt auch was wackelig, da beliebig. Manche Zuschauer finden, das Team in Dortmund hat nachgelassen, und manche von denen sind Kritiker und andere nicht ...
Entschuldigung ist aber angenommen.
19.08.2016 14:47 Uhr 5
Kurz vor Schluss heißt es: "Der Krimi aus Wiesbaden wurde allein auf einem Treatment basierend gefilmt, also ohne konkretes Skript."
Es handelt sich richtigerweise aber nicht um den in Wiesbaden, sondern den in Ludwigshafen mit "Lena Odenthal".
19.08.2016 16:56 Uhr 6
19.08.2016 19:04 Uhr 7
19.08.2016 20:26 Uhr 8
19.08.2016 22:43 Uhr 9