Die Kino-Kritiker

«Salt and Fire»

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So wie selbst ein blindes Huhn mal ein Korn findet, versagt selbst eine lebende Regielegende darin, einer Geschichte von Salz und Feuer die nötige Würze zu verleihen: Werner Herzogs «Salt and Fire» ist Arthouse-Ausschussware.

Filmfacts «Salt and Fire»

  • Regie: Werner Herzog
  • Produktion: Michael Benaroya, Pablo Cruz, Werner Herzog, Nina Maag
  • Drehbuch: Werner Herzog; basierend auf "Aral" von Tom Bissell
  • Darsteller: Michael Shannon, Veronica Ferres, Gael García Bernal, Anita Briem, Volker Michalowski, Lawrence Krauss
  • Musik: Ernst Reijseger
  • Kamera: Peter Zeitlinger
  • Schnitt: Joe Bini
  • Laufzeit: 98 Minuten
  • FSK: ab 6 Jahren
Werner Herzogs Filmschaffen durchläuft seit einigen Jahren einen ungewöhnlichen Wandel – es ist so, als würden die beiden Seiten des Regisseurs ihre Charakteristika tauschen. Waren seine Spielfilme in Herzogs Blütezeit von einem rauen Realismus geprägt, der davon zehrte, dass Herzog seine Darsteller ähnliche Qualen durchleiden ließ wie seine Figuren, so waren seine größten Dokumentarfilme doppelbödig, gezielt gekünstelt und philosophisch. Derzeit nehmen Herzogs Dokumentationen hingegen eine zunehmend direktere Form an, während seine fiktionalen Arbeiten an Stringenz verlieren.

Per se ist dies schlicht ein Stilwechsel und somit wertfrei zu betrachten – die unmittelbare 3D-Dokumentation «Die Höhle der vergessenen Träume» und der moralische Haken schlagende Thriller «Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen» zeigen, dass der „neue“ Herzog nicht minder interessant ist als der „alte“. Herzogs jüngster Film, ein Drama namens «Salt and Fire», das seitens des Verleihs bevorzugt als Öko-Thriller bezeichnet wird und in Wahrheit wohl einfach nur eine knochentrockene Fingerübung darstellt, zeigt hingegen: Selbst ein Werner Herzog greift mal daneben. Und das nicht einmal auf eine faszinierende, da an hohen Ambitionen scheiternde Art. Sondern ganz unzeremoniell mit einer langweiligen, zerfasernden, mies gespielten Handlung, die mühselig einen soliden Kurzfilm auf abendfüllende Länge zerrt:

Ein unter steter Hitze leidendes, ungenanntes (ganz klar Bolivien darstellendes) Land: Die renommierte Professorin Laura Sommerfeld (Veronica Ferres) soll im Auftrag der Vereinten Nationen gemeinsam mit ihrer Wissenschaftlerdelegation (Gael García Bernal und Volker Michalowski) die Ausmaße einer drohenden Umweltkatastrophe analysieren. Denn im Landesinneren breitet sich der Salzsee „Diablo Blanco“ dramatisch aus – währenddessen droht zudem der Supervulkan Uturunku, auszubrechen. Doch Sommerfeld wird vom nachdenklichen Unternehmer Matt Riley (Michael Shannon) entführt, der sie letztlich in der kargen Salzwüste aussetzt …

Basierend auf einer von ihm heftig umgeschriebenen Kurzgeschichte setzt Herzog seinem Publikum in «Salt and Fire» zunächst einmal einen Wust aus ungelenken Dialogen vor, die das weltfremd agierende Ensemble abwechselnd im Flüsterton oder laut keifend in den Raum wirft. Bernal bekommt die undankbare Aufgabe, einen hölzernen Expositionsmonolog abzuhalten, der ohne jede Subtilität die Vorgeschichte der Handlung zusammenfasst. Shannon muss zusammenhangslos zwischen bedrohlichem Zetern und steifen, bedeutungsschwangeren Monologen chargieren, ohne dass seine Rolle je wirklich furchteinflößend wird oder seine dahingeschwafelten Gedanken an Bedeutung gewinnen. Der echte Wissenschaftler Lawrence Krauss derweil gibt eine Wissenschaftler-Witzfigur, die wie der zugekokste Zwillingsbruder von Prof. Frink aus «Die Simpsons» anmutet – und die über Motive wie Aliens und Zeitreisen quasselt, die ebenso schnell verpuffen, wie sie ihm aus dem Mund sprudeln.

Nachdem eine schleppende Rückblende zudem aufgezeigt hat, wie Sommerfeld in Rileys Gefangenschaft geriet, werden Bernal sowie Michalowski (in einer völlig überflüssigen Rolle) mit der Erklärung, ganz böse Dünnpfiff zu haben, rausgeschrieben. Einige dissonante Lektionen über Salzwüsten später, landet die von Ferres in einer ungeheuerlich platten, monotonen Stimmlage sowie mit behäbiger Mimik gespielte Professorin endlich in der gleißend weißen Hölle. Dort wächst der zuvor stümperhaft ausgeleuchtete, ohne jeglichen narrativen Rhythmus geschnittene Film hinsichtlich seines Kunsthandwerks endlich auf ein annehmbares Niveau heran:

Kameramann Peter Zeitlinger («Begegnungen am Ende der Welt») ringt dem Drehort Salar de Uyuni eine surreal-poetische Schönheit ab. Und selbst wenn die zwei Kinderdarsteller, deren Figuren gemeinsam mit Sommerfeld in der Wüste gestrandet sind, ihre Unlust überdeutlich vorführen, so hat das wortkarge Zusammenspiel zwischen Wissenschaftlerin und unbedarften Seelen einen verqueren Reiz. Aber das ultratrockene Semivergnügen ist nur von kurzer Dauer: Die mit dem Holzhammer nachgereichte Erklärung des Geschehens reißt jegliche Interpretationsmöglichkeiten mit der Gewalt einer Vulkaneruption ein.

«Salt and Fire» ließe sich schönreden als Experiment Herzogs, mit den Kinogängern das anzustellen, was Riley mit Sommerfeld treibt. Doch die Symbiose von Form und Inhalt beschönigt nicht, dass ein prägnanter, durch genervte Kinderdarsteller und eine gestelzt spielende Ferres von Lebendigkeit befreiter, wenngleich nachdenklich stimmender 15-Minüter durch das antrieblose Laientheater um ihn herum entwertet wird.

Fazit: Wenn der Herzog sein Publikum mit der bäuerlichen Vorstellung davon, was Kunstkino bedeutet, in die Salzwüste schickt: Veronica Ferres ist so schlecht wie nie zuvor – und auch Regielegende Herzog hat Dutzende bessere Filme in seiner Vita.

«Salt and Fire» ist am 8. Dezember 2016 in ausgewählten Kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/89818
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