Die Kritiker

«Frau Temme sucht das Glück»

von   |  1 Kommentar

In der neuen ARD Serie sucht eine Versicherungsangestellte ihr Glück nur gelegentlich abseits der altbekannten Klischees nach Erfüllung.

Cast & Crew «Frau Temme sucht das Glück»

  • Regisseur: Fabian Möhrke
  • Besetzung: Meike Droste, Martin Brambach, Ronald Kukulies, Sebastian Schwarz und Anna Blomeier.
  • Headautor: Benedikt Gollhardt
  • Kamera: Bernhard Keller
  • Musik: Siggi Müller, Jörg Magnus Pfeil
Spätestens seit «Stromberg» versucht das deutsche Fernsehen, Versicherungsunternehmen als eine Art skurrilen Lieblingsarbeitsplatz zu verkaufen, an dem immer etwas los ist. Im Falle von «Frau Temme sucht das Glück» macht es zumindest für die Hauptfigur Sinn. Denn die titelgebende Frau Temme (Meike Droste) ist Versicherungsmitarbeiterin, die für die Risikoanalyse von potenziellen Neukunden zuständig ist. Auch sonst gestaltet sie ihren Alltag so sicher wie möglich und schließt jedes Risiko und jede Abweichung von der Norm mittels statistischer Berechnungen aus.

Darüber hinaus führt sie regelmäßig Tagebuch, aber sie nennt es ein persönliches Lexikon. Ein einfaches und beliebtes Drehbuchmittel, um möglichst schnell die notwendigsten Hintergründe und Charaktere der kommenden Serie vorzustellen, auch wenn es meistens nicht wirklich einfallsreich ist. Frau Temme, Carla mit Vornamen, ist bei diesem Lexikon bei dem Buchstaben „G“ angekommen. „G“ wie „Glück“ - und schon ist der Titel der neuen Drama-Komödie („Dramedy“ auf neuenglisch) hergeleitet.

Nach einer kurzen Kalkulation stellt sie jedoch fest, dass Glück gar nicht so schnell zu finden ist. Was bedeutet Glück überhaupt? Ist es überhaupt ein Dauerzustand oder wechselt es sich mit Tragik und Trauer ab? Hätte jeder den Pixar-Film «Alles steht Kopf» gesehen, so wie es sich gehört, würden sich solche Fragen gar nicht erst stellen. Aber Pixar-Psychologie beiseite, die Glücksstatistik sieht nicht allzu rosig aus. Zumindest nicht, wenn man in den vorgefertigten Kategorien Liebe, Partner, Ehe, Karriere und eine Arbeit, von der man gut sowie dauerhaft leben kann, denkt. Antworten darauf gibt es in der ersten Episode zumindest nicht. Aber Frau Temme hat ja zunächst auch einen Job zu erledigen.

Dieser gestaltet sich allerdings gar nicht so einfach und nimmt immer skurrilere Züge an: Zum Beispiel möchte ein Mann eine 30 Millionen Euro Lebensversicherung abschließen, weil er fürchtet, dass ihm gefrorene Hühnchen auf den Kopf fallen könnten. Mit diesem Wunsch kommt er der Rheinischen Versicherung gerade recht. Diese steuert nämlich gerade just in diesem Moment ein neues Geschäftsmodell an: Weil die Menschen immer weniger Lebensversicherungen abschließen, gibt es eine genial-bekloppte, aber in Wirklichkeit nur bekloppte Idee. Jeder Mensch, der durch die Tür kommt, egal wie unsinnig seine oder ihre Idee ist, soll irgendwie versichert werden. Frau Temme ist damit gar nicht einverstanden und auch ihr Kollege Horst Ballsen (Ronald Kukulies) möchte keine gutgläubigen Menschen über den Tisch ziehen. Allerdings könnten beide auch ihren Job verlieren.

Für das fragwürdige Konzept verantwortlich zeigt sich der international studierte und extra-schleimige Frank Weber (Sebastian Schwarz), von dem alle in der Chefetage wegen seiner Ansammlung von tollen Lebenslauf-Daten begeistert sind, der aber viel an Moral und menschlichen Anstand vermissen lässt. Das ist eine Durchaus interessante Prämisse, die sich mit gleich mehreren Dilemmas beschäftigt, ob diese auch plausibel oder realistisch ist, sei einfach mal beiseitegeschoben. Denn es ist schwer glauben, dass solche Menschen wirklich in einer Versicherung arbeiten. Trotzdem ist es durchaus nette Spannung, die sich zwischen den beiden Polen „unstillbarer Ehrgeiz und Geldgier“ und „moralische Verpflichtung gegenüber dem Kunden“ aufbaut. Das hört sich zunächst nach einem spröden Drama an, aber solche Themen können auch komödiantisch verarbeitet werden und sind leider viel zu selten im Komödien-Einheitsbrei zu sehen.



Themen, die außerdem hoffentlich noch in zukünftigen Episoden weiter ausgebaut werden, denn dazwischen hängt leider die ein oder andere schablonenhafte und wenig ausgearbeitete Figur: Carla Temmes Schwester Hannah (Anna Blomeier) ist eine Chaotin, wie sie im Klischeebuche steht. Sie bekommt ihr Leben kaum geregelt und betrügt auch noch die Rheinische Versicherung, ohne Rücksicht auf ihre Schwester. Dann wäre da noch der schwedische Ladenbesitzer Mikael Swenson (Richard Ulfsäter), der Handys und alte Plattenspieler verkauft und sich gegen gar nichts versichert. Und weil er sich für einen totalen Freigeist und für total locker hält, brettert er mit 75 km/h durch die beruhigten Verkehrsgebiete Kölns, oftmals auch ohne so genau auf die Straße zu achten. Aber egal für wie cool und clever man sich hält, manchmal ist so ein Verhalten einfach dumm (persönliche Anmerkung des Kritikers). Es ist nicht schwer auszumalen, wo das Ganze hinführt. Der Chaoten-Schwede dient natürlich als romantischer Gegenentwurf zur kühl-kalkulierenden Versicherungsangestellten. Denn leider scheint es auch eine Klischeekrankheit vieler Komödien zu sein, immer wieder zwanghaft und sofort einen romantischen Subplot in das Geschehen zu quetschen.

«Frau Temme sucht das Glück» ist mehr oder weniger eine sentimentale Dramedy, versucht sich also an einem Spagat zwischen Comedy und Drama. Allerdings hat die Serie in ihrer ersten Episode noch zu wenig von beidem zu bieten. Ein wenig nette, positive und wohlgesonnene Unterhaltung hat sicher noch niemanden geschadet. Und auch ein gewisses Maß an Sentimentalität kann tut nicht weh. Ganz im Gegenteil, gerade hier liegt oftmals die Stärke dieser ersten Episode. Allerdings fehlt es noch ein wenig an Biss, Wortwitz und dem entsprechenden Timing.

Fazit: «Frau Temme sucht das Glück» ist eine durch nette Komödienserie mit ein wenig Herz und einer potenziell interessanten Hauptfigur und mit einer ebenso interessanten Hauptdarstellerin. Allerdings verheddern sich viele der anderen Charaktere und Handlungsstränge in etwas überzogenen Klischees.

Das Erste zeigt «Frau Temme sucht das Glück» das erste Mal am Dienstag, den 24. Januar, um 20.15 Uhr.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Traber
24.01.2017 00:00 Uhr 1
Martin Brambach geht bei mir immer.

Bringt mich immer wieder zum schmunzeln,

oft sogar zum lachen, und das schaffen nicht so viele.

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