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Deutsche Fiction 2017: Laues Lüftchen statt Aufwind?

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RTL geht in Sachen eigenproduzierter Fiction mutig voran und auch Sat.1 nimmt sich wieder eigenen Serien an. Der Rest der Privatsender zeigt sich recht uninspiriert. Was TV-Zuschauer 2017 erwartet.

„Ich wundere mich auch hin und wieder über die Wahl, aber: Der Wurm muss dem Fisch schmecken und nicht dem Angler“, erklärte 1990 der damalige RTL-Chef Helmut Thoma. Und wenn Helmut Thoma zu dieser Zeit Dinge gesagt hat, dann haben Fernsehschaffende ganz genau hingehört, schließlich machte Thoma aus RTLplus, dem heutigen RTL, ab dem Beginn des dualen Rundfunks Anfang 1984 schnell zum erfolgreichsten und profitabelsten Anbieter im Privatfernsehen. Kritik aufgrund der häufig eigentümlichen Wahl der Formate sah er sich trotzdem ausgesetzt. Ihm konnte es egal sein, das Publikum biss. Noch heute handelt das Privatfernsehen nach dieser Maxime und das muss es auch, schließlich geht es bei den Privaten noch immer vorranging um Gewinnmaximierung, während die Profitabilität seit Jahren sinkt.

So lautet die wohl einleuchtendste Erklärung dafür, dass die deutsche Fiction, insbesondere Serien, in den vergangenen Jahren einen Teufelskreis durchliefen: Neue Ideen, zarte Versuche, hauptsächlich Misserfolge, weitere zarte Versuche und wieder schmeckte es nur einem kleinen Publikum. Auch was vom Weg der großen Sender im Jahr 2017 bekannt ist, lässt zum aktuellen Zeitpunkt nicht darauf schließen, dass sich im Bereich der Fiction kollektiv ein Herz gefasst wird – zu groß ist die Angst vor dem nächsten Flop. Doch man will sich auch im neuen Jahr in diesem dennoch elementaren und über Sendergrenzen hinaus recht unbeackertem Feld wieder ausprobieren. Zarte Versuche eben.

Fiction-Vorstoß: RTL macht’s vor


Den größten Optimismus bringt dieser Tage RTL mit. Neben einigen Eventfilmen, die RTL Jahr für Jahr passable Zahlen einbringen, schaut der Kölner Sender auf eine recht stattliche Liste an Serienleichen zurück, mit denen RTL meist am Donnerstagabend auf Quotenfang ging. An «Doc meets Dorf», «Die Draufgänger» oder «Transporter – Die Serie» werden sich dieser Tage die Wenigsten erinnern, lediglich «Alarm für Cobra 11» sorgte für Konstanz. Doch letztlich bekam RTL das, wonach es Jahre lang geduldig suchte: Einen Serienhit, gefunden in «Der Lehrer». Nach einem holprigen Start und einem ersten Test im Jahr 2009 wirft «Der Lehrer» in seiner derzeit laufenden fünften Staffel längst großartige Zahlen für RTL ab. Damit hält der Marktführer in der Zielgruppe nicht nur eine von sehr wenigen deutschen Serien, die bei den Zuschauern ankommen, sondern auch ein Format, das als Sprungbrett für weitere Produktionen fungieren kann.

Einen beeindruckenden Satz machte zum Start gleich «Mada macht das schon», das als Teil einer Serienoffensive RTLs Fiction-Jahr einläutete und im Fahrwasser von «Der Lehrer» am Donnerstagabend schon auf ausgezeichnete Werte kommt. Einige weitere Sitcoms warten ebenfalls schon auf ihre Chance und auch sechs Drama-Serien schickte RTL vergangenen Herbst in Pilotproduktion. Die positiven Erfahrungen veranlassten RTL nun sogar zu einer großen Serienausschreibung. Nicht nur der Donnerstag soll künftig Serien beheimaten, auch genretechnisch gibt man sich offener. Neben Comedy-Halbstündern dürfen es bald auch einstündige Dramen sein – «Deutschland 83» verhalf RTL damit zwar nicht zu tollen Quoten, allerdings zu höherem internationalen Rennommee. Mit eigenproduzierten Spielfilmen machte RTL zuletzt sowieso gute Erfahrungen: «Duell der Brüder – Die Geschichte von Adidas und Puma» entwickelte sich zum absoluten Publikumshit, zusammen mit «Winnetou» heimste RTL einige Nominierungen für den Deutschen Fernsehpreis ein.

Nur eine deutsche Serie neben «Der Lehrer» darf sich sonst noch einen Erfolg nennen. VOX verzeichnet seit nun schon zwei Jahren großartige Zahlen mit «Club der roten Bänder», der Adaption einer in den USA gescheiterten Drama-Serie. Ein herausragender Erfolg für VOX, das mit der Bantry Bay-Produktion zeitweise die große Schwester RTL überflügelte. VOX‘ Ambitionen in Sachen deutscher Fiction hat es jedoch nicht in neue Höhen gehoben, 2017 soll Schluss sein mit «Club der roten Bänder». Zuträglich wird auch nicht die unterirdische Performance des Einkaufs «Weinberg» gewesen sein, die VOX von Pay-TV-Sender TNT Serie erwarb. VOX sieht seine Stärken weiterhin eher im Bereich Factual, Reality und Doku-Soap.

Mit RTL stellt die RTL-Gruppe ja ohnehin einen Sender, der sich nun stärker der deutschen Fiction verschreibt, wodurch andere Programmfarben auf den Schwestersendern mehr Sinn machen – schließlich will man sich nicht innerhalb einer Senderfamilie Konkurrenz machen. Komplementärpositionierung nennt sich das im Fachjargon. Daher geraten auch die Pläne von RTL II in diesem Bereich eher dünn bis speziell. Nach den Quoten-Flops «Gottlos» und «Neandertaler» ziehen sich die Grünwalder wieder zurück, eine Ausnahme wird «Es war einmal…auf Ibiza» darstellen – eine Märchen-Nacherzählung in zeitgemäßer Form. Mit Selfie-Soaps experimentierte RTL II außerdem bereits im Rahmen von RTL II You. Die Ergebnisse der Ausflüge ins Hauptprogramm sorgten jedoch bislang für gemischte Gefühle. Scripted Realities stehen weiterhin im Fokus.

Sat.1 will es wieder wissen, ProSieben hält sich weiter raus


Bei ProSiebenSat.1 steht man deutscher Fiction aufgrund einiger Fehlschläge weiter misstrauisch gegenüber. Eine kleine Serientradition hatte Sat.1 noch vor wenigen Jahren mit den beliebten Formaten «Der letzte Bulle» oder «Danni Lowinski». Nach Misserfolgen wie «Josephine Klick» oder «Frauenherzen» nahm Sat.1 ab 2015 Abstand von eigenproduzierten Serien. Daher beschränkte man sich im vergangenen Jahr auf Spielfilme. Während die meisten „FilmFilme“ am Dienstagabend blass blieben, durfte Sat.1 immerhin über das Abschneiden «Die Hebamme II» und «Jack the Ripper – Eine Frau jagt einen Mörder» jubeln. Der Dienstagabend ist traditionell für eine weibliche Zielgruppe gebucht, mit «Die Ketzerbraut» steht die nächste Iny Lorentz-Verfilmung kurz bevor.

Doch auch in Sachen Serien traut sich Sat.1 2017 wieder etwas. Den Grundstein legte das mehrfach angekündigte, immer wieder verschobene und letztlich doch erfolgreich gestartete «Einstein». Am Dienstagabend überzeugt die Serie mit Tom Beck nun schon seit zwei Wochen. Ein Fragezeichen steht derweil immer noch hinter der hochgehandelten Krimi-Serie «23 Cases», die zwar schon fertig produziert ist, von Sat.1 allerdings immer noch unter Verschluss gehalten wird.

ProSieben will weiter wenig von deutscher Fiction wissen. Eine Serienausschreibung fand hier zuletzt für englischsprachige und damit international besser vermarktbare Formate statt. Weiter nehmen Shows und US-Produktionen einen großen Teil des Programms ein. Während man mit der Performance der eingekauften Blockbuster weitestgehend zufrieden sein kann, könnte ProSieben allerdings gut beraten zu sein, bald mal wieder über den Tellerrand zu blicken. Alle Formate, die ProSieben im Rahmen seiner Programmpräsentation im vergangenen Sommer für seinen Serienmittwoch ankündigte, floppten: «Quantico», «Legends of Tomorrow» und auch «Containment», während «Limitless» bereits nach kurzer Zeit die Puste auszugehen scheint. Am Mittwochabend brachte man im Umfeld der genannten Flops und schwachen Rückkehrern wie «Mike & Molly» oder «The 100» sogar das sonst beständige «Grey’s Anatomy» in Bedrängnis, sodass seit einiger Zeit sogar das eigentlich längst beendete «Two and a Half Men» aushelfen muss. Auch «Gotham» zeigt sich quotentechnisch nicht mehr tragbar, einzig «The Big Bang Theory» liefert noch sehenswerte Zahlen, wobei die Klagen nach einem Übermaß an Reruns immer lauter werden. Wie wäre es also mit deutscher Ware? Mit der Christian Ulmen-Serie «Jerks» versucht sich ProSieben ab dem 21. Februar immerhin an einem Format.

Ähnliches kommt für kabel eins nicht in Frage, die Münchner setzen auch 2017 im Fiction-Bereich weiter auf US-Produktionen, während Das Erste und das ZDF den Luxus haben, weiter mit Uralt-Reihen sehenswerte Marktanteile zu erzielen und bei neuen Produktionen nicht um die Quote bangen zu müssen. ZDFneo tat sich zuletzt ein ums andere Mal mit neuen deutschen Serien hervor, zunächst mit Sitcoms, zuletzt mit der ersten Drama-Serie «Tempel». Und wie sieht es im Pay-TV aus? Die lang angekündigte Tom Tykwer-Serie «Babylon Berlin» wird von Sky bereits seit einer gefühlten Ewigkeit als der ersehnte Hit beworben, den die deutsche Serie zum Durchbruch braucht – Ende 2017 soll sie nun anlaufen. Dann wird auch die Serienversion von «Das Boot» erwartet, für 2018 ist ein Endzeit-Drama namens «Acht Tage» bestellt. Sonst bedienen sich jedoch auch die Sky-Sender aus dem Ausland. Beim nach «Add a Friend» und «Weinberg» serienerprobten TNT Serie ist die nächste Eigenproduktion «4 Blocks» bereits im Kasten, bei 13th Street steht außerdem die erste eigene Krimiserie «Culpa – Niemand ist ohne Schuld» vor der Tür.

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