Die Kritiker

«Professor T.»

von

Das ZDF adaptiert eine preisgekrönte belgische Krimiserie und vergibt die Chance, das Genre Krimi tatsächlich neu zu erzählen.

Cast&Crew:

  • Buch: Ben Braeunlich, Georg Hartmann, Burkhardt Wunderlich
  • Regie und Kamera: Thomas Jahn
  • Darsteller: Matthias Matschke , Lucie Heinze , Andreas Helgi Schmid, Julia Bremermann , Paul Faßnacht
  • Schnitt: Amina Lorenz
  • Musik: Jens Oettrich
  • Szenenbild: Ingrid Henn
  • Producerin: Daniela Zentner
  • Produzent: Sam Davis
  • Redaktion: Matthias Pfeifer
Wenn nach 20 Minuten der eigentliche Krimi beginnt, haben die beiden ermittelnden Polizisten bereits miteinander gevögelt, sich der Hauptkommissar in seinem Büro bräsig der Lustlosigkeit hingegeben und ein Universitätsprofessor arrogant ein paar Studenten angeschnauzt. In schicken Einstellungen natürlich, mit einem kühlen Filter und dramatisch lauter werdender Musik. Das ist sie also, die neue Krimiserie im ZDF.

Da steht ein arroganter, unter Zwängen stehender und fast immer gleich guckender Mann mit strenger Frisur im Mittelpunkt, um den beiden jungen Polizisten zu sagen, was sie zu tun haben, um ihren Fall, eine Vergewaltigung auf dem Kölner Unicampus, zu lösen. Das ist ein bisschen Wissenschaft, das ist ziemlich viel Zufall - vor allem wäre das die Abkehr vom bisherigen Prinzip Krimi, in dem man über 45 oder 60 Minuten den Polizisten bei den Ermnittlungen zuschauen und selbst mitraten darf, wer denn am Ende der Täter ist, hin zu einer Serie über Profiling und Kriminalwissenschaft.

Ein Setting voller Chancen


Aber dann ist es doch nur das ZDF und da tauchen sie dann wieder auf, die alten Erzählstrukturen, die einem in fast jeder Krimiserie begegnen: Der Vorgesetzte, der den Polizisten mehr Feind als Freund ist, die persönlichen Geschichten der Kommissare, die sich in den Fall verstricken und nicht zuletzt die Tatsache, dass es scheinbar in Krimiserien einfach immer einen Täter geben muss, der es auch war.

Und so gibt es in «Professor T.» also einen Täter und es gibt auch ein Opfer - eigentlich nicht nur eins, das kann man schon mal sagen. Dabei wäre die Serie abseits der bewährten Krimikost eine Chance, etwas darüber zu erfahren, wie Verbrechen funktionieren und warum sie eigentlich passieren. Die Figuren dafür sind da, das Setting stimmt. Sie könnte also genau da ansetzen, wo andere Krimiserien im ZDF aufhören, wenn das Polizistenteam nach einem Motiv fahndet, Zeugen vernimmt und daraus eine schöne stimmige Geschichte strickt.

Aber ein Verbrechen ist mehr als eine stimmige Geschichte, meist ist es eher eine sehr unstimmige Geschichte und ein Verbrechen hat in den meisten Fällen einen Hintergrund und die Kriminalwissenschaft weiß das ganz genau. Wenn also in der Pilotfolge zur neuen Serie von einer vergewaltigten Studentin erzählt wird, könnte man darüber erzählen, was Vergewaltigungen eigentlich für Verbrechen sind: Wo finden sie statt? Wer begeht sie? Und weil die Serie in Köln spielt, dieser gebrandmarkten Stadt zu diesem Thema, gäbe es ein Feuerwerk an Möglichkeiten, genau diese Motivik aufzugreifen und zu diskutieren.

Verflogener Charme


Dass das Fernsehen solche Diskussionen führen kann, zeigen die ZDF-Montagsfilme und nicht zuletzt auch die Kollegen der ARD im Klassiker «Tatort». Dazu: Mit der wissenschaftlichen Komponente des Professors und der praktischen Seite der Polizisten könnte man also tatsächlich eine relevante Geschichte erzählen. Aber am Ende stehen dann doch wieder nur die Vergangenheit der Polizisten und die Zwänge des Professors im Vordergrund. Und wenn sich dann die Vergangenheit der Polizisten mit dem Fall verquickt und wieder mal ein Zufall dabei hilft, einen Schritt in den Ermittlungen weiterzukommen, ist der Charme, den das Setting der Serie und der Filter mitbringt, schon wieder verflogen.

Sicher: Zur Verteidigung sollte man sagen, dass die Serie eine Adaption einer belgischen Krimiserie ist und wenn sie diesmal die Handlung der Auftaktfolge erst einmal nur nach Köln verlegen, ist die Freiheit der deutschen Autoren eingeschränkt. Bleibt also am Ende doch wieder nur das Mitraten, wer der Täter ist, wie man es aus den vielen bisherigen Krimiserien gelernt hat und den Kopf zu schütteln über die Eigenarten des Professors? Nun: Auch das Mitraten funktioniert nicht, denn wenn nach 20 Minuten der Krimi Fahrt aufnimmt, ist schon nach 30 Minuten klar, wer der Täter ist - nicht für die Polizisten zwar, die weiter auf die Künste eines wissenschaftlichen Alleswissers bauen, aber für den Zuschauer, der den Täter beobachten darf, wie er sich die nächste Studentin greifen möchte. Dass eine Vergewaltigung mit einer Frau auch etwas macht, unfassbare seelische Spuren hinterlässt, dass Aussagen bei der Polizei - gerade vor männlichen Polizisten - auch Jahre nach dem Verbrechen eine Qual sein können, all das könnte man erzählen. Erzählt dann aber eher, wie die sehr eigenwilligen Verhörmethoden eines Wissenschaftlers eine Frau quälen. Das wiederum ist eine andere Geschichte und wahrscheinlich in diesem Fall auch keine gute, denn die Behauptungen des alleswissenden Professors bleiben am Ende in gewisser Weise nur Behauptungen, um die sich dann die gesamte Geschichte strickt.

Fazit: «Professor T.» ist eine neue Farbe unter den Krimiserien des ZDF. Matthias Matschke spielt die Figur des Professors professionell überzeugend. Und man verzichtet darauf, die Polizisten tatsächlich auch beim Vögeln zu zeigen. Aber am Ende des Tages ist der Auftakt der neuen Serie auch nicht viel anders als das, was man im ZDF bereits gesehen hat. Und das ist wirklich schade.

Das ZDF zeigt vier Folgen von «Professor T» ab dem 4. Februar 2017, jeweils samstags 21:45 Uhr.

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