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Wie stellt man das Festbeißen rechtpopulistischer Bewegungen auf der lokalen Ebene filmisch dar? Ein französischer Film macht es vor - und könnte für ein ähnliches Projekt in Deutschland Pate stehen.

Blicken wir ein paar Jahre in die Zukunft: Frauke Petry und Alexander Gauland sind Dauergäste in deutschen Polit-Talk-Shows, die AfD hat eine stabile, wenn auch marginalisierte Wählerbasis, vor allem in den strukturschwachen Regionen. Im Bundestag stellt sie lächerlich wenige Abgeordnete und ist von den anderen Parteien vollkommen isoliert, aber das Schmuddelkind beißt sich in den Strukturen fest, geriert sich zur Kümmererpartei, faselt von „positivem Deutschlandbezug“, skandiert auf Parteitagen schneidige, altmodische Slogans über Heimat und Vaterland, und versucht auf der lokalen Ebene Fuß zu fassen, indem sie Leute in ihre Partei zieht, die in ihren örtlichen Communities nicht durch rechtes Gedankengut auffallen.

Zum Beispiel eine alleinerziehende Altenpflegerin mit schwerkrankem Vater, aus einer Kleinstadt im Ruhrgebiet, die man sich ohne stillgelegte Zeche und die Überreste jahrzehntealter Fabrikhallen gar nicht mehr vorstellen kann. Wie das schon klingt: der personifizierte Pflegenotstand, der endlich ein Gesicht bekommen kann, in dem die Abgehängten einen von ihnen erkennen können, unkorrumpierbar, tugendhaft und vor allem: stinkwütend auf „das System“, was auch immer das ist.

Die alleinerziehende Altenpflegerin, an sich frei von rassistischem, ausländerfeindlichem, antisemitischem Gedankengut, tappst nun also bona fide in eine rassistische, ausländerfeindliche, antisemitische und faschistische Partei, als deren Mitglied sie sich für ein politisches Amt auf kommunaler Ebene zur Wahl aufstellen lässt. Sie will etwas verändern, für die einfachen Leute, die Abgehängten, die Zurückgelassenen. Zuspruch und eklatante Abneigung halten sich in ihrem persönlichen Umfeld die Waage, eine Eskalation wird unvermeidbar.

In Deutschland wird es wohl noch einige Jahre dauern, bis die AfD derart tief in die gesellschaftlichen Strukturen vordringt. In Frankreich dagegen ist die Verwurzelung des Front National im Alltagsleben deutlich weiter fortgeschritten. Umso wichtiger, dass in diesem Jahr vor den Präsidentschafts- und Parlamentswahlen ein fiktionales Projekt dieses Phänomen so messerscharf analysiert und erlebbar darstellt, wie es ein journalistisch-berichtendes wohl gar nicht könnte.

Der Spielfilm «Chez nous», unter großer Furore zum Monatswechsel in belgischen und französischen Kinos angelaufen, handelt von einer alleinerziehenden Krankenschwester mit einem schwer kranken Vater, die in einer Kleinstadt im wirtschaftlich desolaten und gesellschaftlich vernachlässigten äußersten Norden des Landes lebt und von einem nur oberflächlich verklausulierten Front-National-Verschnitt eingespannt wird, um für die verschleiert rechtsextreme Partei zu kandidieren, vulgo: um „etwas zu verändern“. Und sie ist ernsthaft verwundert, wie sich weite Teile ihres persönlichen Umfelds von ihr abwenden, wie sie in ihrer Kleinstadt zu einer Synekdoche für den Kampf gegen den Rechtsextremismus wird, als deren Vertreterin sie sich selbst gar nicht sieht.

«Chez nous» ist ein hervorragender Beitrag zur öffentlichen Diskussion in Frankreich, weil er eben kein didaktischer Problemfilm ist, sondern emotional erlebbar die Frage stellt, wie aufrichtige, ehrliche Leute zu Rädchen im Getriebe einer neofaschistischen Bewegung werden. Die wirklich Bösen sitzen freilich ganz woanders als im kleinstädtischen Nord-Pas-de-Calais, sondern auf schnieken Pariser Dachterrassen, wo das fiktionale Pendant zu Marine le Pen und ihren Helfershelfern noch zynischer auf die ländliche Peripherie herabschaut als sie das den Vertretern der „Systemparteien“ in ihren lügengefüllten Reden gerne vorwirft.

Gut möglich, dass Deutschland in spätestens ein paar Jahren reif für einen ähnlichen Film sein wird. Arbeitstitel: «Erinnerungspolitische Wende». An die Macher an dieser Stelle aber einen Wunsch: Bitte vorher genau das französische Vorbild studieren und keinen anbiedernd-mitfühlenden Problemfilm aus dem Stoff machen. Ein solcher hätte nie die starke, einnehmende, diskursive Wirkung des großartigen «Chez nous».

Kurz-URL: qmde.de/91597
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