Die Kritiker

«Tatort: Borowski und das dunkle Netz»

von   |  1 Kommentar

«Er ist wieder da»-Regisseur David Wnendt mischt vor Kekillis Abschied den Kieler «Tatort» auf und entführt die norddeutschen Ermittler ins Darkweb.

Cast und Crew

  • Regie: David Wnendt
  • Darsteller: Sibel Kekilli, Axel Milberg, Maximilian Brauer, Yung Ngo, Mirco Kreibich, Michael Rastl, Svenja Hermuth, Jochen Hägele, Thomas Kügel, Pjotr Olev, Ole Hermann
  • Drehbuch: Thomas Wendrich, David Wnendt
  • Kamera: Benedict Neuenfels
  • Schnitt: Robert Rzesacz
  • Musik: Enis Rotthoff
  • Produktionsfirma: Nordfilm
Das Thema Internet scheint momentan wieder einigen «Tatort»-Autoren durch den Kopf zu gehen. Nach dem munter debattierten Stuttgarter Fall «HAL», der wahlweise ein leinwandtauglicher Geniestreich oder totaler, stümperhafter Mumpitz ist, und dem weniger intensiv besprochenen Neunzigminüter «Echolot» aus Bremen nimmt sich auch das beliebte Duo aus Kiel der Cyberkriminalität an. Für Borowski und Brandt bedeutet dies etwas Abwechslung auf den letzten Metern, quittiert Sibel Kekilli alias Sarah Brandt doch in naher Zukunft ihren Dienst.

Der Fall ist simpel gestrickt: Ein Auftragskiller, der im Darknet angeheuert werden kann, mordet sich gegen Bezahlung mittels Bitcoins durch das schleswig-holsteinische Landeskriminalamt. Verziert wird diese eher geradlinige Tätersuche unter anderem durch allerlei keck-humorige Einfälle, wie ein liebevoll animiertes, maßlos übertriebenes Vorstellungsvideo für die fiktive Polizeisoftware SCHAKAL, die den Norden der Republik im Kampf gegen digitale Verbrechen nach vorne katapultieren soll (Zitat: „Sowas haben noch nicht einmal die Bayern!“).

Darüber hinaus leiert sich das Drehbuchautorenduo Thomas Wendrich und David Wnendt ganz charmant eine Erklärung aus den Rippen, weshalb überhaupt Borowski und Brandt die Ermittlungen in diesem Fall übernehmen – schließlich fallen Morde an LKA-Mitgliedern eigentlich nicht in deren Zuständigkeitsbereich. Doch eine augenzwinkernd überzogene Flirterei Brandts später mit dem zuständigen Staatsanwalt bekommt „der beste Mordermittler in Kiel“ diesen Fall zugeteilt.

Zumeist behält «Feuchtgebiete»- und «Er ist wieder da»-Regisseur David Wnendt, der diesen Krimi nicht nur mitverfasst hat, sondern ihn auch inszenierte, diesen leichtfüßigen, nicht aber klamaukigen Tonfall obendrein in den Szenen bei, wenn Web-Begriffe erläutert werden. Eine Szene, in der Borowski das Cyberdezernat fragt, weshalb nicht kontrolliert gegen sämtliche Darkweb-Verbrechen ermittelt wird, mag dramaturgisch so losgelöst sein, dass sie wie eine bemühte Exkursion aufgefasst werden kann. Allerdings sind die Argumente so prägnant und dennoch von den Darstellern so beiläufig vermittelt, dass sie zu den gelungeneren Beispielen für "In einem öffentlich-rechtlichen Krimi wird das Netz erläutert"-Sequenzen zählt. Da verzeiht man es dem Regisseur glatt, dass er die Cyberexperten wie Nerds aus 90er-Jahre-Teeniekomödien kleidet.

Generell bringt Wnendt, der auf Wunsch Axel Milbergs den Sprung von der Kinoleinwand in den «Tatort»-Kosmos gewagt hat, eine sympathische Unverkrampftheit mit und verpasst dem Film eine ungewohnt kräftige, breite Farbpalette. Dieser Look und der dezent-süffisante Erzählstil peppen den für «Tatort»-Verhältnisse eher realistischen (natürlich noch immer dramaturgisch vereinfachten) Ermittlungsprozess im Netz auf. Ein hundertprozentig realitätsnaher Krimi über Tätersuche 2.0 wäre halt zwangsweise recht monoton – da sind die künstlerischen Freiheiten des launig vorhergehenden Wnendts gern gesehen und zudem wesentlich angenehmer als die todernst vermittelten Spinnereien der meisten deutschen Cyberkrimifolgen.

Milberg spaziert mit norddeutsch-unterkühlter Gelassenheit durch dieses Geschehen, was mehrmals zum Schmunzeln anregt, während Kekilli vor allem in der rapide ernster und düster werdenden zweiten Filmhälfte daran erinnert, welche Weltklassemimin sie ist. Den Übergang vom leicht amüsierten Cyberkrimi hin zum vor Horror- und Thrilleranspielungen nahezu platzenden, actionreichen Fall skizziert Wnendt mit zügiger, doch versierter Hand – zumal die Seite der Antagonisten wiederholt für Auflockerung sorgt. Denn die trockene Art, mit der Wnendt ihre Ungeschicklichkeit einfängt, erinnert fast schon an die Coen-Brüder. Und wie oft kann man einen «Tatort» schon mit diesen Regiemeistern vergleichen, ohne sich völlig der Lächerlichkeit preis zu geben?

«Tatort: Borowski und das dunkle Netz» ist am 19. März 2017 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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Es gibt 1 Kommentar zum Artikel
Sentinel2003
19.03.2017 10:16 Uhr 1
Ich fasse es noch immer nicht, das Sibel wirklich aufhören wird....

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