Gewagt gewinnt: Der unwahrscheinliche Aufstieg des David Schalko
Der geborene Wiener, der sich nicht nur als Drehbuchautor, sondern auch als Verfasser von Romanen, Werbetexten und Lyrikbänden kurz nach der Jahrtausendwende einen Namen in Österreich machte, entwickelte sich von dort an zum Liebling des Feuilletons. Unter anderem durch seine mehrfache Zusammenarbeit mit dem auch über die Landesgrenzen hinaus bekannten Kabarettist und Schauspieler Josef Hader oder durch seine Mockumentary «Das Wunder von Wien: Wir sind Europameister» im Zuge der Fußball-Europameisterschaft 2008. Nach diversen Fernsehsendungen, die er ab 1997 inszenierte und später immer häufiger konzipierte, darunter, Late-Night-Shows, Kultursendungen oder Satire-Formate, folgte 2012 mit «Braunschlag» seine erste Fernsehserie.
Das Format über einen Bürgermeister in der titelgebenden Marktgemeinde, der eine Marienerscheinung fingiert, um seine insolvente Heimat zum wohlhabenden Wallfahrtsort werden zu lassen, zeigten bereits, welche Chancen in der Kreation zunächst eigentümlich wirkender Stoffe liegen. Selbst der Stab der Serie gab sich zur Präsentation des Formats im März 2012 skeptisch ob des Erfolgs des Formats. Als „nicht breitenwirksam“ bezeichnete etwa Darsteller Manuel Rubey das Format, die Refinanzierbarkeit oder einen möglichen Erfolg auf dem internationalen Markt sprach unterdessen ORF-Generaldirektor Alexander Wrabetz «Braunschlag» ab. Doch die Serie machte deutlich, wie eine originelle und ambitionierte Produktion für den einheimischen Markt auszusehen habe. Herrlich absurde Figuren, großartige Ideen und reichlich Lokalkolorit ließen «Braunschlag» schnell zum Kult werden, obendrein versammelte das Format das „Who is Who“ der österreichischen Schauspielszene. Schnell kündigte das US-Fernsehen eine Adaption an. „Nicht breitenwirksam“? Von wegen!
Schalko schien gefallen am Seriengeschäft gefunden zu haben und kündigte schließlich an, eine Serientrilogie zum Thema Gier und Korruption zu planen. Auf «Braunschlag» folgte «Altes Geld», das im März 2015 in Österreich erstmals auf der Filmplattform Filmmit erschien und dieser Tage auf die gleiche Art und Weise wie «Braunschlag» seinen Weg ins deutsche Free-TV findet. Auch hier übernahm RTL Crime ab Februar 2016 die deutsche Erstausstrahlung, One, das ehemalige Einsfestival, sendet «Altes Geld» nun ab Mittwoch frei empfangbar.
«Altes Geld»: „Keiner geniert sich ein Arschloch zu sein“
«Altes Geld»: Cast & Crew
Vor der Kamera:Udo Kier, Sunnyi Melles, Nicholas Ofczarek, Edita Malovcic, Manuel Rubey, Nora von Waldstätten, Yohanna Schwertfeger, Florian Teichtmeister, Thomas Stipsits u.v.m.
Hinter der Kamera:
Produktionsunternehmen: ORF/Superfilm; Regie & Drehbuch: David Schalko; Produktion: David Schalko & John Lueftner; Musik: Kyrre Kvam; Kamera Marcus Kanter
Schalko kündigte an und die erste österreichische Schauspielgarde folgte. «Braunschlag»-Hauptdarsteller Robert Palfrader, den Schalko bereits in den 90er Jahren als Wirt seines Stammlokals kennenlernte und der später nach einem Job bei «Nur die Liebe zählt» entdeckt und zu einem der größten Schauspielstars Österreich aufsteigen sollte, schloss sich dem Cast an, genauso wie der gefeierte Burgtheater-Schauspieler Nicolas Ofczarek, Manuel Rubey und Simon Schwarz, die bereits alle an «Braunschlag» mitwirkten. Mit dem Engagement einiger deutschstämmiger Darsteller wie Udo Kier entfernte sich «Altes Geld» gleichzeitig etwas vom teilweise breiten Dialekt, der in «Braunschlag» zu Tage trat und deutschen Zuschauern das Verständnis erschwerte.
In «Altes Geld» bekommen es deutsche Fernsehzuschauer mit einer Milieustudie im Umfeld der Superreichen zu tun – Dekadenz, Intrigen und von der Gier verwässerte bis ganz und gar ausgewaschene moralische Grundsätze inklusive. Somit steht «Altes Geld» als leuchtendes Beispiel für unverbrauchte Themen, die die eingerostete deutsche Serienlandschaft in ihrem Krimiwahn in den vergangenen Jahren nicht mit Handschuhen angefasst hätte. Dysfunktionale Familien kennzeichnen insbesondere im Comedy-Bereich zwar einen der liebsten Themenanker, an die gefühlskalte Verkommenheit und den tiefschwarzen Humor in «Altes Geld» müssen sich aber selbst serienerfahrene Zuschauer zunächst gewöhnen.
„Es ist ein Schauermärchen über eine Welt, die völlig ohne Liebe auskommt“, sagte Schalko selbst über den zweiten Teil der angekündigten Serien-Trilogie. Gleichzeitig konterkarieren die beruhigenden Klaviertöne der Klassik-Idole, mit denen Patriarch Rauchensteiner so gerne spazieren fährt, den Wahnwitz einer Serie, die auch vor Themen wie Inzest, dem Vermächtnis des Nationalsozialismus, Sexsucht, Suizidalität und eiskalten Mordkomplotten nicht zurückschreckt. Dass die Verbrechereien der derart wohlhabenden Familiendynastie nicht justizial zum Verhängnis werden, wird dabei wie selbstverständlich durchgewunken und lässt sich als stiller Kommentar auf die Vetternwirtschaft Österreichs lesen, ohne das «Altes Geld» damit eine weltverbessernde Sozialkritik üben will.
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28.03.2017 17:20 Uhr 1
28.03.2017 17:27 Uhr 2