Platz 1: «Die Dasslers»
Wo?: Das Erste, 20.15 Uhr. Zweiter Teil Samstag, 20.15 Uhr
Mit wem? Christian Friedel, Hanno Koffler, Johanna Gastdorf und anderen.
Von wem? Regie: Cyrill Boss & Philipp Stenner. Buch: Christoph Silber, Cyrill Boss & Philip Stennert.
Warum sollte ich es schauen? «Die Dasslers» beschränkt sich nicht auf die Erklärung des Konflikts anhand charakterlicher Differenzen oder sogar die Einteilung in Gut und Böse. Besonders in den Jahren, die zum endgültigen Bruch der Brüder hinführen, unterliegt das Verhältnis von Adi und Rudi auch dem Wellengang der Politik. Machen sich die Brüder zu Beginn noch die nationalsozialistischen Gedanken zunutze, um ihr Unternehmen nach vorne zu bringen, nehmen Eifersucht und Argwohn kurz darauf im Kontext des Faschismus zu. Entwicklungen im Verhältnis der Brüder sind auch für den Rest des Films immer als Reaktion auf vorangegangene Ereignisse zu bewerten. Daraus resultiert bis zum Ende des Zweiteilers ein facettenreicher und ambivalenter Blick auf die komplexe Beziehung des Brüderpaars, in dessen Rahmen es kaum möglich ist, Partei für einen der beiden Charaktere zu ergreifen.
Doch bei aller Nähe zur deutschen Geschichte sollten Leser nicht von einem trockenen Historienfilm ausgehen, dafür zeigt sich die Produktion viel zu verspielt in Sachen Bildsprache und Metaphern. Trotz drei Stunden Laufzeit werden Zuschauer daher auch bei der zweiten und dritten Ansicht Neues im Film entdecken. Verschiedenste Requisiten erfüllen im Film narrative Funktionen, wiederholt abgebildete Motive erscheinen im Angesicht der fortgeschrittenen Erzählung in völlig neuem Licht und die Konkurrenzsituation der beiden so gegensätzlichen Brüder, die sich nur in ihrem unerschütterlichen Ehrgeiz so ähneln, spiegelt sich stets in visuellen Anspielungen. Autor Christoph Silber und die Regisseure Cyrill Boss und Philipp Stennert, die ebenfalls am Drehbuch mitschrieben, lassen ihrer Kreativität freien Lauf und dadurch für den Zuschauer semantisch vielschichtige Entdeckungen zu, die außerdem von teilweise denkwürdigen Dialogen begleitet werden.
Platz 2: «Roots»
Wo?: History (Pay-TV), ab Karfreitag, 20.15 Uhr, bis Ostermontag, 20.15 Uhr
Mit wem? Malachi Kirby, Emayatzy Corinealdi, Anika Noni Rose, Regé-Jean Page und anderen.
Von wem? Regie: Bruce Beresford, Thomas Carter, Philip Noyce, Mario Van Peebles. Buch: Alex Haley, Lawrence Konner, Mark Rosenthal, Alison McDonald, Charles Murray
Warum sollte ich es schauen? Der gleichnamige Roman von Alex Haley von 1976 wurde nämlich vom Network ABC 1977 schon einmal als mehrteiliges Serien-Event verfilmt. Die Ausstrahlung der neuen Adaption übernahmen 2016 die Sender Lifetime, A&E, History und Lifetime Movie Network. Die erste Episode der neuen Mini-Serie konzentriert sich wesentlich ausführlicher als das Original auf Kuntas Leben in Afrika, seine Ausbildung zum Krieger und seine erste Liebe, was seine Reise und brutale Gefangenschaft umso tragischer macht. Die darauf folgenden Episoden fügen sich dagegen wieder mehr der ursprünglichen Erzählung und weichen nur marginal davon ab.
Auch die Inszenierung der drei anderen Regisseure der Miniserie Mario Van Peebles, Bruce Beresford und Thomas Carter folgt wieder bekannten TV-Konventionen. Einerseits ist es schade, dass man der alten Reihe rein thematisch und inhaltlich nicht viel Neues hinzufügen kann, andererseits wird der fundamentale Kampf für Freiheit und gegen Unterdrückung sowie die Widerstandsfähigkeit des menschlichen Geistes immer für eine zeitlose Erzählung gut sein. Vor allem für Zuschauer, die mit der alten Fassung nicht vertraut sind, ist das neue «Roots» eine lehrreiche, aber auch unterhaltsame Geschichtsstunde. Nicht nur die Inszenierung, sondern auch die Performances der Schauspieler sorgen dafür.
Platz 3: «Matula»
Wo? ZDF, 21.15 Uhr.
Mit wem? Claus Theo Gärtner, Sinja Dieks und Götz Schubert sowie anderen.
Von wem? Regie: Thorsten Näter. Buch: Ben Braeunlich.
Warum sollte ich es schauen? Freunde der alten ZDF-Serie werden wahrscheinlich ihre Freude an den vielen Anspielungen haben. Das Krimi-Special gibt sich sichtlich Mühe, liebgewordene Routinen in einem neuen Gewand zu präsentieren. Chronisch Pleite ist der Privatdetektiv immer noch und wohnt inzwischen in einem Camper, gegenüber Verdächtigen tritt er immer noch recht ruppig auf und noch immer hat er Schlag bei Frauen, wenngleich seine Charmeoffensiven an den jüngeren Damen inzwischen eher abperlen. Nach wie vor ist er ein Freund unkonventioneller Ermittlungsmethoden, der nach dem alten Prinzip handelt, dass der Zweck die Mittel heiligt.
Außerdem muss der Schnüffler wie so häufig Prügel einstecken, und sogar der Dauerbrenner mit dem K.O.-Schlag auf Matulas Hinterkopf findet seinen Platz. Obwohl sich sein neuester Fall im hohen Norden abspielt, wird auch nicht auf das Erkennungsmerkmal verzichtet, einen Rundblick über die Frankfurter Skyline zu bieten.
Platz 4: «Ein Schnupfen hätte auch gereicht»
Wo? RTL, 20.15 Uhr
Mit wem? Anna Schudt, Jasmin Schwiers, Oliver Wnuk, Swetlana Schönfeld, Moritz Bäckerling und anderen.
Von wem? Regie: Christine Hartmann. Buch: Gerd Lurz; nach der gleichnamigen Vorlage von Gaby Köster und Till Hoheneder.
Warum sollte ich es schauen? Das Festhalten an der realen Köster hemmt den RTL-Eventfilm bedauerlicherweise nicht nur in dieser Hinsicht. Die wiederholten Archivaufnahmen von Köster-Auftritten auf ihrem Heimatsender RTL geben der Produktion mehrmals einen bitteren Nachgeschmack der Selbstbeweihräucherung mit. So wird ein Motivationstief Kösters in der Reha-Phase durch eine Montage von RTL-Ausschnitten in Zeitlupe und Weichzeichneroptik unterbrochen – unterlegt durch einen mit Pathos getränkten Off-Kommentar. Unterboten wird dies noch von den abschließenden Minuten des Films, die Schudts Darbietung und den persönlichen Konflikt der Film-Köster beiseite schieben, um stattdessen in realen Schnipseln das RTL-Comeback der Entertainerin Köster zu zelebrieren – begleitet von der Powerballade "Rise Like A Phoenix".
Durch solche Sequenzen sowie durch die emotional aufgekratzte Weise, mit welcher der Subplot über die Eheprobleme von Kösters Krankenschwester Jacky abgehandelt wird, wird das Gesamtbild der Zeitsprung-Pictures-Produktion arg getrübt. Denn wenn der Neunzigminüter funktioniert, dann aber so richtig. So gelingt es Drehbuchautor Gerd Lurz und Regisseurin Julia von Heinz, aus Köster auch ohne Promibonus eine Identifikationsfigur zu machen: Beiläufig wird erklärt, dass Köster aufgrund des frühen Todes ihres Vaters einst überstürzt ins Arbeitsleben geschubst wurde – und diesen Drang, zu liefern und den Lieben ein gutes Leben zu ermöglichen, lassen sie sowie Schudt wiederholt aufglühen. Und während der Reha-Phase schreckt «Ein Schnupfen hätte auch gereicht» nicht zurück, die Protagonistin als unbequeme sowie launische Patientin zu zeigen, wodurch das Leid Kösters auch deutlich effektiver skizziert wird als durch die eingestreuten Traumsequenzen.
Hier gehts zu den Einzel-Kritiken:
• «Die Dasslers»
• «Roots»
• «Matula»
• «Ein Schnupfen hätte auch gereicht»
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