360 Grad

«Twin Peaks» - Kein Alptraum

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Die Welt von «Twin Peaks» wird oft als alptraumhaft bezeichnet. Kein zutreffendes Adjektiv, findet unser Kolumnist.

«Twin Peaks» lässt sich mit vielen Adjektiven zutreffend beschreiben: Langsam. Exzentrisch. Kunstvoll. Anders. Einnehmend. Amerikanisch. Modern. Nostalgisch. Entrückt. Psychologisch. Psychedelisch.

Gerade deutschen Rezensenten gefällt noch ein weiteres Wortfeld im Zusammenhang mit der Serie: der Alptraum. Dies freilich nicht auf eine wie auch immer geartete inhaltliche Wertung bezogen, sondern vielmehr hinsichtlich des durch Ästhetik und Narrative entstehenden Eindrucks.

Ich will diesem Eindruck widersprechen – denn die Welt von «Twin Peaks» ist sicher eine entrückte, eine, die unserer zeitgleich (!) sehr ähnlich und sehr fremd ist. Genau das macht sie, um einen Anglizismus zu bemühen, so uncanny: unheimlich, verstörend, aufreibend. Doch sie ist keine alptraumhafte Welt, keine Dystopie, keine Sammlung von beängstigenden oder ablehnenswerten Elementen.

«Twin Peaks» lässt sich besser als eine exzentrische Interpretation der amerikanischen Gesellschaft und der ihr zugrunde liegenden Mentalität auffassen. Die ist zumindest in ihren Stereotypen primär kleinstädtisch – siehe Sinclair Lewis‘ Roman „It Can’t Happen Here“, Sherwood Andersons „Winesburg, Ohio“ oder Sam Mendes‘ «American Beauty» – und mäandriert zwischen radikalem Individualismus und einem gleichzeitigen Hang zur Konformität. Vulgo: Jeder will sich verwirklichen, aber die Picket Fences sehen doch überall gleich aus. Doch der Death of a Beautiful Woman, wohl das charakteristischste und von niemand Geringerem als Edgar Allan Poe theoretisierte Motiv früher amerikanischer Prosa, bringt diese heile Welt, die so heil freilich nicht ist, schnell durcheinander. Willkommen in Twin Peaks, Washington.

Die Qualifizierung dieses Modells als Alptraum trifft den Sinn nicht. Die Welt von «Twin Peaks» hat bei all ihren Abgründen etwas Schönes, etwas Wärmendes, sie ist gleichzeitig bedrückend und ein Sehnsuchtsort. Und gerade das kunstvolle Spiel mit den Zwischentönen, seien sie narrativ oder ästhetisch, die mit äußerstem Bedacht geschaffene Stimmung, die angespannt und doch beruhigend ist, ließ die Serie zu einem künstlerischen Triumpf werden. Das Erschütternde am Ort Twin Peaks ist nicht seine Alptraumhaftigkeit, seine Normalität.

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