Jochen Breyers Karriere
Jochen Breyer wollte schon immer Journalist werden, vor allem aufgrund seiner Begeisterung für den Sport. „Ich wollte nie Fußballstar werden, sondern immer der Reporter am Rande des Spielfelds.“ Nach seinen Stationen als Zeitungs- und Radiojournalist landete er 2007 beim Fernsehen. „Eigentlich dachte ich, dass die Tätigkeit als Moderator nichts für mich sei. Ich hatte nicht das Gefühl, ein Entertainer zu sein, weshalb ich lieber schreiben wollte.“„Wir wollten auf der Reise einen Stimmungstest machen: Wie geht es Deutschland vor der Wahl? Was sind die Wünsche der Menschen an die Politik? Wir hatten im Zuge der Wahl von Donald Trump zum Präsidenten der USA den Eindruck, dass den Medien – oft nicht zu Unrecht – vorgeworfen wurde, dass sie nicht genügend auf die Menschen gehört haben und zu wenig auf sie zugegangen sind. Deswegen wollten wir die Leute selbst zu Wort kommen zu lassen.“
Was stört Sie an Deutschland?
#WasStörtSieAnDeutschland – Alles begann mit diesem Hashtag. Dass man am Ende fast 20.000 Rückmeldungen auf einen Aufruf bekommen würde, dem keine professionelle Social Media-Kampagne zugrunde lag – damit hatten Jochen Breyer und sein Team nicht gerechnet. „Der Aufruf scheint einen Nerv getroffen zu haben. Die Vermutung, dass es eine gewisse Unzufriedenheit in Teilen der Bevölkerung gibt, bestätigte sich.“ Natürlich, so Breyer, dürfe man die Eindrücke des Aufrufs und der Deutschlandreise nicht überbewerten, schließlich hat man mit dem Hashtag in erster Linie unzufriedene Menschen erreicht.
In der Reportage trifft Jochen Breyer vor allem Menschen mit alltäglichen Sorgen, die aber große Auswirkungen haben. Wie kann ich die steigenden Mieten bezahlen? Wie kann ich als Altenpfleger trotz geringer Bezahlung den immensen Arbeitsaufwand stemmen? Bei den Menschen entsteht oft der Eindruck, so Breyer, dass sich Politiker mit den großen Problemen der Welt und den Wünschen der Lobbygruppen befassen, jedoch kein Ohr für die Bürger im eigenen Land haben. „Die Menschen, die wir trafen, haben sich noch nicht komplett von der Politik abgewendet und wollen im September auch wählen gehen. Aber sie haben nicht das Gefühl, dass sich etwas ändern wird oder dass sich die Politik um ihre Probleme kümmert.“
Quelle: Facebook
„
„Alles, was ich vor der Kamera mache, habe ich beim «ZDF-Morgenmagazin» gelernt. Das «MoMa» ist in jeder Hinsicht vielseitig und deckt die ganze Bandbreite dessen ab, was man als Moderator können muss. In einem Moment muss man mit Volker Kauder über die Föderalismusreform sprechen, fünf Minuten später spielt man mit einem Zuschauer am Telefon ‚Richtig oder Falsch?‘. Das hat mir wahnsinnig viel gebracht und ich lerne auch heute noch in jedem «MoMa» dazu.“
”
Jochen Breyer
Auf die Frage hin, wo sie die Informationen herhabe, antwortete sie nur: Facebook. Medien wie das ZDF konsumiere sie nicht mehr: ‚Ich informiere mich nur noch auf Facebook. Da bekomme ich die echte Wahrheit‘. In Deutschland dürfte das definitiv kein Einzelfall sein. „Ihre Timeline war das Idealbild einer rechtspopulistischen Filterblase, in der Nachrichten wie ‚Deutschland will Vergewaltigungen legalisieren‘ standen.“ Obwohl Jochen Breyer schon viele Berichte über Filterblasen und alternative Medien kannte, habe ihn der Medienkonsum der Rentnerin wirklich erschüttert. „Es hat mich erschreckt zu erleben, was solche Fehlinformationen mit der Weltsicht eines Menschen machen.“
„Habe Feuer gefangen“
Sein persönliches Bild von Deutschland habe sich während der Reise letztlich auch ein bisschen verändert. „Ich habe den Eindruck hinzugewonnen, dass sehr wenige viel profitieren und sehr viele wenig profitieren. Viele Menschen, auch in der Mittelschicht, müssen sich wirklich anstrengen, um ihren Lebensstandard zu halten. ‚Abstiegsangst‘ hatte ich davor immer diffus als Wort wahrgenommen, aber nie wirklich erlebt. Das hat mein Team und mich sehr berührt.“
Bereits seine 2016 im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft gezeigte Dokumentation über die französische Nationalmannschaft und den Front National («Zwischen Verehrung und Verachtung») bewegte sich im Schnittfeld zwischen Sport- und Politikjournalismus. Beide Tätigkeitsbereiche lägen gar nicht so weit voneinander entfernt, so Breyer. „Der große Unterschied ist: egal wie hart Politiker angepackt werden, sie würden immer wieder zum Interview kommen, weil sie kritische Fragen abkönnen und die Plattform brauchen. Manche Sportler haben jedoch einen Status erreicht, in dem sie die einzelnen Medien nicht mehr brauchen. Sie können sich aussuchen, ob sie ins „sportstudio“ kommen wollen oder nicht.“ Jochen Breyer möchte in Zukunft jedenfalls vermehrt Reportagen dieser Art machen: „Das war sehr spannend und hat mich noch mal auf eine andere Art und Weise bereichert als zum Beispiel die Sportberichterstattung.“
Sein Fazit nach knapp zwei Monaten Deutschlandreise ist deutlich: „Man liest ständig, dass es Deutschland so gut wie noch nie ginge. Aber trotzdem haben mein Team und ich erlebt, dass es ein zum Teil begründetes Unbehagen in der Bevölkerung gibt.“ Diese Diskrepanz ziehe sich wie ein roter Faden durch die gesamte Reportage. „Dass es Deutschland so gut wie nie geht, ist faktisch zwar richtig, jedoch ergibt sich in der Realität auch ein anderes Bild. Deutschland geht es definitiv besser als vor 15 Jahren, aber vielen Menschen eben nicht.“
________________________________________
Fünf Fragen an Jochen Breyer:
Wissen Sie schon, wen Sie im Herbst wählen werden oder müssen Sie sich erst noch entscheiden?
Ich habe mich noch nicht entschieden.
Wen würden Sie gerne einmal interviewen - und was würden Sie ihn/sie fragen?
Gianni Infantino. Ich würde ihn fragen, wo denn der angebliche Kulturwandel der Fifa geblieben ist, den er angekündigt hat. Mir scheint, der einzige Kulturwandel, den er gebracht hat, ist der, dass es nun noch mehr um persönliche Interessen und Machterhalt geht als unter Sepp Blatter. Wer hätte gedacht, dass es noch schlimmer kommen kann. Und Barack Obama. Seine Bewertung der aktuellen Lage in den USA würde mich sehr interessieren.
Wie können Sie als Journalist gegen Politikverdrossenheit vorgehen?
Ich glaube nicht, dass es zuforderst unsere Aufgabe als Journalisten ist, gegen die Politikverdrossenheit vorzugehen. Wir müssen über das berichten, was ist – ohne irgendetwas weich zu zeichnen oder Entscheidungen der Politik zu rechtfertigen, nur damit die Menschen weniger politikverdrossen sind.
Was wir allerdings definitiv tun können und müssen: zu beleuchten, wie schwierig politische Entscheidungsprozesse sind. Also im weitesten Sinne Politik erklären. Konkret heißt das: nicht verkürzt, tendenziös oder reißerisch zu berichten. Sondern aufzuzeigen, dass es meist nicht die eine einfache Lösung gibt, die beispielsweise von Populisten propagiert wird.
Haben Sie jemals überlegt, selbst in die Politik zu gehen?
Nein.
Was würden Sie tun, wenn Sie einen Tag lang Bundeskanzler wären?
Ich würde wahrscheinliche aus der Emotion heraus zum Telefonhörer greifen und der Reihe nach Trump, Putin, Erdogan, Orban, Kaczynski, Maduro und andere anrufen und ihnen meine Meinung geigen. Dann würde ich auflegen und sofort zurücktreten, weil die Telefonate viel zu undiplomatisch für einen Bundeskanzler verlaufen wären. Kurzum: Gut, dass ich nie Bundeskanzler sein werde.
Es gibt 3 Kommentare zum Artikel
09.08.2017 19:37 Uhr 1
09.08.2017 19:46 Uhr 2
10.08.2017 00:42 Uhr 3
Das sind Stammtischparolen. Mit der Mietpreisbremse wollte die SPD ja etwas für niedrige Mieten tun, leider hat die CDU das Gesetz so verwässert, dass das Gesetz wirkungslos geworden ist. Allein würde es nicht reichen, denn es müssen auch einfach in den Großstädten neue Wohnungen gebaut werden, das dauert etwas. Man kann es auch Beispiele finden, wo die SPD ein CDU-Gesetz verwässert hat
Ein Problem ist der Interessenausgleich, der eine will das, der andere will das, manchmal wollen Leute beides, ohne zu sagen, wie das gehen soll. Die Wünsche der Wähler sind ja auch ziemlich widersprüchlich. Manchmal sind die Wähler sich der Konsequenzen ihrer Wünsche nicht bewusst.