Die Handlung
Filmfacts «Das Fenster zum Hof»
- Regie und Produktion: Alfred Hitchcock
- Drehbuch: John Michael Hayes; basierend auf der Kurzgeschichte "It Had to Be Murder" von Cornell Woolrich
- Darsteller: James Stewart, Grace Kelly, Wendell Corey, Thelma Ritter, Raymond Burr
- Musik: Franz Waxman
- Kamera: Robert Burks
- Schnitt: George Tomasini
- Veröffentlichungsjahr 1954
- Laufzeit: 112 Minuten
- FSK: ab 12 Jahren
Der Schauplatz
Von der einführenden Kamerafahrt abgesehen, ist «Das Fenster zum Hof» so sehr an seinen Protagonisten gefesselt, wie der von James Stewart gespielte Fotojournalist an einen Rollstuhl gebunden ist: Wir bewegen uns durch sein Apartment und blicken auf den Hinterhof und das gegenüberliegende Gebäude. Die Kamera gibt nur visuelle Informationen, die auch Jefferies erhält, es gibt keine Gegenschüsse, die etwa zeigen, was jemand von den Beobachten sieht, wenn er in Jefferies Richtung blickt, geschweige denn Szenen, die inhaltliche Informationen übermitteln, die dem Protagonisten verwehrt sind. «Das Fenster zum Hof» ist also nicht nur durch die räumliche Begrenzung ein Kammerspiel (dessen Gimmick ist, dass andauernd vom Schauplatz aus hinausgestarrt wird), es ist sozusagen auch ein perspektivisches Kammerspiel.
Die 6 glorreichen Aspekte von «Das Fenster zum Hof»
«Das Fenster zum Hof» ist ein Paradebeispiel für Alfred Hitchcocks handwerklichen Perfektionismus: Das Set des Gebäudekomplexes ist eines der aufwändigsten und detailliertesten seiner Zeit und erlaubte Hitchcock eine Kontrolle der Elemente, die beim Dreh an realen Schauplätzen nicht möglich gewesen wäre – gleichwohl wirkt der künstliche Hinterhof dank einer nuancierten Ausleuchtung täuschend echt. Durch die herausragende produktionstechnische Leistung ist das Fundament für eine von Hitchcocks narrativ zweischneidigsten Spannungsgeschichten gegeben:
Dadurch, dass uns der Meisterregisseur in die sprichwörtlichen Schuhe eines gelangweilten Mannes versetzt, der allein schon aus beruflichen Gründen eine Begierde nach sensationellen Neuigkeiten giert, greift Hitchcock dem vor, was Michael Haneke 43 Jahre später mit «Funny Games» ausüben sollte: Er zeigt die verkehrte Ethik des Genrepublikums auf. Während Haneke in «Funny Games» durch Metaspielereien aufzeigt, dass das auf Folter und Mord wartende Publikum sozusagen die Schurken in Horrorfilmen erst anstachelt, nutzt Hitchcock seinen Protagonisten, um die Sensationsgier des Publikums zu illustrieren. Jefferies ist ein Kinozuschauer, der unbeweglich von seinem Sitzplatz aus ins Leben Anderer starrt – und sobald etwas Außergewöhnliches geschieht, wird er freudig erregt und aller Empathie zum Trotz hofft er, dass seine schlimmsten Vermutungen wahr sind. Zumindest so lange, bis er Angst bekommt, dass das aus sicherer Ferne beobachtete ihn in den eigenen vier Wänden heimsuchen könnte …
Nicht nur durch diese Beobachtung gewinnt «Das Fenster zum Hof» einen lakonischen Humor, mit dem der "Master of Suspense" für tonale Bewegung sorgt und so den sich nicht von seinem Schauplatz lösenden, schnörkellos erzählten Film lebendiger macht. Diese Prise Witz hilft auch Hauptdarsteller Jimmy Stewart, der den Protagonisten facettenreich spielt, statt in die nahliegende Falle zu tappen, einen unsympathischen Voyeuristen darzustellen. Es ist daher genauso glaubwürdig, dass er Zeuge einer grausigen Tat ist, wie es sein könnte, dass er sich was zusammenspinnt – Grace Kelly derweil agiert ihm Gegenüber mit dem unaufdringlichsten, natürlichsten Charme ihrer Karriere.
«Das Fenster zum Hof» ist auf DVD und Blu-ray erhältlich sowie via Amazon, Google Play, Microsoft und Chili abrufbar.
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20.08.2017 14:30 Uhr 1