Die Kritiker

«Tatort - Virus»

von

Moritz Eisner und Bibi Fellner läuten mit einem politisch aufgeladenen Fall die «Tatort»-Saison ein.

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Harald Krassnitzer als Moritz Eisner
Adele Neuhauser als Bibi Fellner
Andreas Kiendl als Albert Reuss
Martin Niedermair als Thomas Reuss
Hubert Kramar als Ernst Rauter
Thomas Stipsits als Manfred Schimpf
Günter Franzmeier als Michael Kreindl

Hinter der Kamera:
Produktion: Epo-Film und ORF
Drehbuch: Rupert Henning
Regie: Barbara Eder
Kamera: Andreas Thalhammer und Xiaosu Han
Produzenten: Jakob und Dieter Pochlatko
In der Oststeiermark wird ein toter Afrikaner zwischen allerhand Geröll gefunden. Am nächsten Tag hätte eine Sprengung den Toten unter noch mehr Schutt und Gestein begraben, sodass man ihn nie wieder gefunden hätte, erklärt der Sprengmeister den Ermittlern Eisner (Harald Krassnitzer) und Fellner (Adele Neuhauser), die zügig aus Wien dorthin beordert wurden. Schon am Tatort steht fest: Das Mordopfer ist erst nach seinem Ableben an diesen Ort geschleift worden. Zu Tode gekommen ist es durch Gewalteinwirkung auf den Hinterkopf – ob durch einen Sturz oder einen Fall, das kann der exzentrische Gerichtsmediziner noch nicht sagen.

Erste logische Anlaufstelle für die Ermittlungen von Eisner und Fellner ist der örtliche Fluchthof, wo der Arzt Albert Reuss (Andreas Kiendl) auf altbackenem Familieneigentum einigen Dutzend Asylbewerbern ein menschenwürdiges Dasein ermöglicht. Die Geflüchteten stammen zum Großteil aus Westafrika, einer Region, zu der auch Reuss einen engen Bezug hat: Er hat dort lange in der humanitären Hilfe gearbeitet, sein letzter Einsatz sei aber schon einige Jahre her. Als Eisner und Fellner ein Photo des Mordopfers herumreichen, ernten sie nichts als leere Blicke und Bekundungen, den Mann noch nie gesehen zu haben.

Während vor Ort nichts vorwärts geht, schlägt die Toxikologie Alarm: Das Mordopfer war mit Ebola infiziert. Der Auftakt für die ganz große Maschinerie: Der kleine Ort wird abgeriegelt, Schutzmaßnahmen über Schutzmaßnahmen werden in die Wege geleitet, die Staatsmacht rückt an, um im großen Stil abklären zu können, ob sich noch jemand mit der tödlichen Krankheit infiziert hat.

Ein Afrikaner, der in Österreich an Ebola stirbt: In einem Land, bei dessen letzter Präsidentschaftswahl fast die Hälfte der Bevölkerung den Kandidaten einer rechtsextremen Partei gewählt hat und wo in einigen Monaten eben jene im Kern ausländerfeindliche und antisemitische, von ehemaligen SS-Angehörigen gegründete Partei wahrscheinlich in der Regierung vertreten sein wird, ist dieses Motiv ein Pulverfass. Österreich als ein Kernland des nie versiegten Rechtsextremismus ist ein Thema, dessen sich dieser Film bereitwillig annimmt – und dieses Klischee, bzw. diese Beobachtung sowohl konterkariert als auch bestätigt.

„Virus“ hat dabei jedoch ein strukturelles Problem: Bis die Diagnose Ebola einmal gestellt ist und mit der Betrachtung eines für rechtsextreme Ideen anfälligen Milieus (die österreichische Peripherie) begonnen werden kann, vergeht viel Zeit, in der Eisner und Fellner beim standardmäßigen Fitnesstest, der Gerichtsmediziner beim kultivierten Säfteln nach der jungen Assistentin und die verdächtig machenden Ausflüchte der letzten schnöseligen Züge einer österreichischen Provinzdynastie abgefilmt werden. Humoristisch und narrativ mag die eine Sequenz zwar ergiebiger sein als die Andere – nichtsdestotrotz wird mit all diesen Ausflüchten dem eigentlich wesentlichen Element dieses Films nur dringend benötigte Screentime geraubt.

Die wäre für eine stimmigere, vielschichtigere Charakterentwicklung nämlich bitter nötig gewesen: Die afrikanischen Figuren bleiben Kulisse und dürfen wenig mehr von sich geben als eine krude Beschreibung des Opfers, während am Schluss die Parallelisierung afrikanischer Dramen mit europäischem Überfluss allzu didaktisch vorgetragen wird. Dass das ausufernde, regelkonforme – und dabei ja auch notwendige! – Tamtam um einen einzigen Ebola-Fall bei einem Toten im Herzen Europas in einem perversen Missverhältnis zu den Zuständen in Afrika steht, wo Tausende mit nur minimaler medizinischer Hilfe daran verrecken, ist allgemein bekannt. Dass sich Europa dieses Missverhältnis damit erklärt, dass Afrika weit weg ist, ebenso. Dieser an anderen Stellen feinsinnige, klug beobachtende Film hätte weit bessere dramaturgische Möglichkeiten entwickeln können, um dieses Missverhältnis intellektuell verständig wie emotional erlebbar zu machen, anstatt es mühevoll zu dialogisieren.

Der Stoff dieser Auftaktfolge in die neue «Tatort»-Saison hätte ein beachtlicher, relevanter Paukenschlag werden können. So ist er stattdessen zwar ein angenehm erzählter und gut gespielter Film geworden – er wird jedoch bald wieder in Vergessenheit geraten sein.

Das Erste zeigt «Tatort – Virus» am Sonntag, den 27. August um 20.15 Uhr.

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