Die Kritiker

«Die Familie»: Doppelbödige Suspense im Wald

von

Die ZDF-Reihe "Stunde des Bösen" findet ihren (vorläufigen?) Abschluss in einem atmosphärischen Psychospiel.

Cast und Crew

  • Regie: Constanze Knoche
  • Buch: Constanze Knoche, Leis Bagdach
  • Darsteller: Stephanie Amarell, Godehard Giese, Karin Hanczewski, Claudia Geisler-Bading, Emma Drogunova, Alma Leiberg, Leon Ulrich, Siir Eloglu, Berit Künnecke, Miroslaw Baka
  • Kamera: Andreas Bergmann
  • Schnitt: Kai Minierski
  • Musik: Felix Andriessens
  • Produzenten: Leis Bagdach, Constanze Knoche, Holm Taddiken
Ihre Mutter glaubt fest daran, dass sie die intelligenteste Schülerin in ihrer Klasse ist – und dennoch steht die Schullaufbahn der 17-jährigen Isabell auf der Kippe. Sie ist nämlich eine notorische Schulschwänzerin – und generell recht bockig, vor allem, wenn man ihr mit autoritären Gefügen kommt. Also verdonnert die Alleinerziehende ihre Tochter zu einem Selbstfindungsseminar im Riesengebirge. In der Abgeschiedenheit der Natur stößt Isabell auf eine psycho-esoterische Gruppe, die vom Therapeuten Einar und seiner Frau Julia geleitet wird. Angeblich handelt es sich bei den Beiden um herausragende Experten auf dem Gebiet der systemischen Familienaufstellungen.

Zunächst weigert sich die Gelegenheitsladendiebin Isabell, an den eigenwilligen Gruppensitzungen teilzuhaben, aber schrittweise spannt das Duo die Jugendliche sehr wohl in die Aktivitäten ein. Es ist insbesondere der charismatische Einar, der es Isabell angetan hat. Dass der deutlich ältere Mann an ihr ebenfalls Gefallen gefunden zu haben scheint, schmeichelt Isabell ungemein. Jedoch kippt die Stimmung in der Gruppe, als eine der Kursteilnehmerinnen offensichtlich den Verstand verliert und letztlich spurlos verschwindet. Isabell wundert sich: Ist die junge Frau abrupt abgereist oder wurde sie Opfer eines Gewaltverbrechens?

Regisseurin/Autorin Constanze Knoche und ihr «Die Besucher»-Schreibpartner Leis Bagdach begeben sich für ZDF – Das kleine Fernsehspiel ins Segment des Spannungsfilms. Mit dem wildromantischen deutsch-tschechischen Grenzgebiet suchten sie sich ein atmosphärisches Setting aus, das sie zudem in stimmigen Bildern einzufangen wissen (sowohl auf malerische Art als auch in mystisch angehauchter Form).

Obendrein vermögen sie es, den Flair des Waldes durch inhaltliche Referenzen auf sein schauriges Potential zu schärfen – so erhält das doppelbödige "Wird Isabella verrückt oder wird sie verrückt gemacht?"-Spiel sehr effizient eine Grundstimmung des Unvorhersehbaren.

Sukzessive lässt Knoche in dieses Teenager-Psychogramm Bilder des Unbewussten einfließen: Tabubrüche der Therapieleiter werden durch harte Cuts als Träume entlarvt, andere Male bleibt es unklar, was sich Isabell einbildet oder auch sehr bildlich wünscht. Gemeinhin pochen Isabells Befindlichkeiten stärker als der Genre-Aufhängerplot um das Verschwinden der Kursteilnehmerin Saskia. «Das weiße Band»-Mimin Stephanie Amarell glänzt in dieser sehr nachdenklichen, an sich und ihrem Umfeld zweifelnden Hauptrolle der Isabell. Auch Godehard Giese und Claudia Geisler-Bading als undurchsichtiges Therapeuten-Paar ringen ihren Rollen im schattig inszenierten Film faszinierende Ecken und Kanten ab – heimlicher Star ist aber Emma Drogunova als Küchenhilfe Tereza, die Unheil, Freiheit, Versuchung und Hilfe zugleich verspricht.

«Die Familie» ist in der Nacht vom 23. auf den 24. Oktober ab ca. 0.15 Uhr im ZDF zu sehen.

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