Der spät entdeckte Kult
Serienfacts «Wet Hot American Summer: First Day of Camp»
- Serienschöpfer: Michael Showalter, David Wain
- Regie: David Wain
- Darsteller: Michael Showalter, David Wain, Christina Lee
- Darsteller: H. Jon Benjamin, Michael Ian Black, Bradley Cooper, Janeane Garofalo. Zak Orth, Amy Poehler, Paul Rudd, Chris Pine, Kristen Wiig, Michael Cera,, Elizabeth Banks, Christopher Meloni, Molly Shannon, David Hyde Pierce und viele mehr
- Ausführende Produzenten: Michael Showalter, David Wain, Jonathan Stern, Peter Principato, Howard Bernstein
- Kamera: Kevin Atkinson
- 8 Episoden zu je ca. 30 Minuten
Die ersten Filmkritiken fielen zwar schwach aus, jedoch entwickelte die von David Wain («Vorbilder?!») verantwortete Komödie auf DVD und dank Wiederholungen im Fernsehen eine innige Fangemeinde (zumindest im US-Kulturkreis, im Rest der Welt hinkt der Kult noch etwas hinterher).
Dass «Wet Hot American Summer» mit Verzögerung zündet, verwundert nicht, basiert ein Großteil seines Witzes doch auf Running Gags und rezitierfähige Non Sequiturs. Dieser Spoof Flick ist also ungefähr das, was dabei herausgekommen wäre, hätte die Monty-Python-Crew «Scary Movie» gesehen und sich gedacht: "Joah, was die können, können wir auch. Mit Ami-Sommer-Camp-Filmen statt mit Horror!"
Darüber hinaus lebt «Wet Hot American Summer» vom rückwirkenden Star-Appeal seines Ensembles – viele der Darstellerinnen und Darsteller hatten nach Filmstart ein neues Karrierehoch, darunter Paul "«Ant-Man»" Rudd, «Hangover»-Schönling Bradley Cooper, «Pitch Perfect»-Lästermaul Elizabeth Banks und die wiederholte Golden-Globe-Moderatorin und «Parks and Recreation»-Darstellerin Amy Poehler.
Netflix, das Anti-Network
Netflix prahlte in seiner Anfangszeit damit, im Gegensatz zu linearen Fernsehsendern von Einschaltquoten unabhängig zu sein. Immer wieder hieß es von Unternehmensseite, neue, unangepasste Wege zu gehen. Und so zählten zu den ersten Eigenproduktionen, die Netflix in Auftrag gab, eine redselige, von Antipathieträgern bevölkerte Politdramaserie, ein Frauengefängnisdrama, das die Höhe an LGBTQ-Repräsentation normaler TV-Sender mühelos in den Schatten stellt, die Fortsetzung einer lange zuvor abgesetzten Fox-Meta-Sitcom und «Wet Hot American Summer: First Day of Camp».
Die beabsichtigte Lektion des Ganzen: "Schaut her, liebe Kundschaft. Wir sind Netflix. Und Netflix programmiert, worauf es Lust hat. Nieder mit dem engen Network-Denken!" Und neben «House of Cards», «Orange Is The New Black» und der vierten «Arrested Development»-Staffel zeigte sich die «Wet Hot American Summer»-Miniserie als besonders exzentrischer Beweis, dass man Netflix dieses Selbstbild abkaufen darf. 2015, also 14 Jahre nach dem «Wet Hot American Summer»-Kinoflop, kam sie daher, die achtteilige Prequelserie zu einer noch immer nur passabel bekannten Filmparodie. Und sie setzte auf noch mehr Absurdität, noch mehr große Namen (unter anderem schauten auch Chris Pine, Jon Hamm, Kristen Wiig und Michael Cera vorbei) und eine absurd dichte Handlung.
Was laut diesen acht 27- bis 30-minütigen Episoden angeblich alles an einem einzigen Tag passiert ist, passt auf keine Kuhhaut. Das Ergebnis? Herrlich unkommerziell gedacht und ein wahrer Liebesdienst. «Wet Hot American Summer: First Day of Camp» wurde für eine sehr spitze Zielgruppe verfasst – Fans des Originalfilms, die die Running Gags bestens kennen und die sich nach noch mehr cartoonigem Irrsinn und pythoneskem Verve sehnten. Leerlauf gab es keinen, eher im Gegenteil: «Wet Hot American Summer: First Day of Camp» ist so randvoll mit seinem Wahnwitz, dass es Serienfreunde abseits der Zielgruppe erschlagen dürfte.
Netflix: Zwei Jahre später
Aber bei Netflix hat sich schnell Alltag eingestellt, und mit dem Verlust des Pioniergeistes hielt mehr und mehr Network-Denken Einzug. Was sich offenbar auf Serienmacher David Wain abfärbte. «Wet Hot American Summer: First Day of Camp» hätte die abschließende Kirsche auf dem parodistischen Eis mit Sahne darstellen können. Aber wenn etwas läuft, dann kann man es ja auch totreiten, wie schon diverse Fernsehsender bewiesen haben – und so wurde eine weitere «Wet Hot American Summer»-Serie beschlossen. Diese erschien im Sommer 2017 und hört auf den Titel «Wet Hot American Summer: Ten Years Later». Und zynischere Zungen würden behaupten, dass man sich nach der Sichtung dieser Serie auch prompt zehn Jahre älter fühlt.
Denn «Wet Hot American Summer: Ten Years Later» hat einen besonders schweren Fall eines wiederkehrenden Netflix-Serienproblems erwischt: Es gibt nicht genug Story. Zwar ist die Miniserie genauso lang wie die Prequelserie, jedoch hat sie nur halb so viel Stoff zu bieten, weshalb es zu Unmengen von Leerlauf kommt. Was unter anderem für «Luke Cage» oder «Daredevil» in duldbarem Maße gilt, gleicht in «Wet Hot American Summer: Ten Years Later» fast einer Epidemie – ohne dass Wain die massiven Strecken an Füllmaterial parodistisch unterwandern und so einen Seitenhieb auf den VoD-Dienst und seine Eigenproduktionen formen würde. Da werden Dialoge gehalten, die Monologe vorbereiten, die zu Dialogen hinführen, welche einen Storypunkt minimal vorantreiben, all dies begleitet von vielleicht zwei, drei Beinahe-Schmunzlern.
Während die erste «Wet Hot American Summer»-Serie also Netflix' Stärke (kesse Programmideen werden durchgewunken, weil die Chefs Lust darauf haben, nicht, weil es nach Mainstream-Publikumserfolg riecht) unterstreicht, unterstreicht die zweite Netflix' Schwächen doppelt und dreifach.
Denn obwohl der VoD-Dienst nicht wie ein normaler TV-Sender denken müsste, ist er noch immer nicht bereit, alle altgedienten TV-Formalien zum Wohle einer Serie aufzugeben. Wie etwa die starren Vorstellungen, was eine Season ausmacht. Man hält bei Soloserien der Marvel-Helden krankhaft am von «House of Cards» etablierten 13-Folgen-pro-Staffel-Schema fest, «Wet Hot American Summer: Ten Years Later» wird auf dieselbe Episodenanzahl gedehnt wie sein Vorläufer – ganz gleich, dass nicht genug Ideen vorhanden sind.
Wäre Netflix durchweg so qualitätsorientiert, wie sich der VoD-Dienst darstellt, würde er sich trauen, auch mal großzügig den Rotstift anzusetzen. Was hält den Streaminggiganten davon ab? Anders als TV-Sender muss Netflix ja keine Programmslots füllen. Wenn «Wet Hot American Summer: Ten Years Later» als Vier-Episoden-Serie umgesetzt worden wäre, hätte Netflix ja nicht zum Ausgleich vier weitere Male «The Big Bang Theory» wiederholen müssen, um die Lücke zu kompensieren. Die Serie hätte derweil von einer gesteigerten Prägnanz profitiert. Aber, nein. Netflix prahlt lieber bei jedem Staffellaunch damit, wie viele Stunden seine Kundschaft nun wieder bingen kann …
Es gibt 8 Kommentare zum Artikel
27.10.2017 13:21 Uhr 1
Wieviele Serien, mit komplett 22-24 Folgen pro Stafffel gibtts heutzutage eigentlich noch?? Nicht mehr viele, leider!!
27.10.2017 14:48 Uhr 2
27.10.2017 16:35 Uhr 3
Etwas anderes ist es bei Serien, die 'eine große Geschichte' erzählen - bzw. pro Staffel eine Geschichte haben (THE FOLLOWING, Game of Thrones, House of Cards, etc.).
Letztere sollten dem Inhalt angepasst sein und das Erzähltempo halten.
Schlecht finde ich beispielsweise die letzte Staffel GoT. Vorher wird ein Marsch von Königsmund nach Winterfell über 2 Staffeln erzählt, in der letzten Staffel wurden Wochhen zusammen gefasst. Das wirkt sehr gehetzt und zusammen gekürzt.
Ebenso bei 'The Strain' wird zum Staffelbeginn erstmal ein Zeitsprung vollzogen und die Situation "resetted". Eher unglücklich dies zu Beginn einer neuen Staffel zu machen (The last Ship hat das besser geschafft in S04 trotz Zeitsprung).
27.10.2017 19:06 Uhr 4
27.10.2017 22:20 Uhr 5
Gerne auch Miniserien mit nur 6 Folgen.
Bei Sitcoms können es auch mal mehr Folgen sein, aber momentan ist mir nichts neues bekannt, TBBT hat den Höhepunkt ja leider schon überschritten.
28.10.2017 06:37 Uhr 6
Man hat sich ja in den letzten Jahren so derart an kurze Staffeln von 10-13 Folgen gewöhnt, das 24 Folgen beinahe schon historisch sind....
28.10.2017 11:46 Uhr 7
Und wenn mal mal davon absieht, dass eine absurde Comedy wie "Wet Hot American Summer" ein ganz mieses Beispiel ist, da die Handlung dort absolut unwichtig ist und nur die Gags zählen, sind "kurze Staffeln" einfach kein Wundermittel für gute Serien, solange die Autoren und Showrunner keine Ahnung haben, wie man eine interessante Geschichte erzählt!
"Breaking Bad" ist zurecht eine der besten Serien aller Zeiten, aber trotz durchgehender Handlung, hatten dort alle Folgen einen Anfang und ein Ende, mit einem Ziel, das es innerhalb dieser Folge zu erreichen gab. Die meisten modernen Serien sind so darauf epicht einen "X Stunden langen Film" zu erzählen, dass es selbst in den kürzesten Staffeln fast nur Füller gibt, da die meisten Folgen nach dem "Eine Stunde Leerlauf bis zum spannenden Cliffhanger am Ende der Episode"- oder "Wir warten bis zum Staffelfinale, bevor wir alle Fäden zusammenlaufen lassen"- Prinzip funktionieren. Die erste Staffel von "Stranger Things" hat z.B. nur acht Folgen, ich habe es aber genau wegen diesem kontraproduktiven Erzählmuster, nur bis zur sechsten geschafft. "American Gods" habe ich bis jetzt zwar durchgehalten, aber die haben acht Folgen gebraucht, bevor sie im Staffelfinale endlich an dem Punkt ankamen, an dem "die Handlung" endlich anfing! Nur, um uns dann mindestens ein Jahr auf die Fortsetzung warten zu lassen.
(Ich bin immer noch der Meinung, dass die dritte Staffel von "Twin Peaks" genau diesen fatalen Mangel des "goldenen Zeitalters des Fernsehens" zu parodieren versuchte, so, wie die ersten beiden Staffeln teilweise als Parodie auf damalige Fernsehklischees konzipiert waren.)
Es hat schon seinen Grund, warum die oft belächelten Procedurals Marke "NCIS" oder "Scorpion" immer noch so gut laufen. Da kann eine Staffel noch so viele Folgen haben, im Endeffekt müssen sie nur die eine Stunde pro Woche richtig hinbekommen. Das ist vielleicht weniger fordernd, sowohl für die Macher, als auch den (pseudointellektuellen) Zuschauer, aber auch weniger frustrierend.
28.10.2017 12:12 Uhr 8
Bei Serien wie American Horror Story oder Fargo hängen die Geschichten ja nicht zusammen, die kann man in beliebiger Reihenfolge und auch nur teilweise sehen.
Im Zweifelsfall schaut man die letzte Folge noch mal an, inkl. Cliffhanger. Habe ich z.B. bei Walking Dead gemacht, bevor ich gestern in die 7. Staffel gestartet bin.
Im linaren TV geht das natürlich nicht, daher schaut man Serien heute eben besser als VOD.