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Kommentar: Telenovela Kanzleramt

Von Alexander Krei

Die „German Cable AG“ steckt in der Krise. Der Aktienkurs ist im Sinkflug und tausende Menschen fürchten um ihren Arbeitsplatz. Bundeskanzler Weyer steht vor einer schwierigen Entscheidung: Hilft er dem angeschlagenen Unternehmen auf politischem Wege, muss er mit der Opposition zusammenarbeiten.



Eine Szene aus dem ZDF-«Kanzleramt», das das ZDF nach dem US-Vorbild «The West Wing» (Der weiße Flügel) seit Ende März dieses Jahres im Hauptabendprogramm ausstrahlt. Möglichst realitätsnah sollte die Politserie wirken. Dafür baute man für mehr als 700.000 Euro eigens die Kulissen des Berliner Kanzleramts nach, um dem Arbeitsalltag des Bundeskanzlers und dessen Mitarbeiter wenigstens optisch gerecht zu werden. Nicht einmal das hat das ZDF perfekt hinbekommen: Marmortreppen, die nach Holz klingen und Hintergründe, die schon auf den ersten Blick unecht aussehen, sind nur zwei Negativ-Beispiele.



Den Politik verdrossenen Zuschauer wollte man mit dem wahren Alltag im Berliner Politik-Viertel erreichen. Doch mehr als ein Drittel des Publikums hatte bereits nach der ersten Folge die Nase voll, wurde doch schnell deutlich, dass das Gezeigte nicht mehr war, als eine schlechte Mischung aus «Sabine Christiansen» und «Lindenstraße». Da kümmert sich eine neue Mitarbeiterin sofort am ersten Arbeitstag um wichtige politische Beziehungen und eine ältere Dame wird vom Kanzler persönlich aufgesucht, nur weil der Diktator eines afrikanischen Landes eine millionenschwere Investition von seinem früheren Star abhängig macht. Oder es wird mal eben das Gespräch mit einer Putzfrau zur Inspiration für den Redenschreiber des Bundeskanzlers.



Da holt sich das deutsche Publikum doch lieber Erziehungstipps von der «Super Nanny» oder beobachtet den schwergewichtigen Ottfried Fischer bei seinen Ermittlungen als «Bulle von Tölz». Das ist zwar genauso unrealistisch, wird aber - im Gegensatz zum «ZDF-Kanzleramt» - nicht als das „wahre Leben“ vorgegaukelt.



Einer scheint jedenfalls noch immer nicht realisiert zu haben, dass nicht nur der Kanzler in der ZDF-Serie unecht ist: Programmdirektor Bellut hält das «Kanzleramt» für „verdammt realistisch“. Hat er denn in all den Jahren als Reporter für den Mainzer Sender bei Land- und Bundestagswahlen ein Nickerchen eingelegt? War er bei der Talksendung «Was nun?» immer nur körperlich anwesend? Als Programmdirektor setzt man eben andere Prioritäten. Vielleicht hätte Bellut die Politserie am Nachmittag als Telenovela ausstrahlen sollen – mit einem Happy End nach zwölf Folgen. So erreichte selbst «Bianca» höhere Zuschauerzahlen, als Bundeskanzler Weyer zur Primetime.



Immerhin: Wenigstens mit der ersten Folge ist es dem ZDF gelungen, junge Menschen mit Politik in Berührung zu bringen. Nach sechs Episoden des «Kanzleramts» bleibt nur zu sagen: Chance vertan, ZDF! Leider.

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