Die Kritiker

«Tatort – Der wüste Gobi»: Bigamiluschvatokovtschvili auf der Flucht

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Der Folgentitel und der Name des Hauptverdächtigen verraten es schon: Im neuen «Tatort» geht es wieder nach Weimar, um Nora Tschirner und Christian Ulmen bei der Verbrecherjagd zuzuschauen. So gehen Schmunzelkrimis!

Cast und Crew

  • Regie: Ed Herzog
  • Darsteller: Nora Tschirner, Christian Ulmen, Jürgen Vogel, Jeanette Hain, Ernst Stötzner, Thorsten Merten, Ralf Dittrich, Mirjam Heimann, Antonia Bill, Arndt Schwering-Sohnrey
  • Drehbuch: Murmel Clausen, Andreas Pflüger
  • Kamera: Kristian Leschner
  • Schnitt: Knut Hake
  • Musik: Dürbeck & Dohmen
  • Produktionsfirma: Wiedemann & Berg
Vier Fälle haben sie bereits gelöst, die allesamt ein sehr großes Fernsehpublikum angesprochen haben. Doch vielleicht sind noch immer einige Fernsehende Novizen in Sachen Lessing und Dorn, den Kommissaren aus dem 2013 gestarteten Weimar-«Tatort». Und all diese, sowie jene, die zwischendurch vergessen haben, was diese «Tatort»-Reihe ausmacht, muss man wohl vorwarnen: Hier haben wir es mit Schmunzelkrimis zu tun. Und nicht etwa mit einem kauzigen «Tatort» wie aus Münster, sondern mit einem süffisant-parodistischen. Das deuten die Folgentitel an und die staubtrocken-beiläufig vermittelten Verrücktheiten, die so am Rand geschehen. Aber der Weimar-«Tatort» ist keine Parodie auf normale öffentlich-rechtliche Krimis, wie «Scary Movie» eine auf Slasherfilme ist oder «Die nackte Kanone» auf Polizeiactionfilme – das Autorenduo Murmel Clausen & Andreas Pflüger streut parodistische Absurditäten mit großer Selbstverständlichkeit in einen sonst charmant-leichtgängigen, aber weitestgehend normalen «Tatort»-Stoff.

Darauf muss man sich einlassen, darauf muss man vorbereitet sein – denn es gibt in «Tatort – Der wüste Gobi» humorig gedachte Augenblicke, die genauso gut in sich bierernst nehmenden, aber missratenen Fernsehkrimis vorkommen könnten. Da unterhalten sich auch mal zwei Nachtschwestern in der Geschlossenen darüber, dass sie ausnahmsweise komplett alleine Dienst schieben. "Ach, was soll schon passieren?", sagt die Eine, einen Sekundenbruchteil, bevor der Alarm losgeht. Was dem einen «Tatort» die ungewollte Fremdschamkomik, ist dem Team aus Weimar eines der grundlegenden Erkennungsmerkmale.

Im nunmehr fünften Fall werden diese Absonderlichkeiten weitestgehend auf Dialogfetzen beschränkt, während etwa «Der scheidende Schupo» im Februar auch narrativ mehrere kecke Gagamomente hatte. Dafür kommen sie dieses Mal mit einer derart zügigen Schlagfertigkeit, dass man die 90 Filmminuten über durchweg seine Ohren spitzen muss, um nicht weggenuschelte Köstlichkeiten zu versäumen, wenn etwa über schlechtes Patientenessen oder makabre Schlachthausunfälle gesprochen wird.

Der zentrale Kriminalfall ist schlicht, aber unterhaltsam und spannend: Gotthilf Bigamiluschvatokovtschvili (Jürgen Vogel), besser bekannt als Gobi, Würger von Weimar oder Bigadingsbums, ist aus der forensischen Psychiatrie geflohen. In der Nacht seiner Flucht ist eine der Krankenschwestern ermordet worden, am Morgen danach wird die bettlägerige Frau von Gobis behandelten Chefarzt (Ernst Stötzner) tot aufgefunden. Der Verdacht liegt nahe: Gobi ist auf der Flucht und hinterlässt eine mörderische Schneise. Kira Dorn (Nora Tschirner) und Lessing (Christian Ulmen) grillen daher die Harfenistin Mimi Kalkbrenner (Jeanette Hain), die eine Liebesbeziehung zu dem vorbestraften georgischen Bademeister unterhält und die Vorwürfe, ihn zu verstecken, denkbar schlecht abschmettert.

Clausen und Pflüger verstehen, dass ihr Publikum den Weimar-«Tatort» vornehmlich wegen Ulmen, Tschirner und ihrem Humor einschalten, der paradoxerweise staubtrocken und zugleich spritzig-verrückt ist. Daher spinnen sie gar nicht erst einen verschachtelten, die Ermittler von Verhör zu Verhör zu Tatortuntersuchung zu Verhör jagenden Kriminalplot voller Spannungsspitzen und Verdachtsfälle. Der Plot wird simpel genug gehalten, um genug Raum für die markant-humoristische Dialoge der Weimar-«Tatort»-Folgen zu bieten und einige Schmunzelsituationen zu erzeugen. Gleichwohl verzichten die Autoren nicht völlig auf Spannung: Sie skizzieren Gobi ambivalent, und mit der Besetzung eines gut aufgelegten Jürgen Vogel in der Rolle bleibt lange unklar, ob es sich hier um einen grob auftretenden, aber eine sensible Seite aufweisenden Frauenhelden handelt, der ab und an austickt und Affektmorde begeht, um ein Unschuldslamm oder um einen besonders durchtriebenen Triebtäter.

Stötzner und Hain gelingt zudem ein schwieriger Drahtseilakt zwischen lächerlichem Handeln und ernstzunehmender Rolle, so dass sie hervorragende Gegenspieler für Lessing und Dorn darstellen, die in ihrer unverwechselbaren Art diesen Fall abhandeln: Dauerverwundert und überamüsiert, aber ernstlich am Lösen des Falls interessiert, weshalb sie niemals wie Karikaturen durch den Ort zu stapfen. Der Minisubplot darüber, dass die Beiden ihre kinderfreie Zeit eigentlich endlich mit einem Schäferstündchen verbringen wollen, sie aber erstens zuhause zu kalt haben und zweitens beruflich zu viel zu tun haben, profitiert obendrein enorm von der eingespielten Chemie zwischen Ulmen und Tschirner.

Um bisherige Zweifler zu bekehren, fehlt es diesem Weimar-«Tatort» vielleicht an einem einprägsamen szenischen Höhepunkt, doch Fans werden es lieben und Unentschlossene noch immer mit sehr runder Krimiunterhaltung beschert, die auf tolle Darsteller setzt. Man muss halt nur verstehen, dass die Seltsamkeiten hier keine Ausrutscher sind, sondern volle Absicht.

«Tatort – Der wüste Gobi» ist am 26. Dezember 2017 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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