Filmfacts: «Shape of Water – Das Flüstern des Wassers»
- Regie und Story: Guillermo del Toro
- Produktion: Guillermo del Toro, J. Miles Dale
- Drehbuch: Guillermo del Toro, Vanessa Taylor
- Darsteller: Sally Hawkins, Michael Shannon, Richard Jenkins, Doug Jones, Michael Stuhlbarg, Octavia Spencer
- Musik: Alexandre Desplat
- Kamera: Dan Laustsen
- Schnitt: Sidney Wolinsky
- Laufzeit: 123 Minuten
- FSK: ab 16 Jahren
Die Geschichte spielt in den vom Kalten Krieg eingeschüchterten USA der frühen 1960er-Jahre: Die als Reinigungskraft in einem geheimen Regierungslabor in Baltimore arbeitende Elisa Esposito (Sally Hawkins) führt ein recht einsames, aber durchgeplantes Leben. In ihrem homosexuellen Nachbarn Giles (Richard Jenkins), der als Werbezeichner verzweifelt nach Aufträgen sucht und der sich obendrein nach Liebe sehnt, und ihrer Arbeitskollegin Zelda (Octavia Spencer) hat die stumme Frau jedoch zwei Vertraute gefunden. Eines Nachts wird ein Wassertank in das Labor gebracht, der die Wissenschaftler vor Ort in Aufruhr versetzt: Darin befindet sich ein faszinierendes, rares sowie potentiell gefährliches Wesen.
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- © Twentieth Century Fox
Obwohl del Toro und Taylor ihre Geschichte mit der Leichtigkeit und Verträumtheit eines Märchens erzählen, verzichten sie darauf, die Nebenfiguren mit einer märchentypischen Einseitigkeit zu zeichnen. Elisa kann ihrem Umfeld gegenüber auch arg fordernd auftreten, Giles ist zwar eine sehr freundliche und empathische Seele, jedoch springt er erst dann über seinen Schatten und verausgabt sich für seine Nachbarin, nachdem er wiederholt von anderen Menschen vor den Kopf gestoßen wurde. Und Elisas hilfsbereite Arbeitskollegin Zelda hegt Vorurteile gegenüber Kleinwüchsigen, während der Amphibienmann zwar ein intelligentes Wesen ist, aber in einer der wenigen drastischen Szenen des Films vorschnell zu Gewalt greift.
Die Außenseiterhelden in «Shape of Water – Das Flüstern des Wassers» werden also nicht als unfehlbar dargestellt, und im wankelmütigen Doktor Robert Hoffstetler finden sie einen ähnlich nuancierten, möglichen Unterstützer. Dem Antagonisten Colonel Richard Strickland ringt das Drehbuch wiederum jedoch keine positiven Züge ab: Er ist durch und durch ein von Unverständnis, Wut und Geltungsbedürfnis getriebener, aggressiver toxischer Mann. Es ist Michael Shannons finster-kauziger Darbietung zu verdanken, dass Strickland kein langweiliger Schurke nach Schema F wird. Stattdessen provoziert Shannon als selbstgefälliger, innerlich brodelnder Militärvertreter neben seiner Funktion als Plottriebfeder gelegentlich auch bittere Schmunzler und bleibt in seinem steten Verfall von strenger Nervensäge zu monströsem Schurken plausibel.
Dabei wird Shannon sogar weit von sogleich mehreren seiner Ensemblekollegen in den Schatten gestellt. «A Serious Man»-Pechvogel Stuhlbarg glänzt einmal mehr mit seiner ihm typischen, mimisch vielfältig ausgedrückten Mischung aus Duckmäusertum und redlichen Versuchen, über sich hinauszuwachsen. Jenkins' schafft es, seine auf dem Papier fast nach Stereotyp scheinende Rolle des alternden, schwulen Musicalliebhabers mit Auge fürs Ästhetische, zu einer lebensnahen Figur zu erwecken, die unter Weltschmerz und aufgrund zahlreicher privater sowie beruflicher Rückschläge an einem angeknacksten Selbstbewusstsein leidet, und dennoch immer sanftmütig wieder den Kampf mit einem neuen Tag annimmt. Nur Octavia Spencer kann angesichts des ihr gebotenen Materials relativ wenig ihres immensen Talents zur Schau stellen.
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Überhaupt kann man nicht genug Lob an Jones gerichtet werden, sowie an das Make-up- und Design-Team, das seine Rolle kreiert hat: Das namenlose Wesen ist ein mannshohes cineastisches Wunderwerk – ausdrucksstark, viel beweglicher und in seiner Mimik subtiler als diverse andere Make-up-Fantasiewesen (wie etwa der Titelheld in Ron Howards «Der Grinch»). Und dadurch, dass es sich hier um keine rein digitale Schöpfung handelt, bricht nicht einmal für einen Sekundenbruchteil die Illusion in sich zusammen, dass Hawinks und Co. hier unmittelbar mit einem freundlichen Amazonasungeheuer interagieren.
Dadurch, dass das Ensemble so überzeugend zusammenspielt und del Toro sowie Taylor die zentrale Liebesbeziehung des Stoffs mit leichter Hand umsetzen, drängen sich die weitergehenden thematischen Komponenten von «Shape of Water – Das Flüstern des Wassers» nicht weiter auf. Viel mehr schweben sie im Raum und beeinflussen das Material auf subtilere Weise.
So ist das 60er-Jahre-Setting kein Zufall: Das auf detailverliebte Weise umgesetzte Zeitkolorit, das mit schwelgerischem Auge "märchifiziert" wird (Elisas und Giles Wohnungen wirken so, als hätte sich del Toro seine eigene Version von «Die fabelhafte Welt der Amélie» vorgenommen), spiegelt die innere Zerrissenheit der heutigen USA (und vieler anderer Länder) wider. Zwar hat der von Alexandre Desplats melancholisch-romantischer, nautisch angehauchter Musik untermalte Film keine tiefgreifenden Aussagen über Toleranz, Zusammenhalt von Außenseitern und heteronormativer Manie zu treffen, als skurril-feinfühliges Argument für ein friedfertigeres Zusammensein ist «Shape of Water – Das Flüstern des Wassers» jedoch bezirzend. Und das, obgleich sich das pointenreich unterfütterte Erwachsenenmärchen auch die eine oder andere selbstverliebte Länge erlaubt.
«Shape of Water – Das Flüstern des Wassers» ist ab dem 15. Februar 2018 in vielen deutschen Kinos zu sehen.
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